Sie stehen überall zum Verkauf, im Super-, Getränke- oder Drogeriemarkt: Flaschen für Wasser, Saft, Tee oder Reinigungsmittel, angeblich zu zehn, 20 oder bis zu 100 Prozent aus recyceltem "Altplastik" oder genauer: wiederverwertetem PET, einem Polyester-Kunststoff, der sich in vielen anderen Alltagsgegenständen wie Kleidung oder Autositzen findet. An den Regalen wird oft mit Angaben zur Nachhaltigkeit geworben. Und das wirkt. Zahlreiche Studien belegen: Für viele ist der Umweltaspekt ein ausschlaggebender Grund für den Kauf. 95 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher wollen laut einer aktuellen Umfrage der Beratungsfirma PwC, dass die Industrie Plastikverpackungen, und dazu zählen auch Flaschen, auf ein Minimum reduziert oder möglichst aus recyceltem Material herstellt.
Plastikmüll ist weltweit ein Politikum geworden. Erst Ende März schwang sich die Bundesregierung dazu auf, die Vorreiterrolle beim Kampf gegen die Vermüllung der Ozeane zu übernehmen. Dort landen Jahr für Jahr Millionen Tonnen Plastikmüll - letztlich zum Schaden des Menschen.
Doch die Realität spottet all den Bemühungen: "Die Verbraucher könnten jeden Tag millionenfach beim Einkaufen getäuscht werden", sagt Antonello Ciotti, Direktor von Equipolymers, einem der größten PET-Hersteller in der EU mit Sitz in Schkopau, Sachsen-Anhalt. "Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie viel recycelter Kunststoff in einem Plastik- oder Textilartikel der Mode- und Automobilindustrie enthalten ist." Equipolymers ist Teil der Dow Chemical Group, des weltweit führenden Verpackungsherstellers. "Die Angaben über den Gehalt an recyceltem PET auf den Flaschen sind oft nicht korrekt", sagt Ciotti. Und: "Derzeit ist es unmöglich nachzuweisen, ob die Flaschen oder ein Textilartikel aus recyceltem PET hergestellt sind und woher das recycelte PET stammt. Der Verbraucher hat keine Möglichkeit, die verschiedenen Deklarationen zu überprüfen."
"Es ist wie bei der Geldwäsche, die Herkunft des PET ist nicht transparent"
Die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen stimmt dem zu. "Der genaue Nachweis, wie viel Rezyklat in einer Kunststoffverpackung enthalten ist, ist mit den heutigen Methoden der Analytik kaum möglich", sagt Geschäftsführerin Mara Hancker. Reinhard Schneider, Inhaber von Werner & Mertz, des Herstellers der mehrfach ausgezeichneten Öko-Marke Frosch, sagt sogar: "Beim PET-Recycling lässt sich leicht schummeln. Die Angaben der Hersteller werfen häufig Fragen auf. Die Gefahr, dass Verbraucher irregeführt werden, ist hier sehr groß. Es ist wie bei der Geldwäsche, die Herkunft des PET ist nicht transparent. Sie lässt sich im Handumdrehen verschleiern."
Das hat mehrere Ursachen. Ciotti, der auch Vorsitzender des Europäischen Verbands der PET-Hersteller (CPME) in Brüssel ist, treiben vor allem die Plastikimporte um. "Importe aus Asien geben oft vor, aus recyceltem PET hergestellt zu sein, was niemand verifizieren kann. Vieles davon könnte gefälscht sein", sagt er. Der EU-Kommission lägen Hinweise vor, dass solche gefälschten Deklarationen auf dem Markt weit verbreitet sind, insbesondere im Textilbereich. Doch in Wahrheit soll es sich gar nicht um recyceltes PET handeln, sondern um neu aus Rohöl produziertes Plastik. Das ist derzeit wegen des niedrigen Ölpreises wesentlich günstiger als Rezyklat. Ciottis Fazit: "Beim Einkauf könnten die Verbraucher Opfer von Greenwashing werden."
Die Hersteller haben allen Grund, alarmiert zu sein. Ihr Geschäftsmodell gerät in Gefahr. "PET-Hersteller in Europa haben vergleichsweise hohe Energie- und Lohnkosten und geraten unter Druck, wenn zum Beispiel billigere Importware aus Asien massenhaft in den europäischen Markt gedrückt wird - erst recht, wenn es sich um Neuware handelt, die illegal als Recyclingmaterial umdeklariert wird", sagt Thomas Fischer, Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe.
Der Druck verstärkt sich noch, weil die EU von 2025 an im nationalen Durchschnitt einen Rezyklatanteil von 25 Prozent in PET-Flaschen vorschreibt. "Wenn über Quoten die Nachfrage getrieben wird und damit auch der Preis", sagt Verbandssprecherin Hancker, "ruft das auch unseriöse Player auf den Plan. Es darf aber nicht sein, dass am Ende die Ehrlichen die Dummen sind." Auch Fischer sagt: "Illegales Umdeklarieren ist einfach und günstig, qualitativ hochwertiges Recycling jedoch eine Herausforderung und mitunter kostenintensiv."
Es gibt zwei Siegel in der EU, aber sie sind kaum bekannt
Die PET-Hersteller beklagen, dass die EU-Gesetzgebung lückenhaft sei und Fake-Rezyklaten Vorschub leiste. "Sie fördert die Intransparenz und erhöht die Gefahr des Greenwashings", sagt Ciotti. "Es fehlt die Forderung, dass ein Mindestanteil des recycelten PET aus EU-Sammlungen stammen muss." Auch die EU stellte Anfang des Jahres fest, dass "grüne" Behauptungen von Firmen in 42 Prozent aller Fälle "übertrieben, falsch oder irreführend" waren, und dass sie möglicherweise als unlautere Geschäftspraktiken nach EU-Regeln eingestuft werden könnten.
Es gibt jedoch noch eine weitere Konfliktebene: die Art des Recyclings. Dow Chemical praktiziert wie BASF und weltweit viele andere Unternehmen sogenanntes chemisches Recycling. Dabei werden mittels verschiedener technischer Verfahren Altkunststoffe in ihre Grundbausteine zerlegt, aus denen neue Kunststoffe hergestellt werden. Problem Nummer eins: "Beim chemischen Recycling ist es wegen der Neuwarenqualität völlig unmöglich" festzustellen, ob Rezyklat enthalten ist, sagt Hancker. Einen weiteren Kritikpunkt führt Schneider, der Inhaber von Werner & Mertz, an: "Das chemische Recycling", sagt er, "ist eher eine Unterart der Verbrennung mit vielen toxischen Nebenprodukten, die sehr viel Energie verbraucht und unterm Strich eine negative Ökobilanz aufweist." In einer gemeinsamen Studie mahnen mehrere europäische Umweltverbände die politischen Entscheidungsträger "dringend" davor, dieses Verfahren als umweltschonend einzustufen.
Dabei gibt es längst Zertifizierungen des Recyclingprozesses durch unabhängige Dritte. "Es gibt zwei Siegel in der EU", sagt Schneider, "an denen sich Verbraucher orientieren könnten: EuCertPlast und RAL Recycling-Kunststoff." Beide Siegel verschafften Klarheit über den Rezyklatanteil und die Lieferketten. Sie geben an, wie viel Rezyklat etwa aus dem Gelben Sack stammt. Auch Hancker befürwortet sie. "Doch die Bundesregierung macht sie nicht bekannt", bedauert Schneider. "Sie hat versäumt, die Unternehmen zu verpflichten, sie anzuwenden. Es handelt sich um eine reine Selbstverpflichtung, die nicht wirkt."
Und auch hier fallen die Plastikimporte aus Nicht-EU-Ländern durchs Raster. "Die EU versagt hier", beklagt Schneider. "Auditierungen befassen sich nur mit der Rückverfolgung von europäischem Kunststoff. Importierte außereuropäische Kunststoffe können gar nicht zertifiziert werden."
Für den umweltbewussten Verbraucher ist das alles misslich. Hancker gibt zwar einen Tipp: "Die Verbraucherinnen können oftmals am Flaschenhals, wo das Material dicker ist, eine leicht gräuliche Färbung erkennen, die auf den Einsatz von Rezyklaten hinweist", sagt sie. Aber ist das praktikabel? Besser, da sind sich die Fachleute einig, wären verbindliche Siegel und lückenlose Gesetze.