Rentenpaket:Das will die Regierung an der Rente ändern

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Bessere Leistungen können in Zukunft auch jene erwarten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zum Rentenalter durchhalten. (Foto: Robert Haas)
  • Mütter bekommen jetzt mehr Rente. Das Geld wird aus den Beitragskassen bezahlt, was für Kritik sorgt.
  • Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zur Rente arbeiten kann, bekommt jetzt auch mehr als vorher.
  • Menschen mit Midi-Jobs zahlen in Zukunft weniger, bekommen dafür aber mehr Rentenpunkte.

Von Henrike Roßbach, Berlin

362 Jastimmen, 222 Neinstimmen und 60 Enthaltungen: Am Donnerstag hat der Bundestag das milliardenschwere Rentenpaket verabschiedet. "Ein Kernversprechen des Sozialstaats" werde damit erneuert, sagte Sozialminister Hubertus Heil (SPD), "nämlich dafür zu sorgen, dass die Menschen nach einem Leben voller Arbeit sich auf die Alterssicherung auskömmlich wieder verlassen können".

Die Opposition freilich sah das anders. Der FDP-Rentenexperte Johannes Vogel etwa kritisierte, die Rentenformel werde zulasten der Jüngeren manipuliert - was Heil auf die Palme brachte: "Herr Vogel, mal ganz grundsätzlich: Wer sich aus der Regierungsverantwortung stielt wie die FDP und so redet, der disqualifiziert sich selbst für dieses Debatte", sagte der Sozialminister mit Blick auf den Ausstieg der FDP aus den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition. "Sie haben ja viel über Kosten geredet, aber wer von allem den Preis kennt und von nichts mehr den Wert, der weiß nicht, was der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung ist." Heil warf Vogel vor, die Generationen gegeneinander auszuspielen und die gesetzliche Rente "krankenhausreif" zu reden, um sich dann "als Notarzt anzubieten". Das wollte der Angesprochene nicht auf sich sitzen lassen: "Generationen gegeneinander ausspielen, das tut nicht derjenige, der auf Tatsachen hinweist, sondern derjenige, der diese Tatsachen schafft - und das ist die große Koalition."

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Mütterrente

Der größte Brocken im Rentenpaket ist die "Mütterrente II". Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern bekommen ab 2019 einen weiteren halben Rentenpunkt gutgeschrieben. Insgesamt kommen sie dann auf zweieinhalb Erziehungsjahre je Kind, die für die Rente zählen - vor Mütterrente I und II war es nur ein Jahr gewesen. Gut 3,8 Milliarden Euro im Jahr kostet der nun verabschiedete zweite Schritt, der im Westen 16,02 Euro mehr Rente je Kind bedeutet, im Osten 15,35 Euro. Neurentnerinnen bekommen die höhere Mütterrente von Januar an; wer schon in Rente ist, muss sich bis März 2019 gedulden; so lange dauert die Neuberechnung. Für Januar und Februar gibt es dann Nachzahlungen.

Bezahlt werden die höheren Mütterrenten aus Beitragsmitteln - wogegen die Rentenversicherung stets vehement, aber erfolglos protestiert hatte. Bei den Müttern mit nach 1992 geborenen Kindern dagegen werden die Leistungen aus Steuern finanziert. Wie groß der Unmut ist, machte Alexander Gunkel deutlich: "Es kann nicht sein, dass der Gesetzgeber, ohne für eine Finanzierung durch den Bund zu sorgen, die Rentenversicherung zu zusätzlichen Rentenzahlungen verpflichtet, für die keine Beiträge geleistet wurden", sagte Gunkel, der derzeit für die Arbeitgeber Vorsitzender des Bundesvorstands der Rentenversicherung ist. Besonders empörend aus seiner Sicht: Die höheren Mütterrenten bekämen sogar Personen, "die nie einen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben".

Erwerbsminderungsrente

Bessere Leistungen können in Zukunft auch jene erwarten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zum Rentenalter durchhalten. Künftige Erwerbsminderungsrentner profitieren von längeren Zurechnungszeiten: Für die Berechnung ihrer Erwerbsminderungsrente wird eine längere fiktive Berufstätigkeit unterstellt als bisher. Wer in diesem Jahr krankheitsbedingt aus dem Beruf ausgeschieden ist, der bekommt eine Rente, als hätte er bis 62 Jahre und drei Monate gearbeitet. Wer dagegen erst nächstes Jahr gesundheitsbedingt ausscheidet, für den gelten dank Rentenreform 65 Jahre und acht Monate - was naturgemäß höhere Rentenbezüge bedeutet.

Hintergrund der Reform ist, dass Erwerbsminderungsrentner ein deutlich höheres Risiko haben, im Alter arm zu sein, als jene, die bis zum Schluss arbeiten können. Jeder siebte muss ergänzend Sozialleistungen beantragen; unter den Altersrentnern nicht einmal drei von hundert. Weil die Erwerbsminderungsrente in bestimmten Fällen aber künftig sogar attraktiver sein kann als die normale Altersrente, rechnet die Rentenversicherung mit deutlich mehr Anträgen und Prüfungen. Gunkel sprach von "erheblichen Herausforderungen". Annelie Buntenbach dagegen, die den Deutschen Gewerkschaftsbund im Vorstand der Rentenversicherung vertritt, verteidigte die Neuregelung, die im kommenden Jahr zunächst 100 Millionen Euro kosten wird, im Jahr 2025 aber schon eine Milliarde.

Midi-Jobs

Zum Rentenpaket gehört auch eine Entlastung von Geringverdienern bei den Sozialbeiträgen. Bisher können Arbeitnehmer, die zwischen 450 und 850 Euro im Monat verdienen, einen verringerten Rentenbeitrag zahlen, damit ihnen netto mehr übrig bleibt. Sie kriegen dadurch aber später auch weniger Rente. In Zukunft sind diese verringerten Beiträge bis zu einem Einkommen von 1300 Euro möglich - gleichzeitig aber sammeln die Midi-Jobber Rentenanwartschaften, als hätten sie voll eingezahlt. Die sozialpolitische Begründung für diese 200 Millionen Euro teure Neuregelung könne er "nur begrenzt" erkennen, sagte Gunkel. Denn begünstigt würden mitnichten nur Vollzeitbeschäftigte mit niedrigem Einkommen - sondern auch Teilzeitkräfte mit hohen Stundenlöhnen oder Arbeitnehmer mit zusätzlichen Einkommensquellen.

Haltelinien

Bis 2025 kostet das Rentenpaket insgesamt gut 32 Milliarden Euro. Zusätzliche Bundesmittel fließen erst ab 2022, und dann auch nur 500 Millionen Euro im Jahr - plus weitere Mittel, falls die Reserven der Rentenversicherung zu stark schmelzen. Um das zu finanzieren, fällt die eigentlich fällige Senkung der Rentenbeitragssätze auf 18,2 Prozent im kommenden Jahr aus; es bleibt bei 18,6 Prozent, 2024 geht es hoch auf 19,9 Prozent, 2025 greift dann die Haltelinie für den Beitragssatz, die zum Rentenpaket gehört - sie bremst den Beitragsanstieg bei 20 Prozent, allerdings nur für ein Jahr. Die zweite Haltelinie sorgt für ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent bis 2025; danach sinkt das Verhältnis von Standardrente zum Durchschnittseinkommen. Allerdings brütet derzeit die Rentenkommission darüber, wie es nach 2025 weitergehen soll. Im Frühjahr 2020 soll sie ihren Bericht vorlegen.

© SZ vom 09.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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