Pro Urheberrechtsreform:Europa hat sich selbst behauptet

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Mitglieder des Europäischen Parlaments nehmen an einer Abstimmung teil (Foto: dpa)

Das EU-Parlament hat den Kreativen fairen Ausgleich eingeräumt. Die Urheberrechtsreform zügelt die Tech-Giganten aus den USA.

Kommentar von Thomas Kirchner

Es ist geschafft. Mit einer am Ende ziemlich klaren Mehrheit hat das Europäische Parlament die hoch umstrittene Reform des Urheberrechts gebilligt. Dass vor allem in Deutschland ein Kultur- und fast ein Straßenkampf daraus entstanden ist - ein Ringen zwischen den angeblichen Feinden des freien Internets und dessen angeblichen Bewahrern -, diente der Sache dabei nicht.

Es wurde viel Unsinn verbreitet in den vergangenen Monaten, das Internet ist ja geduldig. Dieser Unsinn kam nicht nur, aber überwiegend von den Gegnern der Reform, die sich offenbar anders nicht zu helfen wussten. Von einer "Zensurmaschine" war die Rede, als stünde Europa kurz davor, chinesisch-orwellianische Überwachungstechniken einzuführen, als dächte der Staat ernsthaft daran, über das Urheberrecht die Meinungsfreiheit einzuschränken. Vor einer "Linksteuer" wurde gewarnt, obwohl der Gesetzestext das Verlinken von Artikeln durch Privatpersonen weiterhin erlaubt. Der Untergang von Start-ups und kleinen Plattformen wurde beschworen, als wären sie von der Richtlinie nicht ausgenommen.

Darum sei noch einmal an den eigentlich simplen Grundgedanken dieses Vorhabens erinnert: Große kommerzielle Online-Plattformen wie Youtube, die von "user-generated content" leben, also von Inhalten, die von Nutzern hochgeladen werden, sollen künftig haften, wenn die Rechte von Urhebern beim Hochladen verletzt werden. Das ist nur recht und billig. Die Plattformen verdienen sehr viel Geld mit dem Veredeln dieser Inhalte. Warum sollten sie sich nicht um die Rechte für diese Inhalte kümmern müssen? Analog gilt: Google News und andere Seiten profitieren von journalistischen Inhalten, die sie bisher kostenlos benutzen dürfen. Das ist kein faires Geschäftsmodell.

Neuregelung problematischer Machtverhältnisse im Netz

Im Grunde versucht diese Reform, problematische Machtverhältnisse neu zu regeln. Die Macht in der kreativen Verwertungskette hat sich in erheblichem Maße zugunsten der Tech-Giganten in den USA verschoben. Deren Profite sind umso größer, je weniger sie reguliert werden. Das könnte sich nun ändern. Die Richtlinie zwingt Youtube und Co., in Lizenzverhandlungen einzutreten, und zwar mit Verwertungsgesellschaften, die nun mehr Muskeln haben - weil sie sich auf ein handfestes Recht stützen können und sich nicht länger mit Brosamen abspeisen lassen müssen. Es ist zu wünschen, dass auf diese Weise mehr Geld ins System der Kulturwirtschaft und zu den einzelnen Kreativen fließt, auch zu den kleineren, unbekannten. Dieser Wunsch ist realistisch.

Die Reform mag im Detail noch nicht perfekt sein; vieles werden Gerichte klären müssen. Aber sie ist ein weiteres wichtiges Stück europäischer Emanzipation. Europa hält dem Anything-goes-Denken der Silicon-Valley-Konzerne damit ein Stoppschild entgegen: seine Idee eines fairen Netzes, in dem monopolistische Plattformen Urheber angemessen an Gewinnen beteiligen müssen. Nimmt man die neue Datenschutzgrundverordnung und die tapferen Kartellentscheidungen der EU-Kommission gegen Google hinzu, formt sich das alles zu einem Modell, das weitsichtige Beobachter längst als weltweit vorbildlich ansehen.

Nein, die EU hat keinen Schaden genommen, weil sich die Abgeordneten über den Protest von Millionen vor allem junger Bürger hinweggesetzt haben. Dieses Votum wird Europa stärker machen.

© SZ vom 27.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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