Reaktionen der Märkte auf US-Haushaltskompromiss:"Seid nicht allzu begeistert"

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Kurzfristig freuen sich die Märkte über den Kompromiss im US-Haushaltsstreit, aber die Euphorie zerrinnt im Verlauf des Vormittags. Schon in drei Monaten kann das Katastrophenszenario wiederkehren. Schlimmer noch: Das Vertrauen in die größte Volkswirtschaft der Welt droht dauerhaft Schaden zu nehmen.

Von Oliver Klasen

Die Börsen in Tokio, Peking, Singapur und Sydney sind im Plus, die Zinsen für US-Staatsanleihen sinken, der Dollar legt im frühen asiatischen Handel zu und Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, spricht von einem "wichtigen und notwendigen Schritt". Die Reaktionen der Märkte, nachdem - um 4:14 Uhr deutscher Zeit - das US-Repräsentantenhaus dem Kompromiss im Haushaltsstreit zugestimmt hat, sind erst einmal positiv.

Doch sofort mischen sich auch warnende Untertöne in die Kommentare: Die Ratingagentur Standard & Poor's hat ausgerechnet, dass sich der ökonomische Schaden durch den "shutdown", also die Unterbrechung der Regierungsgeschäfte für zwei Wochen, auf 24 Milliarden Dollar belaufe. Außerdem werde die US-Wirtschaft trotz der Einigung erheblich leiden: Mit 0,6 Prozent weniger Wachstum sei im vierten Quartal 2013 zu rechnen, auch deshalb, weil das Verbrauchervertrauen, das traditionell die Stütze der US-Wirtschaft ist, stark nachlassen könnte.

Die Euphorie der Märkte zerrinnt im Verlauf des Vormittags wie die Zeit in einer Sanduhr: Der Deutsche Aktienindex startet zu Handelsbeginn bei etwa einem halben Prozent im Minus. Der Dollar, der zunächst gegenüber dem japanischen Yen noch auf ein Drei-Wochen-Hoch von 99,01 Dollar steigt, verliert zum Börsenschluss in Tokio 0,3 Prozent. Und die chinesische Ratingagentur Dagong macht ihre Drohung vom Vortag war. Und senkt die Kreditwürdigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft von der dritthöchsten Bewertung "A" auf nur noch "A-". Außerdem bleibt der Ausblick negativ, so dass weitere Abstufungen drohen.

Zwar gilt Dagong wegen der undurchsichtigen Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft in China nicht als ernstzunehmender Konkurrent für die großen US-Ratingagenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch. Dennoch: Dass China - mit 1,3 Billionen Dollar der größte Gläubiger der USA - sich offen besorgt zeigt über die US-Finanzpolitik, wird an den Märkten als negatives Signal gewertet.

"In- und ausländischen Investoren sei geraten, sich einen Plan B zurechtzulegen, da noch immer keine langfristige Lösung für die US-Schuldenkrise in Sicht ist", schreibt die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua.

Aufschieben, sich durchwursteln, Zeit gewinnen

"Dieser Kompromiss löst nicht alle Haushaltsprobleme. Er sorgt nur für einen Aufschub", sagt der Analyst Gary Thayer von der Investmentfirma Wells Fargo Advisors. Auch Lagarde kombiniert ihr Lob sofort mit der Mahnung, das die Unsicherheit über die Finanzpolitik der USA nun unbedingt verringert werden müsse.

Die Schuldengrenze ist bis zum 7. Februar aufgehoben, zusätzlich ein Übergangshaushalt beschlossen, der zumindest bis 15. Januar trägt - das sind die Kernpunkte des Kompromisses zwischen US-Präsident Barack Obama und den Republikanern. In den US-Medien wird dieser Deal häufig mit der bildhaften Formulierung "kicking the can down the road" beschrieben. Das bedeutet: Eine Sache aufschieben, sich durchwursteln, Zeit gewinnen.

In der Tat wirken die Politiker in den USA derzeit eher wie unbedarfte kleine Jungs, die Blechbüchsen ein Stückchen weiter die Straße herunterkicken und erst dann mal schauen, wie es weitergeht. Sie wirken jedenfalls nicht wie Vertreter der größten Volkswirtschaft der Welt, die ihr Finanzierungsproblem nachhaltig und dauerhaft lösen können.

Immer nur provisorisch finanziert

Der Autor Eliott McLaughlin fasst die Grundstimmung in Washington auf CNN ganz gut zusammen: "Don't get excited: Only 3-month deal" - "Seid nicht allzu begeistert. Es ist nur ein Drei-Monats-Deal".

Seit 2011 folgt ein Haushaltsstreit auf den anderen, im Grunde ist der US-Haushalt immer nur für ein paar Monate provisorisch finanziert. Spätestens Anfang kommenden Jahres droht eine Wiederkehr des jetzt nur ganz knapp abgewendeten Katastrophenszenarios, zumal der rechte Flügel der Republikaner auf Rache sinnen dürfte und seine ideologische Position, nach der der Staat zu viel Geld ausgibt, nicht aufgeben will.

Bisher funktionierte die Kurzfrist-Finanzierungsstragie der USA irgendwie, weil das Vertrauen der Weltmärkte in das Wachstumspotenzial und die Kraft der US-Volkswirtschaft stets stärker war als die Zweifel. Dass die Schulden der USA exorbitant hoch sind, ist egal, solange der große Kreislauf des Geldes in der Weltwirtschaft reibungslos funktioniert und die Banken bereit sind, sich gegenseitig unbegrenzt Geld zu leihen.

Doch schon die Reaktionen der Märkte an diesem Donnerstag zeigen: Dieser Mechanismus ist kein Naturgesetz, das ewige Geltung beanspruchen kann. "Über 224 Jahre (seit 1789, dem Jahr der ersten Präsidentschaftswahl; Anm. d. Red.) haben wir die Kreditwürdigkeit der USA als stärkste in der Welt etabliert", sagte US-Finanzminister Jacob Lew zwar nach der Verabschiedung des Kompromisses. Doch Vertrauen, und sei es über einen noch so langen Zeitraum gewachsen, kann eine Volkswirtschaft auch verspielen.

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