Bündnis Sahra Wagenknecht:So sieht Wagenknechts Wirtschaftspolitik aus

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Sahra Wagenknecht spricht mit Betriebsräten von Thyssenkrupp in Duisburg. (Foto: Imago/Funke Foto Services)

Rund um die neue Partei der ehemaligen Linken-Politikerin gibt es noch viele Fragen. Über ihre wirtschaftspolitische Agenda lässt sich dennoch schon manches sagen - eine Analyse.

Von Angelika Slavik, Berlin

Seit Anfang dieser Woche ist klar: Deutschland bekommt eine neue Partei. Die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, 54, verkündete am Montag die Gründung des nach ihr benannten "Bündnis Sahra Wagenknecht", kurz BSW. Rund um die neue Partei gibt es noch viele Fragen. Über ihre wirtschaftspolitische Agenda lässt sich dennoch schon manches sagen.

Wagenknecht legte am Montag ein "Gründungsmanifest" vor, das auf fünf Din-A4-Seiten die zentralen Punkte ihrer Agenda beschreiben soll. Die Wirtschaftspolitik wird dabei unter der Überschrift "Wirtschaftliche Vernunft" gleich als erster Punkt genannt. Das Kapitel beginnt mit einer Art Mängelliste: Die Unpünktlichkeit bei der Bahn, die langen Wartezeiten auf einen Facharzttermin, fehlende Wohnungen und Kita-Plätze werden ebenso genannt wie "marode Straßen und Brücken, Funklöcher und langsames Internet". Insgesamt, so heißt es, sei die öffentliche Infrastruktur "in einer für ein führendes Industrieland blamablen Verfassung". Auch das Bildungssystem wird als dysfunktional beschrieben. Und weiter: "Seit durch die Russlandsanktionen und vermeintliche Klimapolitik auch noch Energie schlagartig teurer wurde, droht unserem Land der Verlust wichtiger Industrien und Hunderttausender gut bezahlter Arbeitsplätze."

Insgesamt ist die Russlandpolitik offensichtlich ein prägender Parameter der Wagenknecht-Agenda. Denn wenn es um Lösungsansätze für die beschriebenen Missstände geht, nennt das Papier neben "massiven Investitionen" in Bildung, Infrastruktur und Unternehmensförderung auch die Beziehungen zu anderen Staaten: "Deutschland als exportstarkes und rohstoffarmes Land braucht eine Außenwirtschaftspolitik, die auf stabile Handelsbeziehungen mit möglichst vielen Partnern statt auf neue Blockbildung und ausufernde Sanktionen setzt und die unsere Versorgung mit Rohstoffen und preiswerter Energie sicherstellt." Ein klarer Hinweis auf eine Hinwendung zu Russland.

"Dass in diesem kurzen Kapitel gleich zweimal die Russlandpolitik adressiert wird, ist schon auffällig", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. "Die Russlandsanktionen werden sehr kritisch erwähnt. Dazu muss man sagen, dass die Sanktionen für einzelne Unternehmen ein Problem sind, für die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland spielen sie aber so gut wie keine Rolle." Zudem verkenne das Papier, "dass es keine europäischen Gassanktionen gegenüber Russland gibt, sondern dass Russland die Gaslieferungen nach Europa eingestellt hat".

Im Manifest finden sich auch klassische linke Forderungen

Bardt erkennt zudem anti-amerikanistische Zwischentöne, etwa bei der Passage, bei der das Wagenknecht-Bündnis "gegen Konzerne aus Übersee wettert", wie Bardt sagt. Konkret werden in dem Papier, Amazon, der Google-Mutterkonzern Alphabet, Facebook, Microsoft und Apple genannt, zudem der Finanzinvestor Blackrock. Diese würden "allen anderen Marktteilnehmern ihren Tribut auferlegen, Wettbewerb untergraben und die Demokratie zerstören. Zu einem beachtlichen Teil ist die aktuelle Inflation auch Ergebnis eines durch zu große wirtschaftliche Macht verursachten Marktversagens". Als Ursache kritisiert wird "von Konzernen beeinflusste und gekaufte Politik und das Versagen der Kartellbehörden". Für Ökonom Bardt "schwingt da mehr als nur ein Hauch Verschwörungstheorie mit".

Im Gründungsmanifest finden sich aber auch klassische linke Forderungen: So will das BSW mittlere und kleinere Einkommen steuerlich entlasten, in Interviews forderte Wagenknecht zudem, der Mindestlohn solle auf 14 Euro pro Stunde angehoben werden. Reiche sollen hingegen stärker zur Kasse gebeten werden, ebenso große Konzerne. Der Begriff "Vermögenssteuer" kommt im Manifest nicht direkt vor, allerdings machte Wagenknecht an anderer Stelle mehrfach deutlich, dass sie Erbschaften und Vermögen höher besteuern will. Dabei, so sagte sie es etwa in der Pressekonferenz in dieser Woche, ginge es aber nur um Menschen, die "Hunderte Millionen besitzen oder sogar Milliarden". Wer zum Beispiel sein Elternhaus erbe, solle nicht belastet werden, selbst dann nicht, wenn dieses Haus in München stünde und damit "Millionen wert" sei.

Deutlich weniger konkret sei die Haltung der in Gründung befindlichen Partei in der Klimapolitik, sagt Experte Bardt. So sei einerseits von "vermeintlicher Klimapolitik" die Rede, was die Legitimität von Klimaschutzmaßnahmen grundsätzlich infrage stelle. Gleichzeitig werde aber vor einer "Zerstörung unserer Lebensgrundlagen" als "ernste Herausforderung" gewarnt. "Was das dann in konkreten Positionen heißen wird, muss sich erst zeigen", so Bardt.

Bemerkenswert seien außerdem die Überlegungen zur Rolle des Staates in der Wirtschaft. Konkret heißt es im Bündnis-Papier, man wolle "Marktmacht begrenzen und marktbeherrschende Konzerne entflechten. Wo Monopole unvermeidlich sind, müssen die Aufgaben gemeinnützigen Anbietern übertragen werden." Bardt übersetzt das damit, dass das BSW aus zentralen Wirtschaftsbereichen den privatwirtschaftlichen Konkurrenzdruck rausnehmen und die Aufgaben staatlich organisieren wolle. "Durch Verzicht auf unternehmerische Initiative wird Leistung aber nicht besser", so Bardt. Stattdessen drohten höhere Kosten und nachlassender Service. Insgesamt, sagt der Wirtschaftswissenschaftler, sei das alles "eine ziemlich dünne Suppe".

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