Unzufriedene Aktionäre:"Das Haus Bayer brennt lichterloh"

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Seit Anfang Juni 2023 ist Bill Anderson Vorstandschef von Bayer. Der Aktienkurs ist weiter gefallen. (Foto: Bayer)

Investoren verlieren die Geduld mit dem Leverkusener Agrar- und Pharmakonzern. Der neue Vorstandschef Bill Anderson kann den Verfall des Aktienkurses nicht stoppen.

Von Elisabeth Dostert

Es ist gar nicht so schwer für Konzerne, sich den Zorn ihrer Investoren zuzuziehen. Dem Agrar- und Pharmakonzern Bayer gelingt das immer wieder - und dauerhaft. Der Aktienkurs hat sich immer noch nicht von den Folgen der Übernahme des Glyphosat-Herstellers Monsanto und den Klagen von Menschen, die dem Pestizid ihre Krebserkrankung zuschreiben, erholt. Anfang 2016, wenige Monate bevor der damalige Vorstandschef Werner Baumann den mehr als 60 Milliarden Dollar teuren Kauf ankündigte, kostete die Aktie gut 100 Euro. Im Sommer 2018 wurde die Übernahme vollzogen. Es gab Phasen der Erholung. Aber der Trend des Kurses weist abwärts. Am Donnerstag kostete das Papier knapp 27 Euro.

"Virtuelles Wegducken schafft kein Vertrau", kritisiert ein Fondsmanager.

Den Rückgang konnte auch der neue Vorstandschef Bill Anderson nicht aufhalten. Die Hauptversammlung am Freitag war seine erste als Vorstandsvorsitzender. Er spricht einige Minuten Deutsch, dann wechselt er in seine Muttersprache Englisch. Die Veranstaltung findet nur virtuell statt. Das missfällt einigen Investoren. "Sie gehen auf Distanz zu den Aktionären, statt ihnen vor Ort direkt Rede und Antwort zu stehen", sagt Janne Werning, Fondsmanager von Union Investment: "Virtuelles Wegducken schafft kein Vertrauen."

Ein guter Start sehe anders aus, so Fondsmanager Ingo Speich von Deka Investment, einer Tochter der Deka Bank: "Wir blicken abermals auf ein verlorenes Jahr." In seinem ersten Jahr habe Anderson am Kapitalmarkt kein Vertrauen aufbauen können. Unter seiner Führung habe sich der Niedergang des Aktienkurses beschleunigt. Je länger Speich redet, umso heftiger wird seine Kritik am Vorstandschef: "Das Haus Bayer brennt lichterloh und Sie als Hausherr fangen zuerst einmal an aufzuräumen, anstatt die Brände zu löschen." Die Rechtsrisiken seien ein toxisches Gebräu, das vor sich hin koche.

Damit meint Speich nicht nur die weiteren Klagen zu Glyphosat, "ein Fass ohne Boden", sondern auch zusätzliche Belastungen zu PCB, eine weitere Monsanto-Altlast. Das Kürzel PCB steht für polychlorierte Biphenyle. Sie stehen im Verdacht, Krebs zu erregen und das Erbgut zu schädigen, die Produktion ist seit Jahren verboten. PCB wurde als Weichmacher in Lacken und Kunststoffen und für vieles mehr verwendet. Speich verweist auf Berechnungen von Analysen, wonach zu den bereits gezahlten 11,3 Milliarden Euro mehr als weitere 20 Milliarden Euro kommen könnten, je zur Hälfte für Glyphosat und PCB. "Insbesondere bei PCB besteht ein sehr hohes Risiko," so Speich.

Seit Monaten gibt es Spekulationen über eine Aufspaltung des Konzerns

Die Rechtsstreitigkeiten zu Glyphosat und PCB in den USA belasten "unser Geschäft zweifellos sehr stark", sagte Finanzvorstand Wolfgang Nickl. In den meisten Fällen seien die Produkte, die Ursache der Schäden sein sollen, nicht von Monsanto hergestellt oder entsorgt worden, sondern von anderen Unternehmen. Monsanto habe mit ehemaligen Abnehmern weitreichende Haftungsfreistellungen vereinbart, in denen diese zugestimmt hätten, Monsanto von den Kosten möglicher Rechtsstreitigkeiten freizustellen, um im Gegenzug in den Siebzigerjahren noch PCB zu erhalten. "Wir sind fest entschlossen, diese Verträge durchzusetzen, um die Kosten der Rechtsstreitigkeiten erstattet zu bekommen", so Nickl. Eine Klage sei bereits eingereicht worden.

Seit Monaten gibt es Berichte und Spekulationen über eine Aufspaltung des Konzerns, etwa die Trennung von der Division Consumer Health, also dem Geschäft mit verschreibungsfreien Produkten wie Aspirin oder Bepanthen. Ob für Anderson eine Änderung der Konzernstruktur überhaupt ernsthaft infrage komme, fragte Fondsmanager Werning: "Dieses Thema ist der Elefant im Raum." Dazu liefert Anderson seit Monaten die gleiche Antwort, so auch am Freitag. Um eine bessere Performance zu erreichen, sei es vorerst das Beste, die derzeitige Struktur beizubehalten und die operativen Probleme zu beheben. Vier große Herausforderungen hat der Vorstandschef ausgemacht, die er in den nächsten zwei bis drei Jahren angehen wolle: die Patentabläufe im Pharmabereich, die Rechtsstreitigkeiten, hohe Schulden und die Bürokratie-Lasten.

Vorstand und Aufsichtsrat wurden von der Hauptversammlung bei einer Präsenz von knapp 53 Prozent des Grundkapitals mit Zustimmungsquoten von mehr als 90 Prozent entlastet.

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