Für die Sommerferien ist der Flug längst gebucht, keine Fernreise, nur Bilbao und von dort weiter mit dem Mietwagen. Reisen gehört zum Selbstverständnis des modernen Menschen dazu, er ist mobil, mobiler denn je. Gut 70 Milliarden Euro im Jahr geben die Deutschen für Urlaube aus, zugleich gilt vielen der Umweltschutz als sehr wichtig. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären?
Eine Flugreise ist ökologisch so ziemlich das schlimmste Verbrechen, das eine einzelne Personen anrichten kann. Die Klimagasemissionen erwärmen die Erde mit verheerenden Folgen für Ökosysteme und Artenvielfalt. Fluglärm und Schadstoffe kommen noch dazu. Die Folgen sind tödlich. Und trotzdem reisen wir ungerührt.
Wir besuchen die Freundin in London mit dem Billigflieger und googeln im Netz einen günstigen Flug, der uns über Weihnachten nach Vietnam oder Thailand bringt. Gerade gut gebildete, gut Verdienende zählen zu den Vielfliegern, für die jährlich zwei, drei Urlaube ganz selbstverständlich sind. Weil es so bequem ist, weil sie glauben, nach anstrengender Arbeit Entspannung verdient zu haben, weil ihre Freunde es auch tun, weil es möglich ist, schnell geht und wenig kostet.
Nun wissen Verhaltensforscher aus ihren Experimenten schon lange, dass das Wissen um Fakten und moralische Haltungen das Treiben der Menschen nur bedingt beeinflussen, dass Emotionen, Gewohnheiten und Verdrängung mächtiger sind. Dennoch zählen beim Umweltschutz die Fakten: Will man die globale Erderwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzen, müssen die Emissionen im Verkehr, der Energieversorgung, der Landwirtschaft sinken. Das verlangt nach einem neuen Lebensstil. "Ständig durch die Weltgeschichte zu gondeln, ist damit schlicht nicht vereinbar", schreibt der Klimaforscher Felix Ekardt. Das gilt auch für all die weltläufigen Ökos, die zwar auf Plastiktüten verzichten und Biogemüse kaufen, zum Wandern aber nach Chile fliegen.
Wer regelmäßig fliegt, schadet der Umwelt extrem
Die Atmosphäre gehört allen Erdenbürgern zu gleichen Teilen. Ein großer Teil der Menschheit ist noch nie geflogen. Aber die kleine Minderheit, die regelmäßig fliegt, schadet der Umwelt extrem. Eine, global betrachtet, winzige fliegende Klasse hat nicht das Recht, das Klima so sehr zu verändern, dass es alle in Mitleidenschaft zieht, die auf der Erde leben oder nach uns noch hier leben wollen. Doch die Zahl der Fluggäste wächst weiter - plus sieben Prozent waren es im vergangenen Jahr - auf 4,1 Milliarden. Möglich machen es vor allem die Billig-Airlines.
Es bringt nichts zu warten, bis Politiker die Vielfliegerei erschweren, etwa indem sie die fossilen Brennstoffe massiv verteuern oder Verbote aussprechen. Sie werden es nicht tun. Paternalismus kommt nicht gut an beim Wähler, er klingt nach Hausarrest und Diktatur. Darf etwa nicht jeder frei entscheiden, wohin es in den Ferien geht, würde dann gefragt. Darf er. Aber die Menschen müssen lernen, zwischen ihren Bedürfnissen und Wünschen zu unterscheiden - und wir müssen uns im Neinsagen üben, wenn wir das Klima schützen wollen. Gefordert ist nicht totaler Verzicht, sondern kluges Reisen. Vielleicht machen ein paar Wochen, in denen man zu Fuß Europa erkundet, ja glücklicher als eine Fernreise mit all dem Stress, den der Wechsel von Zeit- und Klimazonen mit sich bringt. Es ist eine Illusion der Wohlstandstouristen, dass eine Erholung am anderen Ende der Welt möglich ist, ohne genau diese Welt zu zerstören.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikel schrieben wir über eine Begrenzung der globalen Erwärmung von "deutlich unter zwei Prozent". Dies ist falsch. Gemeint waren hier "zwei Grad Celsius" gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung.