Quelle: Versandkonzern am Abgrund:"Nicht überlebensfähig"

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Kaum noch Chancen auf Rettung: Das angezählte Versandhaus Quelle ist aus Sicht der Bundesregierung in seiner heutigen Form nicht fit für die Zukunft.

C. Hulverscheidt, M. Szymanski, A. Ramelsberger, U. Ritzer

In Regierungskreisen hieß es übereinstimmend, wahrscheinlich müsse das Unternehmen am Ende geordnet abgewickelt werden. Das gelte selbst für den Fall, dass sich der Bund und das Land Bayern am Montag entschlössen, Quelle den beantragten Staatskredit in Höhe von 50 Millionen Euro zu gewähren. Im besten Fall finde sich ein Investor, der Teile des Betriebs übernehme und die zugehörigen Arbeitsplätze rette.

Schöne bunte Warenwelt bei Quelle - doch die Arcandor-Tochter steht vor dem Aus. (Foto: Foto: Getty)

Die Einschätzung aus Berlin wurde auch von einem ranghohen Mitglied der bayerischen Staatsregierung bestätigt. Quelle habe sich überlebt, daher sei auch "die Liquidation des Unternehmens ein denkbares Szenario", sagte er. Selbst Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) mochte am Freitag nicht mehr von einer Rettung sprechen. "Der Massekredit ist eine Übergangslösung. Es muss bei Quelle erheblich mehr geschehen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Die Aussagen sind auch deshalb bedeutsam, weil Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wiederholt den Anschein erweckt hatte, das Unternehmen könne mit Hilfe des Staats dauerhaft überleben. Nach Firmenangaben sind bis zu 10.000 Arbeitsplätze gefährdet.

Großzügige Lieferanten

Tatsächlich steht es schlecht um Quelle. Seit zwei Wochen lebt das Unternehmen praktisch von der Großzügigkeit seiner Lieferanten, die Zahlungen vorerst stunden. Selbst Telefon, Strom und Kantine laufen nur noch, weil die Dienstleister in Vorlage treten. Angesichts der vielfältigen Verschachtelungen im bankrotten Quelle-Mutterkonzern Arcandor können nicht einmal die vorläufigen Insolvenzverwalter sagen, bei wem das Versandhaus wie viele Schulden hat. "Wir arbeiten vom ersten Tag an fieberhaft daran, die Summe zu ermitteln", sagte der für Quelle zuständige Insolvenzverwalter Jörg Nerlich der SZ.

Aus Berliner Regierungskreisen verlautete, das Versandhaus müsse ohne Staatshilfe bereits kommende Woche geschlossen werden. Sollte das Darlehen dagegen gewährt werden, gewönne man Zeit und könne "statt in einem chaotischen in einem geordneten Verfahren" nach einem Käufer für Teile des Unternehmens suchen. In Sicht sei ein solcher Investor aber bisher nicht. Ob Quelle den beantragten Massekredit erhalten wird, entscheidet sich spätestens am Montag. Bis dahin soll ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC vorliegen, die das Unternehmen nach Sicherheiten für das Darlehen durchforstet. In einem zweiten Gutachten soll geklärt werden, ob vor Eröffnung des formellen Insolvenzverfahrens überhaupt ein Massekredit gewährt werden darf. Das Instrument ist eigentlich nur für bereits laufende Verfahren gedacht.

Wie groß die Chancen sind, dass Quelle das Darlehen bekommt, blieb am Freitag offen. In einem Ministerium zeigte man sich verhalten optimistisch, in einem anderen skeptisch. Immerhin verständigten sich der Bund und Bayern darauf, dass bei einem teilweisen Kreditausfall zunächst die bundeseigene Förderbank KfW Ansprüche geltend machen dürfte. Die bayerische Landesförderbank LfA und damit die Staatsregierung hätten dann das Nachsehen. KfW und LFA sollen je 25 Millionen Euro bereitstellen, für die der Bund und Bayern dann bürgen würden.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Unabhängig vom Ausgang der Kreditgespräche begannen Bund und Land bereits mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) warf seinem Berliner Amtskollegen Peer Steinbrück (SPD) vor, auf dem Rücken der Quelle-Mitarbeiter parteitaktische Spielchen zu treiben. "Weil Wirtschaftsminister Guttenberg bei der Opel-Rettung Vorbehalte hatte, verzögert Steinbrück nun die Rettung von Quelle", sagte er der SZ. Allerdings bekam auch Guttenberg den Ärger seines Parteifreunds zu spüren. "Ich hätte mir auch vom Kollegen Guttenberg in den letzten 48 Stunden stärkere Unterstützung gewünscht", so Fahrenschon.

In Steinbrücks Haus hieß es dagegen, wenn die Bayern das Quelle-Konzept so überzeugend fänden, könnten sie ihren Teil des Kredits ja auszahlen. Vorstand und Betriebsrat der Firma schrieben in einem Brandbrief an Steinbrück und Guttenberg, "die Lebenszeichen des Patienten" würden schwächer.

© SZ vom 27./28.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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