Fototourismus in Paris:Das lukrative Geschäft mit den Hochzeitsbildern

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Bestens organisiert: Agenturen bedienen die hohe Nachfrage nach romantischen Fotos vor Wahrzeichen wie dem Eiffelturm. (Foto: One Three One Four)
  • Vor nahezu jedem Wahrzeichen in Paris sieht man asiatische Brautpaare vor der Kamera posieren.
  • Meist haben sie noch gar nicht geheiratet, die Kleider sind geliehen, Fotografen und Stylisten von professionellen Agenturen aus Asien organisiert.
  • Die sogenannte "Pre-Wedding-Photography" hat sich zu einem lukrativen Geschäftsmodell entwickelt: Der Umsatz wird auf eine Milliarde Euro geschätzt.

Von Marlene Thiele, Paris

Paris gilt als "Stadt der Liebe" - seit Jahrhunderten gemalt und besungen, Schauplatz etlicher romantischer Geschichten, Zentrum der Mode, der Erotik. Die Stadt behält ihren Ruf, auch wenn Teile einer Brücke am Louvre schon unter der Masse an Liebesschlössern zusammenbrachen, sich kaum ein Künstler mehr die Miete in Stadtnähe leisten kann und die Pariser ihren Alltag sowieso vor allem in der Arbeit und in der Metro verbringen.

Auch vor den bekannten Sehenswürdigkeiten der Stadt verteidigt die Romantik ihren Platz, und das sehr häufig in Gestalt von Touristen mit weiter Anreise: Bei gutem Wetter findet man hier zu jeder Uhrzeit mindestens ein asiatisches Brautpaar in Begleitung eines Fotografen und einer Stylistin. Zum Beispiel dieses: Er nimmt zärtlich ihre Hand, sie blickt lächelnd zum Fotografen, dann wechseln sie schnell zur nächsten Kulisse. Das Paar, das danach kommt, ist auch in Eile. Hastig posiert es nach Anweisung, umarmt sich nach Anweisung und verschwindet wieder.

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Ein Paar aus Peking nimmt sich die Zeit für ein kurzes Gespräch. Brian und Ling erklären, dass sie eigentlich erst in fünf Monaten heiraten werden. "Wir wollen schöne Fotos haben, die wir bei der Hochzeit zeigen können", erklärt Ling. "Eine so romantische Stadt wie Paris ist dafür ideal!"

Fotos vor der eigentlichen Hochzeit haben in Teilen Asiens Tradition - wenn auch erst seit den 1980er-Jahren. Viele Paare ließen sich damals in geliehener Kleidung im Studio ablichten und erhielten die Bilder eingerahmt oder im Album eingebunden. Durch wachsende Bekanntheit und günstigere Preise rückten die professionellen Pre-Wedding-Fotos im Lauf der Jahre immer stärker in die Mitte der Gesellschaft. Geknipst wurde zwar weiterhin im Studio, doch mithilfe von "Photoshop" sah es so aus, als seien die Paare in Paris, Venedig oder einem anderen romantischen Ort gewesen.

Ein beliebtes Motiv in Paris ist natürlich auch der Louvre. (Foto: OneThreeOneFour)

Inzwischen sind sie häufig wirklich dort. Die sogenannte "Pre-Wedding-Photography" hat sich in den vergangenen Jahren auch in Europa zu einem lukrativen Geschäftsmodell entwickelt. Fotografiert wird nicht nur in Paris, sondern auch in Prag, London, auf Santorin und an anderen bekannten Orten. Organisiert werden die Foto-Trips meist von Agenturen mit Sitz in Asien. Scott Ng aus Singapur hat vor vier Jahren mit seiner Frau eine solche Agentur gegründet. "Wir wollten schöne Fotos auf Bali machen, hatten aber Schwierigkeiten, das zu organisieren", sagt der 32-Jährige. "Da haben wir eine Geschäftslücke entdeckt." Mit seiner Agentur "One Three One Four" organisiert Scott Ng inzwischen Fotoshootings in Bali, Japan, Korea, Taiwan, Singapur, Neuseeland, Paris, London, Prag sowie an vielen Orten in Italien. Die Paare buchen Pakete zu festen Preisen. In Paris beispielsweise kosten die Fotosessions zwischen 1599 und 3599 Euro, enthalten sind Leihkleider, das Styling und der Transport während der Aufnahmen. Anreise und Unterkunft organisieren die Paare selbst.

Die Fotos werden Teil immer üppigerer Hochzeitsfeiern, die in China häufig nicht nur Liebesbekenntnisse sind, sondern auch Gelegenheiten, den Gästen zu zeigen, wie reich und glücklich man ist. Im Land heiraten jedes Jahr mehr als zehn Millionen Paare, die durchschnittlich 11 000 Euro für die Hochzeit ausgeben. In Einzelfällen kosten die Fotos vor exotischer Kulisse bis zu 13 000 Euro.

Der Umsatz mit den Bildern wird auf eine Milliarde Euro geschätzt

Frankreich profitiert von diesem Trend. Der französischen Tageszeitung Le Monde zufolge wird das Umsatzvolumen der asiatischen Pre-Wedding-Industry in Frankreich auf jährlich mehr als eine Milliarde Euro geschätzt.

Die Unternehmen sind bestens organisiert und arbeiten fast ausschließlich digital. Die Digitalisierung ist entscheidend, um den Boom der Pre-Wedding-Industry zu erklären, sagt Unternehmer Scott Ng. "Die Verlobten sehen die schönen Fotos auf Instagram, kommen mit nur einer Suchanfrage virtuell an jeden Ort der Welt und finden günstige Flüge ohne große Mühe." Auch zu "One Three One Four" gelangen sie fast ausschließlich online, etwa über Google oder Instagram. Scott Ng kommuniziert mit seinen Kunden via Skype und eröffnet kurz vor dem Fotoshooting eine Whatsapp-Gruppe mit allen Beteiligten. Er selbst bleibt in Singapur, ist aber online jederzeit erreichbar. Ng kooperiert mit ortsansässigen Fotografen, Visagisten, Chauffeuren und Boutiquen. "Asiatische Paare mögen Orte und Posen, die auf Europäer zu kitschig und gestellt wirken", sagt er. In Paris kooperiert Scott Ng mit zwölf Leuten. Viele von ihnen leben zwar in Paris, kommen aber selbst aus Asien und sprechen teilweise auch die Muttersprache der Kunden.

Zwischen dem Petit Palais und dem Grand Palais ist eine Visagistin, die sich Junko nennt, mit einem Paar aus Japan unterwegs. Die beiden haben schon geheiratet und nutzen ihre Flitterwochen in Europa, um noch ein paar Fotos im Brautkleid zu schießen. "Sie machen die Fotos für Instagram und für ihr Hochzeitsalbum", sagt die Japanerin in aller Eile. Sie muss im Zeitplan bleiben. Im April habe die Saison begonnen, bis Ende Oktober betreue sie täglich Kunden. Während sie redet, zieht der Rest der Gruppe schon weiter zur nächsten Kulisse.

Die Orte sind immer dieselben: der Eiffelturm, der Louvre, die Brücke Alexandre III, die Brücke Bir-Hakeim und das Schloss Versailles. Die Kathedrale Notre-Dame, früherer Lieblingsplatz der Brautpaare, wird seit dem verheerenden Brand nicht mehr angesteuert. "Das ist natürlich sehr schade", sagt Scott Ng. "Für das Geschäft ist es aber kein Problem." Die Paare ließen sich dann eben woanders fotografieren.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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