Schmutzige Diesel:Kampf um die Fahrverbote

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Dicke Luft: Greenpeace-Aktivisten demonstrieren gegen Feinstaub in Stuttgart. (Foto: Arnulf Hettrich/imago)
  • Vor dem dritten Dieselgipfel sind die Rahmenbedingungen für Hardware-Nachrüstungen immer noch nicht klar.
  • Selbst um die Definition von "sauber" gibt es Streit zwischen dem Bundesumwelt- und dem Verkehrsministerium.
  • Die Autokonzerne wollen auf keinen Fall selbst nachrüsten, sondern sich höchstens an den Kosten beteiligen.

Von Joachim Becker

Der Versuch der Bundesregierung, Fahrverbote durch Diesel-Nachrüstungen zu vermeiden, kommt nicht voran. Die Kunden haben weder Klarheit darüber, welche Folgen die Updates für ihre Fahrzeuge haben, noch ob sie damit Fahrverbote vermeiden können. Deshalb sind die Programme der Bundesregierung für saubere Luft bisher nahezu wirkungslos verpufft. Für diesen Montag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut zu einem Spitzentreffen von Bund und Kommunen in Berlin geladen - rund ein Jahr nach dem letzten Dieselgipfel aber sind die Rahmenbedingungen für Hardware-Nachrüstungen immer noch nicht klar.

Eine erste Bilanz: Schon im Frühjahr 2017 hatte das Umweltbundesamt Hardware-Nachrüstungen und eine "blaue Plakette" für relativ saubere Autos gefordert. In zehn deutschen Städten sind Klagen auf Fahrverbote für Dieselstinker mittlerweile erfolgreich, in mehr als 20 weiteren Städten stehen die Entscheidungen noch aus. Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen wurden zum Denkzettel für die Regierung, daher konnte sich das Umweltbundesamt mit seinen Forderungen vor acht Wochen zumindest teilweise durchsetzen.

Ab wann ist ein Diesel sauber genug?

Im "Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten" hat die Bundesregierung erstmals Hardware-Maßnahmen für Kommunal- und Handwerkerfahrzeuge sowie private Pkw angekündigt: Durch die Nachrüstung von SCR-Katalysatoren sollen Euro-5-Diesel, die bis 2015 gebaut wurden, so sauber werden, dass sie weiterhin in hochbelastete Städte fahren dürfen.

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Nur: Über die Frage, was sauber genug ist, herrscht Streit zwischen dem Bundesumwelt- und dem Verkehrsministerium. Einig ist man sich über den Stickoxid-Zielwert von 270 Milligramm pro Kilometer. Vom Messverfahren hängt nun aber ab, welche Fahrzeuge zu welchen Kosten diese Hürde tatsächlich nehmen werden. Software-Updates sind dafür auf keinen Fall ausreichend. Sie sollen die Stickoxid-Emissionen der Altfahrzeuge um 25 bis 30 Prozent reduzieren. Doch dem Umweltbundesamt zufolge ist der Stickoxid-Ausstoß (NOx) der deutschen Diesel-Flotte um rund ein Drittel höher als bislang offiziell angenommen. Mit durchschnittlich 906 Milligramm pro Kilometer NOx überschreiten sie den zulässigen Prüfstandswert um 403 Prozent. Selbst mit dem Software-Update liegen die allermeisten Selbstzünder also immer noch um mehr als das Doppelte über dem Zielwert von 270 mg NOx.

Klar ist, dass die Autohersteller nicht selbst nachrüsten werden

Umweltministerin Svenja Schulze besteht daher darauf, dass die 270 mg/km im Realverkehr gemessen werden müssen. Das wäre ein Aufschlag von 50 Prozent auf das Prüfstandslimit von 180 mg NOx/km für Euro-5-Diesel. Anders als im Testlabor kann es auf der Straße aber kalt werden. Da SCR-Katalysatoren mindestens 200 Grad Celsius brauchen, um richtig zu funktionieren, haben die Außentemperaturen großen Einfluss auf das Messergebnis. In der Diskussion sind daher mögliche Abstufungen des Grenzwertes bei weniger als zehn Grad Celsius.

Die Lage ist verfahren: Bisher ist nur klar, dass die Autohersteller die Hardware nicht selbst nachrüsten werden. Unter dem Druck der Politik (und den Zwangsrückrufen durch das Kraftfahrtbundesamt) gaben zumindest Daimler und VW Anfang November ihre Blockadehaltung teilweise auf. In Stuttgart erinnerte man sich plötzlich an "unsere Verantwortung, wenn es darum geht, die Luftqualität weiter zu verbessern und die individuelle Mobilität unserer Kunden zu sichern".

Konkret haben Daimler und VW zugesagt, Hardware-Nachrüstungen mit bis zu 3 000 Euro zu unterstützen. Vorausgesetzt, der Besitzer des Fahrzeugs wohnt oder arbeitet in einem von 14 "Intensivstädten" mit besonders schlechter Luft. Daimler spricht von 150 000 Mercedes-Fahrzeugen, die von Fahrverboten betroffen sein könnten.

Die Stuttgarter wollen bis Anfang 2019 Klarheit schaffen, welche Hardware-Lösungen zu welchem Zeitpunkt überhaupt angeboten werden können. Bei einem Technik-Workshop mit Drittanbietern am vergangenen Freitag haben sie allerdings klargestellt, dass sie weder für Einbau und Betrieb der nachgerüsteten Teile noch für Schäden an anderen Bauteilen haften werden, wenn diese auf die Umrüstung zurückzuführen sind. "Das war von Anfang an unsere Position", sagt ein Daimler-Sprecher.

In zwei Studien im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums hatten Motorexperten bereits vor der hohen Komplexität der Hardware-Nachrüstung gewarnt. Ein zusätzlicher Katalysator im Abgasstrang bedeutet fast notwendig einen höheren Abgasgegendruck. Das hat in der Regel einen steigenden Kraftstoffverbrauch zur Folge, zudem werden Komponenten wie der Turbolader höher belastet. Weil das Verschleißrisiko steigt, will Daimler jeden Haftungsanspruch ausschließen.

Zwei bis drei Jahre Entwicklungszeit für neue Abgassysteme

Auch das wirtschaftliche Risiko für mittelständische Nachrüster wie Baumot, HJS, Dr Pley oder Oberland Mangold ist groß: Weder die technischen Auflagen noch die rechtlichen Rahmenbedingungen und die zu erwartenden Stückzahlen sind klar: Ab Frühjahr 2019 werden Euro-4-Diesel in den ersten Städten ganz oder straßenweise ausgesperrt, im zweiten Halbjahr sind voraussichtlich Euro-5-Diesel von den Fahrverboten betroffen.

Bisher haben die Autohersteller von zwei bis drei Jahren Entwicklungszeit für ein neues Abgassystem gesprochen. Für jedes Modell muss es individuell angepasst werden - sinnvoll ist das nur, wenn die Serienproduktion bereits von Euro 5 auf Euro 6 umgestellt wurde und die entsprechenden Komponenten verfügbar sind. "Es geht auch aus Kapazitätsgründen zunächst nur um die Volumenmodelle wie Mercedes C- und E-Klasse sowie den VW Golf oder Passat", sagt Axel Friedrich, der die Emissionsprüfungen für die Deutsche Umwelthilfe verantwortet.

Das KBA ist schon heute damit überfordert, die von der Regierung geforderten 6,3 Millionen Euro-5-Diesel mit Software-Updates auf die Straße zu bringen. Viele Kunden weigern sich zudem, das neue Programm aufspielen zu lassen, weil sie negative Auswirkungen wie einen höheren Spritverbrauch oder eine schlechtere Beschleunigung fürchten. Ob diese Autobesitzer mehr Vertrauen in eine Hardware-Nachrüstung haben, bleibt abzuwarten.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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