Auf einmal steht er da: Jim Hagemann Snabe, 45, wirkt jugendlich, sportlich, unter dem Arm hat er ein iPad, sonst nichts. Seit Februar dieses Jahres führt er zusammen mit Bill McDermott den Softwarekonzern SAP, die größte deutsche IT-Firma. Der gebürtige Däne spricht fließend Deutsch.
Jim Hagemann Snabe (links) und Bill McDermott sind gleichberechtigte Vorstandsvorsitzende des Softwarekonzerns SAP.
(Foto: dpa)SZ: Herr Snabe, wie nutzen Sie privat das Internet?
Snabe: Wie die meisten: Ich kaufe online sehr viel ein, von Amazon bis Ebay. Da muss ich nicht losfahren und einen Parkplatz suchen. Etwas anderes ist der Erlebniskauf, zum Beispiel Mode oder Möbel. Das mache ich lieber vor Ort.
SZ: Es sind amerikanische Konzerne wie Amazon, Ebay oder Google, die das Internet beherrschen. Das muss dem Chef einer deutschen IT-Größe weh tun.
Snabe: Wenn es um Angebote für Privatnutzer geht, sind die US-Unternehmen in der Tat sehr schnell und sehr innovativ. Doch die Welt wird nicht unbedingt produktiver, wenn Millionen Menschen auf Facebook Videos hochladen oder mit Google im Internet suchen. Wenn dagegen Unternehmen das Web in Zukunft stärker nutzen, dann kann das zu einem deutlichen Produktivitätsschub führen.
SZ: Davon ist derzeit wenig die Rede. Die Menschen reden lieber über "Apps" bei Apple oder über soziale Netzwerke.
Snabe: Das sind ja auch sehr erfolgreiche Entwicklungen. Aber unsere Vision für Unternehmen ist: Das Internet der Zukunft wird zusätzlich ein mobiles Business-Web umfassen. Es wird Firmen helfen, produktiver zu werden - durch sicheren Datenaustausch, durch Datenanalyse, durch neue Partnerschaften zwischen Unternehmen und ganz neue Geschäftsmodelle. Das ist die große Chance für die Anbieter in Europa. Hier können wir gemeinsam weltweit führend werden und auch gegenüber den Amerikanern die Nase vorne haben.
SZ: Die meisten Unternehmen nutzen doch bereits das Internet.
Snabe: Das Business-Web, wie wir es uns vorstellen, stößt in eine neue Dimension vor und wird die gesamte Wertschöpfungskette betreffen. Wie in einem App-Store wird es künftig Unternehmensdienstleistungen geben, einfach zu nutzen - auch auf Mobilgeräten. Dazu brauchen Sie eine äußerst sichere, verlässliche Infrastruktur. Das ist lösbar, wir arbeiten daran.
SZ: Um im mobilen Internet zu wachsen, hat SAP in diesem Jahr die Firma Sybase übernommen. Unser Eindruck: Viel ist seitdem nicht passiert.
Snabe: Bei mobilen Anwendungen gibt es bisher fast ausschließlich Eigenentwicklungen und daher einen großen Standardisierungsbedarf. Zusammen mit Sybase wollen wir im Mai 2011 unsere erste gemeinsame mobile Plattform auf den Markt bringen. Dadurch können wir die Standardisierung vorantreiben, natürlich mit individuell gestaltbaren Oberflächen und offenen Schnittstellen.
SZ: Ist das die Antwort auf die große Frage: Wie wächst SAP in Zukunft?
Snabe: Unsere Wachstumsstrategie beruht auf Innovationen für unsere Kunden. Derzeit entfallen etwa fünf Prozent der gesamten IT-Kosten in Unternehmen auf SAP. Wenn wir in Unternehmen die IT-Kosten weiter senken, gleichzeitig damit einen deutlichen Mehrwert generieren und ihnen mit Innovationen helfen, können wir auch unseren Anteil steigern. Dabei ist zweitrangig, ob als Lizenzzahlungen, als Miete für unsere Software oder als Kombination von beidem.
SZ: Derzeit läuft in der IT-Branche eine Konsolidierungswelle. Die Großen werden immer größer, zum Beispiel Ihr Rivale Oracle.
Snabe: Manche Anbieter wollen alles aus einer Hand anbieten und die gesamte Hardware und Software beherrschen. Wir glauben, dies ist der falsche Weg. Die Kunden wollen Wahlmöglichkeiten und Innovationen. Außerdem verändert sich die Rolle von Hardware massiv. Rechnerleistung kommt mehr und mehr aus einer "Wolke", dem sogenannten Cloud-Computing. Speicherkapazität wird immer billiger, dadurch lassen sich riesige Datenbanken statt auf einer Festplatte direkt im Hauptspeicher in Bruchteilen von Sekunden analysieren, das sogenannte In-Memory-Computing. Es geht nicht um Konsolidierung, es geht um Innovation für den Kunden. Und mit unserem Partnerschaftsmodell können wir trotzdem alles aus einer Hand liefern.