Medienunternehmen:Pro Sieben Sat 1 rutscht tiefer in die Krise

Lesezeit: 3 Min.

  • Der Chef des Medienkonzerns Pro Sieben Sat 1, Max Conze, muss nach nur zwei Jahren wieder gehen.
  • Das Unternehmen kündigte auch eine neue Stragie an: Es werde sich wieder mehr auf Fernsehen und die Streamingplattform Joyn konzentrieren. Andere Beteiligungen im Internetbereich dagegen würden verkauft.
  • Mehrere Konkurrenten spekulieren darauf, den Medienkonzern günstig übernehmen zu können.

Von Caspar Busse, München

Gut zwei Wochen ist es erst her, da hatte sich Conrad Albert, 52, kräftig Luft gemacht: Pro Sieben Sat 1 müsse sich wieder auf seine Wurzeln besinnen, "sonst bleibt der Eindruck einer Vorstands-Soap-Opera am Unternehmen haften", sagte der inzwischen abgelöste stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Süddeutschen Zeitung - und verband das mit deutlicher Kritik an Firmenchef Max Conze, 50. Albert, ein für gewöhnlich eher kühler Jurist, kündigte dann noch an, dass er seinen Vertrag "in der aktuellen Konstellation" nicht verlängern werde.

Die ungewöhnlich harschen Worte haben für viel Aufregung bei Pro Sieben Sat 1 gesorgt - und nun weitere Konsequenzen. Das Unternehmen teilte in der Nacht zu Freitag mit, dass Vorstandschef Conze, der nicht einmal zwei Jahre im Amt ist, "mit sofortiger Wirkung" ausscheide. Zudem beschloss der Aufsichtsrat unter Leitung des früheren SAP-Finanzchefs Werner Brandt, 66, einen grundlegenden Strategieschwenk: Pro Sieben Sat 1 werde sich wieder mehr auf Unterhaltung, Fernsehen sowie die Streamingplattform Joyn konzentrieren. Die Beteiligungen im Internetbereich dagegen würden "zu gegebener Zeit veräußert". Bislang wollte das Unternehmen durch die Onlineaktivitäten, etwa Onlinedating oder Vergleichsportale, die Abhängigkeit vom werbefinanzierten Fernsehen reduzieren.

In eigener Sache
:Veränderung im Zeitraffer

Rasante Nachrichtenlage, verlassene Redaktionsräume und Korrespondenten unter Quarantäne: Wie sich die Corona-Krise gerade auf die "Süddeutsche Zeitung" auswirkt.

Von Fabian Heckenberger

Es ist ein Drama, das sich da gerade in der Zentrale in Unterföhring abspielt und das - wie es aussieht - noch nicht zu Ende ist. Offenbar hatte Conze in den vergangenen Tagen versucht, Druck auf den Aufsichtsrat auszuüben, und auf eine Verlängerung seines Vertrags gedrängt, der 2021 ausgelaufen wäre. Conze, der lange das britische Staubsaugerunternehmen Dyson geführt hat und dann von Brandt geholt wurde, wollte Klarheit. Viele Erfolge hatte er nicht vorzuweisen, zudem stimmte offenbar die Chemie nicht, der Führungsstil gefiel nicht jedem. "Irgendwann ist das Fass übergelaufen", sagte ein Beteiligter. Die Äußerungen Alberts hätten eine größere Rolle gespielt. Am Ende habe sich der Aufsichtsrat zur schnellen Trennung entschlossen.

Finanzvorstand Rainer Beaujean, 51, wird nun zum neuen Vorstandssprecher ernannt (ausdrücklich nicht zum Vorstandsvorsitzenden). Er ist erst seit Juli 2019 dabei und hat vorher unter anderem für den Verpackungshersteller Gerresheimer und T-Online gearbeitet. Neu in den Vorstand berufen wurden Wolfgang Link, 52, der für das Programm und die Sender zuständig sein wird, und Christine Scheffler, 51, für den Bereich Personal (Albert ist noch bis Ende April Vizechef). Ob das neue Trio an der Spitze eine langfristige Lösung sein wird, ist unklar.

Durch die Corona-Krise ist das Geschäft des Unternehmens ohnehin unter Druck, hinzu kommen keine besonders guten Zahlen für 2019 sowie allgemein zurückgehende Werbeeinnahmen. Die Aktie legte am Freitag nach dem Abgang Conzes zwar um zwischenzeitlich mehr als zehn Prozent zu, insgesamt geht es aber seit Langem abwärts. Bei Conzes Amtsantritt lag der Kurs bei 30 Euro, am Freitag bei knapp sieben Euro. "Das Unternehmen ist ein Übernahmekandidat", glaubt ein Insider.

Mediaset, das Unternehmen des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, hat die niedrigen Kurse bereits genutzt und seinen Anteil auf inzwischen 20 Prozent ausgebaut. Mediaset schweb ein europäischer TV-Konzern vor. Der tschechische Investor Daniel Kretinsky, der auch in der Medienbranche aktiv ist, hat bereits zehn Prozent der Anteile von Pro Sieben Sat 1. Finanzinvestoren werden jetzt ebenfalls als mögliche Interessenten gehandelt. Bertelsmann-Chef Thomas Rabe hatte zuletzt ein Zusammengehen mit der eigenen Konzerntochter RTL ins Spiel gebracht. Das ehemalige Dax-30-Unternehmen Pro Sieben Sat 1 mit etwa 7000 Mitarbeitern ist an der Börse nur 1,7 Milliarden Euro wert und wäre in einer solchen Konstellation höchstens der Juniorpartner.

"Dieses Unternehmen hat weit mehr Potenzial, als ihm derzeit extern beigemessen wird", teilte Beaujean nun mit. Man werde sich wieder stärker auf das Kernsegment Entertainment und auf nachhaltig profitables Geschäft konzentrieren. Die grundlegende Änderung der Ausrichtung hat viele überrascht. "Das ist eine 180-Grad-Wende", meint ein Insider.

Thomas Ebeling, der Vorgänger Conzes, hatte lange verstärkt auf ein stärkeres Engagement im Internetbereich gesetzt und dort zugekauft. Alle Aktivitäten wurden dann in einer Gesellschaft mit dem Namen Nucom gebündelt, an der sich der US-Finanzinvestor General Atlantic beteiligte. Nun aber sollen diese Aktivitäten offenbar zu Geld gemacht - und stattdessen das Fernsehen gestärkt werden. Genau das hatte zuletzt auch Conrad Albert gefordert.

© SZ vom 28.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Filmproduktion in der Corona-Krise
:Alles auf Pause

Die Corona-Pandemie stoppt zahlreiche Fernsehproduktionen. Was das für die Sender, Produktionsfirmen und Schauspielerinnen bedeutet - und für das Publikum.

Von Kathrin Hollmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: