Lebenserwartung:Höheres Einkommen, längeres Leben - und viel mehr Rente

Lebenserwartung: In den Industriestaaten erhöht sich seit mehr als 150 Jahren alle zehn Jahre die Lebenserwartung um etwa 2,5 Jahre.

In den Industriestaaten erhöht sich seit mehr als 150 Jahren alle zehn Jahre die Lebenserwartung um etwa 2,5 Jahre.

(Foto: Catherina Hess)
  • Menschen mit geringeren Einkommen leben meist kürzer als Besserverdiener und können so von ihren eingezahlten Beiträgen weniger lang profitieren.
  • Dies zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die an diesem Mittwoch veröffentlicht wird.
  • Der Untersuchung zufolge zeigt sich das Rentensystem "gegenüber Arbeitnehmern mit höheren Lebenslohneinkommen großzügiger".

Von Thomas Öchsner

Wer besser verdient, lebt zunehmend länger und erhält dadurch überproportional mehr Rente. Wer wenig verdient, hat hingegen nicht nur ein größeres Risiko, im Alter in die Armut zu rutschen. Menschen aus den unteren Lohngruppen leben auch meist kürzer als Besserverdiener und können so von ihren eingezahlten Beiträgen weniger lang profitieren. Dies ergibt sich aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die an diesem Mittwoch veröffentlicht wird. Demnach zeigt sich das Rentensystem "gegenüber Arbeitnehmern mit höheren Lebenslohneinkommen großzügiger", sagt Daniel Kemptner, einer der Autoren der Untersuchung.

In den Industriestaaten erhöht sich seit mehr als 150 Jahren alle zehn Jahre die Lebenserwartung um etwa 2,5 Jahre. Wie alt jemand werden kann, hängt jedoch auch davon ab, wo sie oder er lebt, wie gesund die Lebensführung ist - und auch Bildung und Einkommen spielen eine wichtige Rolle. Die DIW-Ökonomen Peter Haan, Daniel Kemptner und Holger Lüthen haben nun untersucht, wie lange heutige Rentner eigentlich leben und inwieweit ihre Lebenserwartung von ihrem Einkommen abhängt, das sie im Laufe ihres Arbeitslebens erzielt haben.

Unterschied in der Lebenserwartung zwischen dem obersten und dem untersten Lebenslohndezil nimmt zu

Ausgewertet wurden dafür die Daten westdeutscher männlicher Arbeitnehmer, die zwischen 1926 und 1949 geboren wurden, also heute zwischen 93 und 70 Jahre alt sind und viele Jahrzehnte in die Rentenkasse eingezahlt haben (keine Beamte und Selbständige). Für diese Jahrgänge war die Datenlage am besten. Unterteilt wurden die untersuchten Jahrgänge in zehn große Gruppen, in sogenannte Dezile. Im untersten Zehntel befinden sich diejenigen, deren Lebenseinkommen am geringsten ist, im obersten Zehntel die Top-Verdiener.

Das Ergebnis liefert neuen Stoff für die Diskussion um die Grundrente: So steigt die Lebenserwartung mit der Höhe des im Laufe des Berufslebens erworbenen Lohneinkommens. Auffällig ist dabei laut DIW, "dass der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen dem obersten und dem untersten Lebenslohndezil im Zeitverlauf zunimmt".

Lag die Differenz für die ältesten Geburtsjahrgänge noch bei vier Jahren, erhöhte sie sich für die Jahrgänge 1947 bis 1949 auf sieben Jahre. Dieser Zusammenhang zwischen Lebenslohneinkommen und Lebenserwartung werde künftig auch bei Frauen auftreten, da diese zunehmend längere Erwerbsbiografien haben und in ihrem Arbeitsleben höhere Verdienste erzielen, heißt es in der Untersuchung.

Für Studienautor Lüthen ist damit klar: "Menschen mit niedrigem Lebenslohneinkommen beziehen also nicht nur weniger, sondern auch kürzer Rente, was dem Äquivalenzprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung widerspricht." Nach diesem Grundprinzip hängen Einzahlungen in die Rentenkasse und die späteren Auszahlungen eng zusammen. Diejenigen, die mehr und länger einzahlen, bekommen eine höhere Rente als diejenigen, die weniger und nicht so lang Beiträge eingezahlt haben.

Die DIW-Wissenschaftler argumentieren nun, dass dieses Äquivalenzprinzip verletzt werde und die Ungleichheit bei den Rentenzahlungen sogar steigt. Das Äquivalenzprinzip basiere auf der Annahme, dass die Lebenserwartung innerhalb eines Jahrgangs gleich sei und sich nicht nach dem Einkommen unterscheide. Dies aber sei, wie die Untersuchung zeige, gar nicht der Fall.

Die Ökonomen fordern deshalb, die Renten von Arbeitnehmern aufzuwerten, die bestimmte Mindestbeitragszeiten erreicht, aber nur geringe Rentenansprüche erworben haben. Die Grundrente, über deren Form und Finanzierung derzeit SPD und Union in der Bundesregierung streiten, wäre dabei eine Möglichkeit. Die Berliner Forscher favorisieren dabei, eine solche Mindestrente nicht über die Rentenbeiträge, sondern über Steuern zu finanzieren und damit die Last auf möglichst viele Bürger zu verteilen. Die Bundesregierung dürfe "für diesen gesamtgesellschaftlich relevanten Interessenausgleich" nicht einseitig die Arbeitnehmer belasten.

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