"Prime" in den USA:Warum gerade alle Kinder diesen Energydrink haben wollen

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Prime in Flaschen enthält kein Koffein, das in Dosen hingegen ganz schön viel davon. (Foto: Mark J. Terrill/AP)

Die Flaschen sind in den USA ausverkauft, auf Schulhöfen entsteht ein regelrechter Schwarzmarkt: Was es mit dem Hype-Getränk "Prime" auf sich hat und warum Politiker davor warnen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt bei jedem Besuch im US-Supermarkt diesen Moment der völligen Überforderung, ob man nun Butter will, Schokolade oder Brot. Es gibt dort nämlich nicht einfach Butter, Schokolade oder Brot, sondern alles in Hunderten Varianten. Man freut sich deshalb über präzise Angaben und wundert sich nicht mal, als einen der Sohn bittet, "Prime" mitzubringen, und zwar unbedingt aus der Flasche und nicht aus der Dose. "Prime" sei dieses neue Hype-Getränk von Logan Paul, sagt er, den kenne man doch. Und noch einmal: keine Dose!

Man tut Logan Paul - Influencer, Youtube-Star, Neu-Kampfsportler - sicher nicht unrecht, wenn man sagt, dass er so ziemlich alles tut, solange irgendwer zusieht. Und dass er auf wirklich jede einzelne Sau aufspringt, die gerade durchs Dorf getrieben wird - und das sind in diesem Sommer nun mal Getränke. "Das Statussymbol dieser Sommerferien ist kein Outfit oder Spielzeug, sondern dieses Getränk, das so wahnwitzig beworben wird", sagt Chuck Schumer. Der demokratische Mehrheitsführer im Senat hielt eine rot-weiß-blaue Dose (Geschmacksrichtung: Ice Pop) in die Kameras, als er die US-Lebensmittelbehörde aufforderte, das Getränk doch bitte genauer zu untersuchen. Spätestens seitdem weiß man auch, warum der Sohn eine Flasche wollte und auf keinen Fall eine Dose: "Prime" in Flaschen enthält kein Koffein, das in Dosen hingegen 200 Milligramm, also zweieinhalb Mal so viel wie Red Bull und sechsmal so viel wie Cola.

Alleinstellungsmerkmal ist nicht das Getränk, sondern der Promi, der es bewirbt

Der Energydrink-Markt in den USA ist Wilder Westen, weil die Lebensmittelbehörde gerade im Vergleich zu Deutschland ein Durchwink-Laden ist, in dem erst einmal alles erlaubt ist, das einen nicht beim ersten Schluck umbringt. Das aus Marketing-Sicht so Faszinierende: Kaum jemand kennt einen Unterschied zwischen "Prime", Bodyarmor, Electrolit, Vitamin Water, Replenish, Reign, Fast Twitch, Celcius, Ghost, C4 und wie sie alle heißen. Es sind Symbole drauf, die irgendwie nach Fitness aussehen (auf der Prime-Flasche: ein geflexter Bizeps, eine Kokosnuss und ein Blitz für Elektrolyte); es sind Schlagwörter wie "zuckerfrei" oder "glutenfrei" vermerkt; und es gibt bei allen irgendwelche Promis, die es vermarkten. Paul zum Beispiel hat ein Tiktok-Video gedreht, in dem er passende Outfits zur jeweiligen Prime-Flasche vorschlägt. Alleinstellungsmerkmal ist also nicht mehr das Getränk, sondern der Promi, der es bewirbt.

Und der Plan geht auf: Der 100 Milliarden Dollar schwere Markt für Energydrinks soll einer Studie von Grand View Research zufolge jährlich um 8,4 Prozent wachsen. Viele der Produkte sind absichtlich schwer zu kriegen oder gar ausverkauft, so auch die "Prime"-Flaschen - das Prinzip der künstlichen Verknappung. Kein Wunder, dass Jugendliche auf dem Schulhof-Schwarzmarkt darum schachern. Und auch Chuck Schumer hat den "Prime"-Herstellern wahrscheinlich eher einen Gefallen getan mit seiner Warnung. Denn wenn Jugendliche für eines bekannt sind - man erinnere sich an die Mitte der Neunziger, als Red Bull noch als gefährlich galt und genau deswegen so gefragt war -, dann doch dafür, dass sie unbedingt alles haben wollen, von dem es heißt, dass sie es auf gar keinen Fall haben sollten.

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