Parteispenden bei Siemens:Freundschaftsdienste auf griechisch

Lesezeit: 2 min

Neue Spuren in die Konzernspitze: Ein inzwischen verstorbener Siemens-Vorstand soll "Parteispenden" in Griechenland beschlossen haben.

Klaus Ott

Von den Schmiergeldsystemen bei Siemens wollen die früheren Zentralvorstände nichts gewusst haben. Doch jetzt wird erstmals ein ehemaliges Mitglied der Konzernspitze von einem Gericht als Initiator fragwürdiger Zahlungen genannt.

Akropolis in Athen: Für die Olympischen Sommerspiele 2004 in der griechischen Hauptstadt hat Siemens zusammen mit zwei US-Konzernen die Kommunikationsnetze der Sicherheitsbehörden installiert. (Foto: Foto: dpa)

Peter Pribilla, von 1997 bis 2003 Mitglied des Zentralvorstands, soll Ende der neunziger Jahre "Parteispenden" in Griechenland beschlossen haben. So steht es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung und der Athener Zeitung Kathimerini in einem kürzlich vom Münchner Amtsgericht erlassenen Strafbefehl gegen Michail Christoforakos, den früheren Chef von Siemens Hellas, des griechischen Ablegers des von Deutschland aus weltweit agierenden Industriekonzerns.

"Politische Landschaftspflege"

Der in München-Stadelheim im Gefängnis sitzende Christoforakos hatte bei fünf Verhören gestanden, den beiden führenden politischen Parteien in Athen, der konservativen Nea Dimokratia (ND) und der sozialistischen Pasok, Geld gegeben zu haben, um sich so lukrative Aufträge des Staates und von Staatsbetrieben für Siemens zu erkaufen. Wegen Bestechung ausländischer Amtsträger erließ das Amtsgericht einen Strafbefehl über 750.000 Euro Geldbuße und ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung.

In dem Strafbefehl heißt es, Parteispenden von Unternehmen seien in Griechenland als "politische Landschaftspflege" üblich gewesen. Bei Siemens habe man sich Ende der neunziger Jahre entschieden, ebenfalls zu solchen Mitteln zu greifen. Das sei vom damaligen Chef der Telekommunikations-Bereiche Öffentliche und Private Netze, Peter Pribilla, so beschlossen worden. Pribilla war von 1997 bis 2003 Mitglied des Siemens-Zentralvorstands und seit 1998 Personalvorstand. Im August 2003 verstarb Pribilla im Alter von 63 Jahren.

Kommunikationsnetze für Olympia

Als Grund für Pribillas Parteispenden-Beschluss wird im Strafbefehl des Amtsgerichts gegen Christoforakos die damalige schlechte Presse von Siemens in Griechenland genannt. Mit den Zahlungen habe eine stärkere Vernetzung des Unternehmens mit griechischen Politikern erreicht werden sollen. Als Grundlage habe ein Siemens-Vertrag mit der nationalen Telefongesellschaft OTE gedient. Zwei Prozent des Umsatzes mit OTE sollten verdeckt an die Parteien fließen.

Diese Mittel seien dann in der Tat über eine Firma in Monaco an ND und die Pasok weitergeleitet worden. Zwei Empfänger habe Christoforakos bei den Verhören namentlich genannt: die früheren Schatzmeister der beiden Parteien. Die Zahlungen seien später unter anderem für das Projekt C4I bestimmt gewesen. Siemens hatte zusammen mit zwei US-Konzernen den Auftrag erhalten, für die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen Kommunikationsnetze der Sicherheitsbehörden (Kommandozentralen, Videoüberwachung usw.) zu installieren. Der Auftragswert für Siemens belief sich auf 183 Millionen Euro.

Bestechung von Amtsträgern

Um die Abnahme des Projekts durch den griechischen Staat und die Bezahlung des Auftrags zu beschleunigen, habe Christoforakos Zahlungen an die beiden Parteien geleistet. Über den Parteienapparat sollten die zuständigen Beamten, die aufgrund der üblichen politischen Vernetzung im Lande der ND oder der Pasok angehört hätten, entsprechend beeinflusst werden. Der Vorwurf des Amtsgerichts: Christoforakos habe so die Beamten veranlassen wollen, im Zweifel pflichtwidrig zugunsten von Siemens zu entscheiden. Das sei Bestechung von Amtsträgern.

Bis zum 19. August kann Christoforakos Einspruch erheben. Der deutsche Strafbefehl schützt ihn aber nicht vor der Auslieferung nach Athen, die das Münchner Oberlandesgericht (OLG) jetzt angeordnet hat. In Griechenland soll der frühere Top-Manager wegen anderer Schmiergelddelikte bei Siemens vor Gericht gestellt werden. Seine Anwälte wollen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine einstweilige Anordnung gegen eine Auslieferung beantragen. Doch der Gang nach Karlsruhe hat keine aufschiebende Wirkung.

Geheimes Wissen auf zwei CDs

Bereits in der dritten Augustwoche könnte Christoforakos nach Athen überstellt werden. Dort ist die Aufregung in der Politik und in den Medien groß. Der ehemalige Siemens-Statthalter weiß viel über die Korruption im Lande, er hatte beste Verbindungen in höchste Kreise. Sein Wissen soll er auf zwei CDs gespeichert haben, die bei zwei Notaren in Deutschland hinterlegt sein sollen. Der Münchner Staatsanwaltschaft hat Christoforakos die beiden CDs nicht übergeben.

Ob die Ermittler in Athen danach fragen, ist ungewiss. Sie haben im Verfahren gegen Christoforakos bislang versucht, die Parteispenden auszuklammern. Die griechische Justiz will offenbar Parlament und Regierung schonen. Und die deutsche Justiz hat das getan, was sie tun konnte.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: