Papier des Außenministers:Westerwelle fordert Möglichkeit von Staatsinsolvenzen

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"Es reicht nicht, die Krise zu verwalten": Außenminister Westerwelle legt einen eigenen Lösungsvorschlag in der Schuldenkrise vor - er will den Rettungsschirm EFSF zu einem Europäischen Währungsfonds ausbauen. Wie aus einem internen Papier hervorgeht, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, soll dieser Währungsfonds direkt in die Haushalte von Krisenländern eingreifen und notfalls sogar eine Insolvenz einleiten können.

Claus Hulverscheidt

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) will den Rettungsschirm EFSF zu einem Europäischen Währungsfonds ausbauen. Dieser soll direkt in die Haushalte von Krisenländern eingreifen können und bei einer Zahlungsunfähigkeit notfalls auch deren geordnete Insolvenz organisieren. Das geht aus einem internen Papier des Ministeriums hervor, das Westerwelle in Auftrag gegeben hat und das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Außenminister Westerwelle schlägt einen Europäischen Währungsfonds zur Lösung der Finanzkrise vor. (Foto: dpa)

Demnach könnte 2012 ein "kleiner Konvent" aus Vertretern von EU-Kommission, Europaparlament sowie nationalen Regierungen und Parlamenten eingesetzt werden, der die nötigen Änderungen der EU-Verträge vorbereitet. Dass eine solche Reform aus seiner Sicht erforderlich ist, hat Westerwelle bereits Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgetragen.

Mit seiner Idee will der Minister über die laufenden Bemühungen zur Bewältigung der Schuldenkrise hinaus eine Lösung für die strukturellen Probleme anbieten und eine Perspektive für eine stabile Währungsunion aufzeigen. "Es reicht nicht, die Krise zu verwalten. Wir müssen vielmehr in der Krise Antworten finden, die über den Tag hinausweisen", sagte er der SZ. "Der Problemdruck muss genutzt werden, um Europa weiterzuentwickeln und besser zu machen."

Nach den Plänen soll der EFSF wie vorgesehen 2013 zunächst im neu gestalteten, dauerhaften Europäischen Stabilisierungsmechanismus ESM aufgehen. Die Gründung des ESM reicht jedoch nach Ansicht des Auswärtigen Amts nicht aus, um die Euro-Staaten dauerhaft vor Schuldenkrisen zu schützen.

Daher sollen künftig Länder, die den Rettungsfonds in Anspruch nehmen, im Gegenzug eine Beschränkung ihres nationalen Haushaltsrechts akzeptieren. So könne "die EU-Ebene" ihr Veto gegen einen Etatentwurf einlegen, "wenn dieser die Grundsätze solider Haushaltsführung eklatant verletzt und damit den Erfolg des Konsolidierungs- und Reformprogramms gefährdet", heißt es in dem sechsseitigen Papier.

Ist die betroffene Regierung überdies nicht in der Lage, die Auflagen zu erfüllen, die mit der Vergabe von ESM-Hilfen verbunden sind, sollen die Euro-Partner dem Land "Haushaltsmaßnahmen" auferlegen können: "Denkbar wären zum Beispiel konkrete Ausgabenkürzungen oder die Festlegung neuer Einnahmequellen", schreiben Westerwelles Mitarbeiter.

"Geordnete Staateninsolvenz" soll möglich sein

Als "ultima ratio" halten sie es sogar für vorstellbar, dass die Partner das Land bei der Umsetzung "administrativer Maßnahmen", also etwa bei Sozialkürzungen, "aktiv unterstützen". Die Entscheidung darüber, ob in den nationalen Haushalt eines Mitgliedslands eingegriffen wird, sollen die Euro-Staaten auf Vorschlag des ESM gemeinsam treffen.

Für Länder, denen es trotz aller Hilfen des Rettungsfonds nicht gelingt, die Krise zu überwinden, will Westerwelle die Möglichkeit einer "geordneten Staateninsolvenz" schaffen. Dies sei notwendig, "um die Belastung der Steuerzahler der anderen Euro-Mitgliedstaaten zu reduzieren und auch, um die Möglichkeit für einen Neustart des betroffenen Landes zu schaffen", heißt es in dem Papier.

Die bislang vorgesehene Regelung, wonach die Euro-Länder schon bei der Ausgabe von Staatsanleihen sogenannte Umschuldungsklauseln für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit festlegen sollen, reiche nicht aus. Mit den beiden zusätzlichen Instrumenten - dem Durchgriff auf die nationalen Etats sowie dem Insolvenzverfahren für Staaten - würde nach Westerwelles Meinung aus dem ESM ein "echter EWF", also ein Währungsfonds.

Außerdem ist es nach Auffassung des Ministers nötig, den Stabilitätspakt weiter zu verschärfen. Um Kungeleien der EU-Länder untereinander zu unterbinden, soll die Europäische Kommission Defizitsünder auch ohne Zustimmung des Finanzministerrats mit Sanktionen belegen können. Verletzt ein Mitglied den Stabilitätspakt dauerhaft, sollen die Kommission und die übrigen EU-Länder zudem ein Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof erhalten. Das ist durch die europäischen Verträge bisher explizit ausgeschlossen.

Die Idee der Niederlande, in Brüssel einen "Stabilitätskommissar" mit Durchgriffsrecht auf die nationalen Budgets einzusetzen, beurteilt das Auswärtige Amt wegen der Haushaltsautonomie des Bundestags hingegen eher skeptisch. Allerdings kann sich Westerwelle offenbar vorstellen, dass ein solcher Kommissar die Auszahlung von Geld aus dem EU-Haushalt an reformunwillige Defizitsünder blockiert. Ziel aller Maßnahmen müsse sein, so heißt es zusammenfassend in dem Papier, in Europa endlich "eine Kultur solider Haushaltsführung verbindlich und fest zu verankern".

© SZ vom 21.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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