Putin: Plädoyer für Wirtschaftsgemeinschaft:Von Lissabon bis Wladiwostok

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Handelspakt zwischen Russland und Europa: Moskau will als Lehre aus der größten Krise der Weltwirtschaft seit acht Jahrzehnten wesentlich enger mit der Europäischen Union zusammenarbeiten.

Wladimir Putin

An diesem Donnerstag beginnt in Berlin das 4. Führungstreffen Wirtschaft der Süddeutschen Zeitung. Bis Samstag diskutieren 40 Politiker, Wirtschaftsführer und Wissenschaftler über aktuelle Fragen der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält vor 300 Gästen die Eröffnungsrede, am Freitag redet der russische Ministerpräsident Wladimir Putin. In einem Gastbeitrag für die SZ beschreibt Putin vorab seine Ideen für eine russisch-europäische Zusammenarbeit.

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Russlands Premierminister Wladimir Putin während eines Interviews mit der ARD.

(Foto: AFP)

Heutzutage ist es offensichtlich, dass der Ausbruch der weltweiten Krise im Jahr 2008 nicht nur durch das Aufblähen der "Blasen" und missglückte Finanzmarktregulierung verursacht wurde, sondern strukturbedingt war. Das Kernproblem besteht in der Kumulierung von globalen Ungleichgewichten. Das Modell, wonach das eine regionale Zentrum zügellos Anleihen aufhäuft und Güter konsumiert, während das andere Billigware produziert und Schulden aufkauft, hat versagt.

Darüber hinaus vollzog sich die Verteilung des geschaffenen Wohlstands äußerst ungleichmäßig, und zwar sowohl zwischen verschiedenen Ländern, als auch unter einzelnen Bevölkerungsschichten, was die Erosion der Beständigkeit der Weltwirtschaft bewirkte, das Aufflammen der lokalen Konflikte schürte und die Konsensfähigkeit der Weltgemeinschaft bei der Erörterung von akuten Problemen hemmte.

Die Krise machte es vielfach notwendig, Neubewertungen vorzunehmen, Risiken zu erwägen und die weitere Entwicklung durchzudenken, deren Grundlage nicht von virtuellen, sondern von realen Werten gebildet werden soll. Mit der Aufstellung solcher Postkrisenstrategien befasst man sich derzeit in allen führenden Zentren, einschließlich USA und China. Auch Europa braucht eigene Zukunftsvisionen. Und so schlagen wir vor, diese Zukunft durch die Partnerschaft zwischen Russland und der EU gemeinsam zu gestalten. Damit könnten wir unser Anrecht auf Erfolg und beste Wettbewerbsfähigkeit in der modernen Welt gemeinsam geltend machen.

Man soll es offen zugeben: Sowohl Russland als auch die EU erwiesen sich wirtschaftlich als recht anfällig. Dies wurde uns mit aller Deutlichkeit durch die Krise vor Augen geführt. Russland ist nach wie vor auf die Rohstoffkonjunktur stark angewiesen. Die Europäische Union erntet die Früchte ihrer langjährigen Deindustrialisierung und ist mit der realen Gefahr der Abschwächung ihrer Positionen auf den Märkten der Industrie und der Hochtechnologiegüter konfrontiert.

Gesammelte Kooperationserfahrungen

Ein für uns und die EU gemeinsames Problem des tendenziellen Rückstandes in manchen Bereichen der Bildung, Forschung und Entwicklung zieht herauf. Es sei hinzugefügt, dass insgesamt der heutige Stand der Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU den Herausforderungen, welchen wir gegenüberstehen, eindeutig nicht entspricht.

Um die Situation zu wenden, müssen wir die sowohl in Russland als auch in der EU vorhandenen realen Vorteile und Möglichkeiten nutzen. Dadurch könnte eine fürwahr harmonische Synthese der beiden Wirtschaften bewirkt werden - einer klassischen und bewährten in der EU und einer neuen und aufstrebenden in Russland, denen einander gut ergänzende Wachstumsfaktoren eigen sind.

Wir verfügen über moderne Technologien, Naturressourcen und Investitionskapital. Wir sind gesegnet mit dem einmaligen Leistungsvermögen unserer Menschen. Schließlich stützen sich Russland und die EU auf bereits gesammelte ernstzunehmende Kooperationserfahrungen. Es freut mich, an dieser Stelle anmerken zu können, dass Deutschland, welches ja als Lokomotive der europäischen Integration agiert, auch auf diesem Gebiet für eine richtige Führungsstärke beispielgebend auftritt. Was schlagen wir also vor?

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