Prämiensparen:Sinneswandel bei den Sparkassen

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Im Schnitt liegen die Nachforderungen aus den Prämiensparverträgen bei einigen Tausend Euro pro Kunde. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Im Streit um Zinszahlungen bei Prämiensparverträgen lenken die ersten Institute ein. Grund sind jüngste Gerichtsurteile. Kunden sollten mögliche Vergleichsangebote aber kritisch prüfen.

Von Andreas Jalsovec

Und sie bewegen sich doch: Im Streit um Zinsnachzahlungen bei Prämiensparverträgen gehen die ersten Sparkassen nun von sich aus auf die Kunden zu, um nach Lösungen zu suchen. So wollen die Kreissparkasse Köln und die Sparkasse Köln-Bonn - nach Bilanzsumme Nummer drei und vier der deutschen Sparkassen - ihre Kunden anschreiben und sie über die Rechtslage informieren. Die Kreissparkasse Köln will den Sparern anschließend Vergleichsvorschläge unterbreiten, erläutert ein Sprecher. Die Kunden dürften für ihre insgesamt rund 25 000 Prämiensparverträge also Nachzahlungen angeboten bekommen.

"Das ist das erste Mal, dass es in der Sache Bewegung bei den Sparkassen gibt", sagt Michael Hummel, Rechtsexperte bei der Verbraucherzentrale Sachsen: "Wir sehen das positiv - es war aber auch höchste Zeit." Die Sache, um die es geht, ist der schon seit Jahren währende Streit darum, ob die Kreditinstitute die Zinsen bei Prämiensparverträgen korrekt berechnet haben. Solche Verträge verkauften Sparkassen und Volksbanken zwischen 1990 und 2010 millionenfach. Neben einer festen Prämie erhalten die Kunden dabei variable Zinsen. In der Niedrigzinsphase senkten die Institute den Zins jedoch eigenmächtig ab. Die Sparer bekamen so womöglich zu wenig gutgeschrieben. Oft geht es dabei um mehrere tausend Euro.

BGH-Urteile zeigen offenbar Wirkung

Im vergangenen Oktober erstritten die sächsischen Verbraucherschützer daher ein erstes Urteil zugunsten der Kunden vor dem Bundesgerichtshof. Im November folgten zwei weitere. Die Richter erklärten die Zinsklauseln in den Verträgen der Sparkassen für ungültig. Sie legten fest, dass die Geldhäuser für die Berechnung der Zinsen einheitlich einen langfristigen Zins der Bundesbank heranziehen müssen. Welcher das konkret ist, muss nun die Vorinstanz entscheiden - das Oberlandesgericht Dresden.

Die Urteile zeigen offenbar Wirkung - zumindest bei einigen Instituten und Verbänden. So empfiehlt etwa der Sparkassenverband Baden-Württemberg seinen Mitgliedern, möglichst viele Vergleiche zu schließen, bestätigt ein Sprecher. Eine Sprecherin des Bayerischen Sparkassenverbands betont: Alle Institute wollten mit ihren Kunden "einen guten Weg finden". Auch die Schlichtungsstelle des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands rät den Sparkassen dazu, die Zinsen nach den Vorgaben des BGH nachzuberechnen. Über Vereinbarungen mit den Kunden könne dann "die Kontroverse zu einem Abschluss gebracht werden", heißt es im jüngsten Tätigkeitsbericht. Zuvor hatten die Ombudsmänner Schlichtungen zu Zinsnachzahlungen abgelehnt.

Nicht alle Kunden bekommen Vergleichsangebote

Der beginnende Sinneswandel bei den Sparkassen kommt jedoch längst nicht allen Kunden zugute. Noch immer gehen die wenigsten Institute aktiv auf Sparer zu. Stattdessen bieten die Institute oft nur jenen Kunden Einigungen an, die von sich aus das Problem ansprechen oder gleich Nachzahlungen einfordern. Andere informieren die Kunden erst dann über die Auswirkungen des BGH-Urteils, wenn Sparverträge auslaufen oder gekündigt werden.

Dabei hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) schon vor Monaten mit einer Allgemeinverfügung die Kreditinstitute verpflichtet, die Kunden anzuschreiben, sie über unwirksame Klauseln zu informieren und Vergleichsangebote zu machen. Dagegen legten jedoch gut 1150 Institute Widerspruch ein. Diese Widersprüche hat die Bafin jetzt in einem Musterverfahren zurückgewiesen - und damit Klagen ermöglicht. Ob und wann die Geldhäuser der Anordnung der Finanzaufsicht nachkommen müssen, ist allerdings weiter offen.

Bundesweit mindestens eine Million Verträge

Laut Bafin dürfte dabei die Zahl der Prämiensparverträge bundesweit bei mindestens einer Million liegen. Bei Nachzahlungen von mehreren Tausend Euro pro Vertrag geht es für die Institute also insgesamt um eine Milliardensumme. Viele von ihnen halten sich daher trotz der BGH-Urteile noch mit Vergleichen zurück. In Bayern gebe es bisher "keine Sparkassen, die von selbst auf ihre Kunden zugehen und Nachzahlungen oder Nachberechnungen anbieten", sagt Matthias Schmid, Jurist bei der Verbraucherzentrale Bayern. Auch in Sachsen sei es bislang "die Norm, dass die Leute von sich aus auf die Institute zugehen müssen", berichtet Michael Hummel.

Die Verbraucherschützer raten Prämiensparern daher weiterhin dazu, ihre Verträge überprüfen und die Zinsen nachberechnen zu lassen. Das kostet rund 90 Euro. Bei der sächsischen Verbraucherzentrale haben das mehr als 6000 Sparer getan. Die Nachforderungen liegen im Schnitt bei 3600 Euro. Dabei seien die Beträge, die die Institute bei Vergleichen zu zahlen bereit seien, zuletzt angestiegen. "In einigen Fällen lagen sie bei 100 Prozent dessen, was wir berechnet haben", sagt Jurist Hummel. Er führt das auch auf die jüngsten Gerichtsurteile zurück.

Gut möglich daher, dass künftig weitere Sparkassen ihren Kunden Vergleiche anbieten - spätestens, wenn der endgültige Berechnungszins feststeht. Das könnte Mitte des Jahres der Fall sein. Auch dann jedoch sei es sinnvoll, die Zinsen nachrechnen zu lassen, um das Angebot einschätzen zu können, meint Matthias Schmid: "Man sollte sich auf jeden Fall noch mal unabhängig beraten lassen." Wer Ansprüche geltend machen will, kann sich außerdem an einer Musterfeststellungklage beteiligen. Für die Verfahren gegen die Sparkassen in München und Nürnberg etwa ist das noch bis 12. Mai möglich.

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