Wirtschaftsstandort:Der Osten braucht mehr als Fabriken

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Kanzler Olaf Scholz bei der Einweihung der Tesla-Fabrik in Brandenburg. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Tesla in Brandenburg, Intel in Sachsen-Anhalt - Ostdeutschland zieht prestigeträchtige Firmen an. Doch damit der Aufschwung mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nachhaltig wird, darf das erst der Anfang sein.

Kommentar von Caspar Busse

"Ostdeutschland kann auch Industrie", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Woche bei der großen Eröffnung des Tesla-Werks in Grünheide. Das stimmt natürlich: Im Osten der Republik gibt es viele erfolgreiche Produktionsbetriebe, und das trotz der weitgehenden Deindustrialisierung nach dem Ende der DDR-Planwirtschaft. Aber Scholz' Aussage stimmt auch wieder nicht, denn bald 32 Jahre nach der Wiedervereinigung liegt Ostdeutschland wirtschaftlich noch immer hinter dem Westen, und zwar auch weil es an Industrie fehlt. Die Löhne sind größtenteils niedriger, die Arbeitslosigkeit höher, die Gewerbesteuereinnahmen geringer.

Doch jetzt gibt es zwei Prestigeprojekte, die für Aufsehen sorgen und auch international den Blick auf Ostdeutschland lenken. Tesla hat in weniger als drei Jahren für fast fünf Milliarden Euro eine Fabrik in den Brandenburger Sand gesetzt, die Produktion läuft bereits an. Und der Chipkonzern Intel hat angekündigt, für 17 Milliarden Euro zwei Halbleiterfabriken in Magdeburg zu bauen. Kommen jetzt doch noch die "blühenden Landschaften", die einst Helmut Kohl versprochen hat? Wird Ostdeutschland demnächst wirtschaftlich zum Westen aufschließen oder ihn gar überflügeln? Bei allem Optimismus, der nun herrscht: So einfach ist es nicht. Damit der Aufschwung mehr als 30 Jahre nach der Wende nachhaltig ist, braucht es mehr als zwei - zugebenermaßen spektakuläre - Ansiedlungen.

Auch andere wissen um die Vorzüge des Standorts Ostdeutschland

Natürlich können die Investoren mit durchaus ansehnlichen Subventionen für industrielle Investitionen rechnen. Tesla und Intel zeigen aber auch, dass der Standort Ostdeutschland nicht so schlecht ist, wie es immer heißt. Im Gegenteil: Es gibt gut ausgebildete Mitarbeiter, Hochschulen und Universitäten, eine durchaus funktionierende Infrastruktur. Das wissen auch andere Unternehmen: Volkswagen etwa fertigt seine Elektroautos der ID-Baureihe im sächsischen Zwickau. Dresden ist ein weltweit führender Standort für die Chipproduktion und -forschung, der Triebwerkhersteller Rolls-Royce produziert in Brandenburg. Oft sind das dann sogenannte Leuchtturmprojekte, einzelne Investitionen also, um die herum sich eine florierende Region entwickelt. Daneben gibt es andere Landstriche, die wirtschaftlich abgehängt sind.

Elon Musk hat seine "Giga-Factory" nach dem zweifelhaften Motto "Erst bauen, dann genehmigen" hochgezogen - in der Hoffnung, dass am Ende die Betriebserlaubnis schon erteilt wird, was auch geklappt hat. Intel erwartet ebenfalls, dass es schnell geht, schon von 2027 an sollen die ersten Chips die Fabrik verlassen. Ob Tesla und Intel auch in einem Bundesland weiter westlich in diesem Tempo bauen könnten, darf bezweifelt werden. Oft sind die Verwaltungen in der alten Bundesrepublik noch langsamer und bürokratischer, die Widerstände gegen Großprojekte, ob berechtigt oder nicht, noch größer. Aber gerade, wenn es um Zukunftstechnologien wie E-Mobilität, Halbleitertechnik oder auch nachhaltige Energien geht, ist Schnelligkeit ausschlaggebend. Da muss sich in Deutschland noch einiges tun - und der Osten kann als Vorbild dienen.

Wichtig ist aber, dass er nicht nur eine verlängerte Werkbank ist, also nicht nur als reiner Produktionsstandort dient, der immer abhängig von den Entscheidungen anderer ist. Deshalb braucht es Unternehmen, große wie kleine, die ihren Hauptsitz östlich der Elbe haben - das sind derzeit noch zu wenige, insbesondere, wenn man auf börsennotierte Unternehmen schaut (die meisten davon haben ihren Sitz in Berlin). Es sei ein Problem, dass es Teile von Deutschland gibt, wo keine wichtigen wirtschaftlichen Entscheidungen mehr getroffen würden und die deshalb auch kaum wirtschaftlichen Einfluss hätten, sagte vor Kurzem Stefan Traeger, der Chef von Jenoptik. Die Hightech-Firma ist eines der größten unabhängigen ostdeutschen Unternehmen. Er hat recht.

Damit die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig und langfristig gelingt, sind mehr als große Investitionen notwendig. Es braucht eine über lange Zeit gewachsene Wirtschaftsstruktur, technologische Biotope, es braucht viele erfolgreiche ostdeutsche Firmen, große und kleine. Immerhin: Ostdeutschland ist auf einem guten Weg, Tesla und Intel sind ein Zeichen dafür.

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