Smartphone-Rückruf:Samsungs Note 7: Alarm in Seoul

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Dieser Verkäufer in Hongkong wird keine Galaxy Note 7 von Samsung mehr verkaufen. (Foto: AFP)

Nachdem Samsung das Galaxy Note 7 beerdigt hat, steckt Südkoreas größter Familienkonzern in der Krise. Jetzt muss ausgerechnet die Erben-Generation das Unternehmen retten.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Es ist ein einzigartiger Fall in der Wirtschaftsgeschichte: Samsung gibt das Galaxy Note 7 komplett auf. Produktion und Vertrieb wurden gestoppt. Damit ziehen die Südkoreaner einen schnellen Schlussstrich unter die doppelte Pleite ihres Flaggschiff-Smartphones. Sie stellen auch ihre bisherige Diagnose infrage, dass das Note 7 an seiner neuen leistungsfähigeren Batterie gescheitert ist.

Der plötzliche Rückzug des Note 7 ist kein Versuch von Samsung Electronics, den Imageschaden zu begrenzen. Oder nicht primär. Der Konzern hat die Notbremse so rasch gezogen, weil die amerikanische Consumer Product Safety Commission (CPSC) nach dem Brand eines ausgetauschten Note 7 in einem Passagierflugzeug eine Untersuchung eingeleitet hat. Bis diese abgeschlossen ist, darf das Note 7 in den USA nicht mehr angeboten werden.

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Für eine Firma, die angibt, die Sicherheit der Kunden habe absolute Priorität, verbietet sich damit auch der Verkauf in andere Länder. Angesichts der kurzen Innovationszyklen bei Smartphones ist das Note 7 damit erledigt. Und es bleibt offen, ob Samsung ihm je ein Note 8 folgen lässt, oder ob die große Smartphone-Version künftig anders heißt.

Hat Samsung ernsthaft nach dem Fehler gesucht?

Nach ersten Batteriebränden Ende August rief Samsung 2,5 Millionen ausgelieferte Note 7 zurück, um sie auszutauschen. Als Brandursache benannte der Konzern fehlerhafte Batterien einer Tochterfirma. Doch dann fingen auch erste Austausch-Modelle mit einem neuen Akku Feuer. Wie die koreanische Tageszeitung Hankyoreh berichtet, hatte Samsung die ausgebrannten Telefone nicht genauer untersucht, sondern - um schnell zu reagieren - einfach angenommen, die Batterien seien das Problem. "Nach anderen Ursachen haben sie nicht wirklich gesucht", zitierte der Hankyoreh den Batterie-Experten Park Cheol-wan.

Samsung hatte damit gerechnet, bis zu 19 Millionen Note 7 verkaufen zu können. Das wären jedoch nur sechs Prozent seiner Jahresproduktion von 320 Millionen Smartphones. Das Note 7 war Samsungs Vorzeigegerät, das Eindruck machen sollte. Es war aber kein Goldesel, der viel Geld bringt. Doch das Timing ist schlecht. Ausgerechnet jetzt bringt Samsungs Software-Lieferant Google eigene teure Smartphones auf den Markt. Der alte Rivale Nokia steigt wieder ins Geschäft ein. Und Hersteller aus China drücken mit soliden Mittelklasse-Geräten die Preise.

Der dritten Generation der Dynastien fehlt das Charisma

Die Schätzungen über die zu erwartenden Umsatzverluste variieren von fünf bis 15 Milliarden Euro - im Vorjahr hat Samsung Electronics 15,5 Milliarden Euro Reingewinn gemacht. Das Unternehmen sitzt außerdem auf 21 Milliarden Euro Cash-Reserven. Selbst wenn auch der Verkauf anderer Smartphones leiden und, wie Experten befürchten, der Absatz von Komponenten nachlassen sollte, kann Samsung Electronics diese Krise alleine überstehen. Falls nicht, wird die Samsung-Gruppe, Südkoreas größter Familienkonzern, der Elektronik-Tochter unter die Arme greifen. Die Samsung-Gruppe hat einen Börsenwert von 212 Milliarden Euro und Cash-Reserven von 63 Milliarden Euro.

Samsung Electronics wird geleitet von Lee Jae-wong, dem 48-jährigen, ältesten Sohn des Patriarchen Lee Kung-hee, der schwer krank ist. Der junge Lee gilt als umgänglicher als sein Vater, als freundlich und ruhig. Aber es fehle ihm auch dessen Charisma, erzählt man in Seoul. Viele Koreaner zweifeln an den Fähigkeiten der dritten Generation, die künftig die großen Familienkonzerne des Landes führen soll. Sie haben ihre Jobs geerbt, nicht erarbeitet. Ob Lee die Krise mitverschuldet hat, dringt nicht nach außen. Sicherlich wird ihre Bewältigung zu seiner Feuertaufe.

Bedrohlicher als für Samsung selbst könnte der Rückzug des Note 7 für einige kleine südkoreanische Zulieferer werden. Die Börsenkurse von Amotech, Hansol Technics und Kolen, die Komponenten für das Note 7 herstellten, sind um ein Drittel eingebrochen. Auch Koreas Mobilfunk-Anbieter melden Umsatzeinbußen. Derzeit steigen 30 Prozent weniger Kunden auf neue Smartphones um als vor einem Jahr.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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