Immobilien:Scholz will gegen Tricks bei Grunderwerbsteuer vorgehen

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Die Innenstadt von München - wer hier eine Immobilie kauft, zahlt einen hohen Preis und dann auch noch Grunderwerbsteuer. (Foto: Sina Schuldt/dpa)
  • Normalerweise muss ein Immobilienkäufer zum Beispiel in Bayern 3,5 Prozent des Kaufpreises an Grunderwerbsteuer zahlen.
  • Immobilienkonzerne tricksen den Fiskus oft aus: Käufer erwerben ein Haus oder ein Grundstück nicht selbst, sondern über Anteile an einer Gesellschaft.
  • Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will dies mit einer Gesetzesänderung bereits von 2020 an unterbinden.

Von Thomas Öchsner

Wer in München eine Wohnung kauft, ist dafür schnell mal 500 000 Euro los. Das ist aber noch nicht alles. An das Finanzamt muss der neue Eigentümer zusätzlich die in Bayern üblichen 3,5 Prozent Grunderwerbsteuer, also 17 500 Euro zahlen - zumindest als ganz normaler Steuerbürger. Wäre so ein privater Käufer aber ein großer Immobilieninvestor, könnte er über eine steuerliche Sonderkonstruktion die Steuer ganz legal umgehen. Große Immobilienfirmen sparen dadurch seit Jahren viele Millionen. Nun will die Bundesregierung nach jahrelangen Diskussionen den Missbrauch per Gesetz eindämmen.

Es geht um ein großes Ärgernis, das Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) als "echtes Gerechtigkeitsproblem" bezeichnet. "In der Praxis wird jeder kleine Häuslebauer besteuert, während millionenschwere Grundstücksgeschäfte von Immobiliengesellschaften trickreich am Fiskus vorbeigeschummelt werden", sagt er. Dieser gesetzlich erlaubte Trick geht so: Käufer erwerben Häuser oder Grundstücke nicht selbst, sondern über Anteile an einer Gesellschaft, an die die Immobilien übertragen werden. Diese Gesellschaft wurde oft nur aus einem Grund errichtet: um Steuern in großem Stil zu sparen. Denn erwerben die Käufer weniger als 95 Prozent an der Gesellschaft und ein Partner mehr als fünf Prozent, ist keine Grunderwerbsteuer fällig. Man spricht deshalb von "Share Deals", weil es um Anteile an Geschäften geht.

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Wie viel Geld dem Fiskus dabei jedes Jahr entgeht, ist unklar. Nach Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung wurde aber bei der Übertragung von Beständen mit mehr als 800 Wohnungen bei mehr als jeder dritten verkauften Wohnung die Grunderwerbsteuer eingespart. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Grünen hervor. Der CDU-Politiker Schäfer spricht von bis zu einer Milliarde Euro, die den Bundesländern durch das Steuerschlupfloch entgingen.

In Berlin sollen sich diese Steuerausfälle auf einen dreistelligen Millionenbetrag belaufen. Allein beim Verkauf des Sony Centers am Potsdamer Platz, den der südkoreanische Staatsfonds an zwei andere Gesellschaften für rund 1,1 Milliarden Euro veräußerte, könnten die Investoren nach einem Bericht der Berliner Zeitung 66 Millionen Euro an Grunderwerbsteuer gespart haben. Eine Menge Geld, das etwa für Schulen, Kindergärten oder Sozialarbeiter nicht zur Verfügung steht. Die Länder nahmen 2017 mehr als 13 Milliarden Euro an Grunderwerbsteuer ein.

Schäfer hatte schon 2016 mit seinem damaligen Kollegen, Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), eine Initiative gestartet, um das Steuerschlupfloch zu schließen. Jetzt, drei Jahre später, hat das Bundesfinanzministerium in einem Gesetzentwurf, mit dem zahlreiche steuerliche Vorschriften geändert werden sollen, die Share Deals tatsächlich ins Visier genommen. "Die Praxis hat gezeigt, dass es besonders im Bereich hochpreisiger Immobilientransaktionen immer wieder gelingt, durch gestalterische Maßnahmen die Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Die hiermit einhergehenden Steuermindereinnahmen sind von erheblicher Bedeutung", heißt es in dem Entwurf. Wie hoch diese sind, wird nicht gesagt. Die Steuerausfälle müssten aber "von denjenigen finanziert werden, denen solche Gestaltungen nicht möglich sind". Ziel müsse es daher sein, "die Gleichheit der Besteuerung" wiederherzustellen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will dies mit den Gesetzesänderungen bereits von 2020 an erreichen. Zwei Hürden werden darin höher gelegt: Die für eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer entscheidende Anteilsgrenze wird von 95 Prozent auf 90 Prozent verringert. Gleichzeitig darf der Mehrheitseigner seinen Anteil zehn Jahre lang nicht auf 100 Prozent erhöhen. Bislang liegt die Frist hier bei fünf Jahren. Aber wird das reichen, um zum Beispiel große Börsenunternehmen und internationale Investoren von diesem Steuersparmodell abzuhalten?

"Die großen Immobilienspekulanten atmen bereits erleichtert auf"

Lisa Paus, steuer- und finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, hält die Initiative für eine "Minimallösung". Obwohl sich CDU und SPD im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet hätten, werde das Steuerschlupfloch nicht geschlossen. "Die großen Immobilienspekulanten atmen bereits erleichtert auf", sagte sie. Bezeichnend sei, dass der Entwurf keine Angaben darüber enthalte, wie viele Steuern die Länder künftig mehr kassieren könnten. Hinzu komme, "dass so Wohnraum weiter zu einem leicht handelbaren Finanzprodukt wird. Share Deals sind eine Art Brandbeschleuniger für den spekulativen Handel", kritisierte Paus. Die Grünen-Politikerin hatte wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass verschachtelte Firmenkonstruktionen auch der Verschleierung von Eigentumsverhältnissen und der Geldwäsche dienten. Deutschland sei für Immobilieninvestoren "ein Steuerparadies". Paus forderte Scholz auf, "zügig weitere Verbesserungen auf den Weg zu bringen".

Der sozialdemokratische Finanzminister kann aber nicht allein entscheiden. Bei dem Entwurf, dem die Länder im Bundesrat zustimmen müssen, handelt es sich bereits um einen Kompromiss. Der Entwurf beruht auf Vorschlägen einer von den Finanzministern der Länder eingesetzten Arbeitsgruppe, die sich ebenfalls für eine neue 90-Prozent-Grenze aussprachen. Einige SPD-Politiker pochen auf niedrige Grenzen. Die Grünen hatten vorgeschlagen, dass schon ab einer Grenze von 50 Prozent anteilig die Steuer fällig wird. Die Union dringt hingegen darauf, dass bei einer verschärften Anwendung der Grunderwerbsteuer die Steuersätze gesenkt werden. Die hatten einige Länder wie Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren auf 6,5 Prozent fast verdoppelt. Ein Steuerzahler, der kein Schlupfloch nutzen kann, müsste dort für den Kauf einer 500 000 Euro teuren Immobilie sogar 32 500 Euro ans Finanzamt zahlen.

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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