Schuldenkrise in Griechenland:Stunde der Opposition

Lesezeit: 3 min

(Foto: dpa)

Um seine Spar- und Reformpläne durchs Parlament zu bringen, muss Griechenlands Ministerpräsident Tsipras um jede Stimme kämpfen. Er ist wohl auf die Opposition angewiesen. Die nutzt die Debatte für eine Abrechnung mit der Regierung.

Von Mike Szymanski

Finanz-Ausschuss spricht sich für Reformliste aus

Griechische Parlamentsdebatten sind eine ganz gute Schule für Krisenverhandlungen in Brüssel. In Athen kommt man in der Regel auch nicht früh ins Bett, wenn die Politiker erst einmal angefangen haben zu diskutieren. Es ist kurz nach 19 Uhr am Freitag, und der neue griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos sieht jetzt schon so aus, als ob er gleich einschlafen würde.

Immer wieder versucht er die Müdigkeit aus seinem Gesicht zu reiben. Der Tag ist lang geworden für ihn - und auch noch lange nicht zu Ende.

Das griechische Parlament entscheidet in dieser Nacht darüber, ob Tsakalotos und eine griechische Delegation von Samstag an in Brüssel mit den Kreditgebern über ein drittes Hilfspaket verhandeln können. Bis in die Abendstunden tagte der Ausschuss, der die Nachtsitzung vorbereitete. Schon hier ging es zur Sache. Trotzdem sprachen sich die Ausschussmitglieder für die Spar-und Reformpläne aus.

Zereißprobe für Syriza

Es geht in Brüssel darum, was Griechenland im Gegenzug für weitere Hilfsmilliarden zu leisten bereit ist. 13 Milliarden Euro will die von Alexis Tsipras geführte Regierung in diesem und im nächsten Jahr einsparen oder zusätzlich erwirtschaften. Das ist eine große Kraftanstrengung für ein Land, das schon fünf Jahre Sparpolitik hinter sich hat. Das ist ein großes Problem für Tsipras Linksbündnis Syriza, das ein Ende der Sparpolitik versprochen hat.

Aber andernfalls droht dem Land der Grexit.

Tsipras hat den Abgeordneten und Funktionären von Syriza die Lage am Nachmittag in einer emotional aufgewühlten Sitzung so erklärt: "Wir stehen vor einer schlechten und einer katastrophalen Wahl."

Die Stunde der Opposition

Eine Mehrheit der Griechen will nicht raus aus dem Euro. Und auch im Parlament gibt es eine breite Mehrheit für neue Verhandlungen mit Brüssel - auch wenn am Ende weitere Härten stehen. Tsipras bekommt diese Mehrheit nicht geschenkt. Er muss sie sich erarbeiten.

Schuldenkrise
:Was diese acht Ökonomen für Griechenland fordern

Was tun mit Hellas? Ökonomen machen sich Gedanken - und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Infografik von Katharina Brunner und Yi Luo

Auftritt Dora Bakoyannis, eine mächtige Frau von der Nea Dimokratia, den Konservativen. Sie war Bürgermeisterin von Athen und Außenministerin Griechenlands. Sie sagt: "Ich war in Brüssel. Dort glauben sie uns nicht mehr." Jetzt, wenige Stunden bevor Griechenland die Pleite drohe, sitze man im Parlament zusammen. "Das ist wenig Zeit, um das zu tun, was diese Regierung in fünf Monaten nicht gemacht hat", sagt sie.

Jeder Satz von ihr ist eine Anklage, selbst der erlösende: "Sie haben unsere Unterstützung, zu einer Einigung zu kommen. Als wir ihre Unterstützung gebraucht hatten, bekamen wir die nicht."

Reformvorschläge aus Athen
:Griechenland ist doch noch zu retten

Auf den letzten Drücker präsentiert die griechische Regierung konkrete und umfangreiche Sparvorschläge. Von Reformunwilligkeit kann nicht mehr die Rede sein.

Kommentar von Mike Szymanski

Für die noch junge, liberale Partei To Potami tritt der Abgeordnete Haris Theoharis ans Mikrofon. Er spricht ohne Wut in der Stimme. Trotzdem kommen seine Sätze wie Schläge an. "Der einzige Grund, warum dieses Sparpaket härter ausfällt als eines, das wir im März hätten vereinbaren könnten, ist dieser: Im März hatten wir noch das Vertrauen der Kreditgeber." Dennoch sagt er: "Wir wollen die Vereinbarung in Brüssel."

Wie viele Syriza-Abgeordnete die Zustimmung verweigern werden, ist nicht klar

Finanzminister Tsakalotos kämpft für das Paket seiner Regierung. Er hat es mit ausgearbeitet. Er hat es schon im Kabinett gegen Widerstände verteidigt. Als er am Rednerpult steht, kommt er auf das Referendum vom vergangenen Sonntag zu sprechen. Vor einer Woche hatten sich 61 Prozent der Griechen gegen eine Fortsetzung der Sparpolitik ausgesprochen. Er sagt: "Wir sind gestärkt daraus hervorgegangen."

Das neue Programm sei hart, aber es sei eben auch besser als das alte, erklärt er. Die Lasten würden gerechter verteilt. Er kommt auf die Reeder und Yachtbesitzer zu sprechen, die jetzt auch mehr zahlen sollen. Und man diskutiere mit den Kreditgebern endlich über die Schuldenlast, die die Griechen erdrücke. Er zählt die Erfolge auf. Aber Begeisterung kommt nicht auf.

Griechenland
:Keine Einigung der Euro-Finanzminister - Gespräche auf Sonntag vertagt

+++ Sondertreffen der Eurogruppe zur Griechenlandkrise auf Sonntag vertagt +++ Mehrheit der Euro-Finanzminister reichen griechische Reformvorschläge nicht +++

Von Daniel Brössler und Alexander Mühlauer

Noch ist nicht ganz klar, wie viele Syriza-Abgeordnete Tsipras die Zustimmung verweigern werden. Als die Parlamentarier und Parteifunktionäre am Nachmittag unter sich diskutierten, verzichteten sie auf eine Probeabstimmung. Eine Handvoll Abgeordneter hat offen erklärt, gegen das Paket zu sein. Theano Fotiou, stellvertretende Ministerin für Soziales, sagte nach der Sitzung, es gebe große Zweifel in der Fraktion.

Ob Tsipras die noch ausräumen kann? Er wird in dieser Nacht selbst noch zu den Parlamentariern sprechen. Er wird um jede Stimme kämpfen.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: