Schuldenkrise in Europa:"Die Ansteckungsgefahr ist das entscheidende Risiko"

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Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz fürchtet eine Pleite Griechenlands und verteidigt den Schuldentilgungspakt. Allerdings ist er skeptisch, ob die Politik die Probleme in den Griff bekommt - und hätte den Plan B schon parat.

Catherine Hoffmann

Der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Wolfgang Franz, 68, warnt vor Scharfmachern und Populisten in der Euro-Krise. Allerdings ist auch der Wirtschaftsweise skeptisch, ob die Politik die Probleme in den Griff bekommt.

Wolfgang Franz berät die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen. (Foto: dapd)

SZ: Herr Franz, ein Staatsbankrott Griechenlands wird immer wahrscheinlicher, Spanien wankt - steht Europa ein heißer Herbst bevor?

Wolfgang Franz: Ich halte nichts davon, mit Spekulationen über einen Austritt Griechenlands das mediale Sommerloch zu füllen. Wir sollten erst einmal abwarten, was die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) sagt, und uns genau ansehen, was die Griechen jetzt machen, da sie nun eine handlungsfähige Regierung haben.

SZ: Sie glauben noch an ein Wunder?

Franz: Wenn Athen in überzeugender Weise seine Güter- und Arbeitsmärkte flexibilisiert, also beispielsweise unverzüglich Zugangsbarrieren für bestimmte Berufe abschafft, und darüber hinaus unter anderem glaubwürdig ein funktionstüchtiges Steuersystem installiert, dann könnte man darüber reden, für das Erreichen der Defizitziele einige wenige Monate hinzuzugeben. Schließlich waren die Prognosen des IWF für die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands übermäßig, wenn nicht sogar unrealistisch optimistisch.

SZ: Was geschieht, wenn sich in Athen neue Milliardenlücken auftun, die niemand schließen will? Droht dann das Aus?

Franz: Meine Befürchtungen gelten nicht so sehr isoliert einem Austritt Griechenlands aus der Währungsunion. Dieser wäre für sich genommen trotz einiger Risiken insgesamt gesehen wohl beherrschbar. Die Frage ist vielmehr, ob die Situation ebenso beherrschbar ist, wenn diese Austrittsdiskussion auf Spanien und Italien übergreift. Die Ansteckungsgefahr für andere Länder stellt aus meiner Sicht das entscheidende Risiko dar. Es ist abzusehen, dass an den Finanzmärkten sofort spekuliert würde, wer denn der nächste Kandidat für einen Austritt sein wird. Dann treten wir eine Lawine los, die für die Währungsunion gefährlich werden kann.

SZ: Bleibt wieder einmal nur die EZB als Retter in der Not?

Franz: Natürlich könnte die EZB eingreifen - ich bin aber strikt dagegen. Ich halte es für eine Todsünde, wenn eine Zentralbank die Staatsschulden finanziert. Wohin das führt, hat Deutschland in den zwanziger Jahren erlebt: Die Reichsbank verlor alsbald ihre Unabhängigkeit und die Inflation explodierte. Euro-Bonds sind ebenfalls kein Erfolg versprechender Weg aus der Krise, weil dann die Anstrengungen in den Problemländern erlahmen dürften.

SZ: Was also sollen die Politiker tun, um eine weitere Eskalation zu verhindern?

Franz: Der Sachverständigenrat schlägt zur Krisenbewältigung einen Schuldentilgungspakt vor. Demnach dürfen die Euro-Staaten, die nicht schon Hilfe bekommen, ihre Staatsschulden oberhalb von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in einen Schuldentilgungsfonds zeitlich gestreckt übertragen, für den die Gemeinschaft haftet. Gleichzeitig müssen sie sich unwiderruflich verpflichten, die eingelagerte Schuld nach einem verbindlich festgelegten Tilgungsplan abzuzahlen. Wir haben einige harte Sicherungen eingebaut, damit diese Tilgung auch tatsächlich erfolgt.

SZ: Bundeskanzlerin Angela Merkel hält nicht viel von gemeinsamer Haftung und sie hat juristische Bedenken.

Franz: Wir sind anderer Meinung. In den kommenden Tagen werden wir ein Rechtsgutachten veröffentlichen, das unsere Position stützt. Der Pakt verstößt weder gegen das Grundgesetz, noch gerät er mit europäischem Recht in Konflikt. Aber unter Juristen herrscht diesbezüglich keine Einigkeit, mit Juristen ist es wie mit Ökonomen: zwei Juristen, zwei Meinungen. Es ist nun Sache der Bundesregierung, ob sie unseren Vorschlag noch einmal prüfen möchte.

SZ: Glauben Sie ernsthaft, dass Ihr Plan B den akuten Euro-Patienten hilft?

Franz: Der Schuldentilgungspakt wäre ein glaubwürdiges Signal an die Finanzmärkte. Er stellt in Zukunft fiskalische Solidarität sicher und baut eine Brücke zu einem funktionstüchtigen Ordnungsrahmen für die Währungsunion. Und er hält die EZB außen vor. So kommen wir aus dem Schlamassel.

Wolfgang Franz ist seit März 2009 Vorsitzender des Sachverständigenrates, der die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen berät. Er lehrt Ökonomie an der Universität Mannheim und ist Präsident des Forschungsinstituts ZEW.

© SZ vom 24.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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