Oneplus-Gründer Carl Pei:"Das Abhängigkeitsverhältnis vieler Menschen zu ihren Smartphones ist ein Problem"

Lesezeit: 6 min

Carl Pei wurde in China geboren, ist in Schweden aufgewachsen, hat sein Studium in Stockholm abgebrochen und 2013 gemeinsam mit Pete Lau Oneplus gegründet. (Foto: Oneplus)

Warnt kein Digitalskeptiker, sondern der Gründer des Smartphone-Herstellers Oneplus. Das sei kein Widerspruch, sagt Carl Pei und verrät, was sein Unternehmen von Apple lernen kann.

Interview von Simon Hurtz

Anfang 2014 war Oneplus ein chinesisches Start-up, das niemand kannte. Im vergangenen Jahr setze das Unternehmen knapp anderthalb Milliarden Dollar um, seine Smartphones gelten als ernsthafte Konkurrenz für Apple, Samsung und Google. In der Anfangszeit war Oneplus vor allem für sein aggressives Marketing bekannt. Eine Kampagne forderte dazu auf, das alte Smartphone vor laufender Kamera zu zerstören, um ein neues Oneplus für einen Dollar zu erhalten. Die Werbung ist mittlerweile konventioneller, die Smartphones bleiben ungewöhnlich. Sie können annähernd mit 1000-Euro-Geräten mithalten, kosten aber nur gut die Hälfte. Mitgründer Carl Pei, 28, erklärt, was Oneplus anders macht, wo Apple ein Vorbild ist und warum Menschen seltener aufs Smartphone schauen sollten.

SZ: Es gibt Tausende Android-Hersteller, kaum jemand kann sie auseinanderhalten. Warum dachten Sie: Die Welt braucht noch eine Firma, die Smartphones baut?

Carl Pei: Damals nutzten wir alle iPhones. Wir haben uns gefragt: Es gibt so viele Alternativen, warum haben wir alle das gleiche Smartphone? Unser Eindruck war: Die Android-Hersteller konzentrieren sich nicht auf das Produkt. Sie kümmern sich eher ums Marketing oder verbauen Gimmicks, die niemand wirklich braucht. Wir waren uns sicher, dass es Android-Nutzer geben muss, die einfach nur ein gutes, geradliniges Smartphone wollen.

Oneplus 6
:Kostet halb so viel wie ein iPhone, kann fast dasselbe

Es gibt bessere Smartphones als das Oneplus 6. Aber die sind mindestens ein paar Hundert Euro teurer.

Von Simon Hurtz

Vor vier Jahren brachten Sie das erste Oneplus-Smartphone auf den Markt. Sie rechneten damit, einige Zehntausend Geräte zu verkaufen. Es wurden fast eine Million im ersten Jahr. Warum haben Sie sich so verschätzt?

Als wir die Bauteile bei unseren Zulieferern bestellten, mussten wir überlegen, von welchen Verkaufszahlen wir ausgehen. Wir sagten: Wenn wir 10 000 Smartphones verkaufen, machen wir weiter. Wenn wir 50 000 verkaufen, ist es ein wirklich erfolgreiches Jahr. 100 000 waren völlig utopisch. Dass es zehnmal mehr geworden sind, hat zwei Gründe: gutes Timing und Glück. 2014 gab es jede Menge schlechte Smartphones. Es war einfacher als heute, ein Gerät auf den Markt zu bringen, das sich abhebt.

Und wo hatten Sie Glück?

Wir haben ein Smartphone entwickelt, das uns selbst gefallen hat. Aber wir konnten nicht wissen, ob es auch potenziellen Käufern gefällt. Offenbar haben wir einen Nerv getroffen. Später hieß es immer, den Erfolg hätten wir unserem Marketing oder dem Invite-System zu verdanken ...

Die ersten Oneplus-Geräte konnte nicht jeder kaufen. Man brauchte eine persönliche Einladung. Damit haben Sie künstliche Knappheit geschaffen und das Smartphone noch begehrter gemacht.

Genau. Sie können ein Produkt mit Freunden teilen. Das funktioniert aber nur, wenn das Produkt gut ist, sonst will es niemand teilen. Da kann das Marketing noch so gut sein.

Ihr erstes Smartphone kostete 300 Euro. Für das aktuelle Oneplus 6 verlangen Sie fast das Doppelte. Wie lange wird es dauern, bis Oneplus Apple beim Preis einholt?

Das wird hoffentlich nie passieren. Wir haben ein viel geringeres Marketing-Budget und weniger Zwischenhändler. Unsere Smartphones sind teurer geworden, weil die Komponenten teurer geworden sind, vor allem Displays und der Arbeitsspeicher.

In den vergangenen Jahren haben sich Smartphones kaum weiterentwickelt und sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Ist es bald egal, was ich kaufe, weil eh alle das Gleiche bauen?

Es zeichnet sich zumindest keine Revolution ab. Das Design wird immer ähnlicher, weil es fast völlig verschwindet: Jeder Hersteller versucht, möglichst große Displays zu verbauen. Der Bildschirm nimmt fast die gesamte Front ein. Dementsprechend werden sich Smartphones höchstens noch im Design der Rückseite unterscheiden. Und natürlich über die Software.

Das muss Ihnen doch Sorgen machen: Google steckt Milliarden in künstliche Intelligenz (KI). Apple bewirbt iOS als "die größte Augmented-Reality-Plattform der Welt". Das ist viel komplexer als ein gutes Smartphone zu bauen. Wie wollen Sie mit diesen Software-Giganten mithalten?

Für uns ist die Frage ziemlich einfach: Was können wir besser als andere? Können wir bessere KI entwickeln als Google, die viel mehr Geld und Programmierer haben als wir? Aktuell eher nicht. Aber warum müssen wir das Rad neu erfinden, können wir nicht einfach mit Google zusammenarbeiten, wenn es um KI geht? Einige Firmen sagen: Wir nutzen nur, was wir selbst entwickelt haben. Wir sind da offener. Wenn ein anderes Unternehmen etwas besser kann und ohnehin bereits einer unserer engsten Partner ist, dann sollten wir kooperieren. Stolz darf nicht dazu führen, dass wir Nutzern ein schlechteres Produkt verkaufen.

Google baut längst eigene Hardware. Die Pixel-Smartphones sind direkte Konkurrenz für Oneplus. Will Google überhaupt mit Ihnen zusammenarbeiten?

Ich komme gerade aus der Google-Zentrale in Mountain View zurück. Das Pixel-Team arbeitet dort getrennt vom Android-Team. Für die Google-Mitarbeiter, die Android entwickeln, ist das Pixel nur eins von vielen Smartphones. Google will sich mit dem Pixel vor allem absichern: Falls sich Hersteller irgendwann weigern, ihre Geräte mit Google-Diensten auszuliefern, hat Google eigene Hardware. Solange wir eng mit ihnen zusammenarbeiten, sehe ich keine drohenden Interessenkonflikte.

Google Pixel 2
:Google baut das beste Smartphone, das nicht iPhone heißt

Und selbst mit den neuen Apple-Handys kann das Pixel 2 mithalten. Es hat nur ein Problem: den Preis.

Von Simon Hurtz

Analysten sprechen von "Peak Smartphone". Die meisten Menschen in westlichen Ländern haben eins, und nur wenige kaufen jedes Jahr ein neues. Kann Oneplus ein Unternehmen bleiben, das ausschließlich Smartphones baut?

Der Smartphone-Markt ist riesig und wird es auch noch lange Zeit bleiben. Jährlich werden mehr als eine Milliarde Geräte verkauft. Da bleibt noch jede Menge Wachstumspotenzial für uns.

Also wird es so bald keine smarten Lautsprecher oder andere Gadgets von Oneplus geben?

Natürlich diskutieren wir darüber, aber für den Moment wollen wir uns auf Smartphones konzentrieren.

Früher war die Kamera einer der Schwachpunkte von Oneplus. Mittlerweile haben Sie aufgeholt, aber die meisten Testberichte sagen: Apple, Samsung und Google sind immer noch ein Stück voraus. Wie wollen Sie die Lücke schließen?

Für Nutzer ist Bildqualität einer der wichtigsten Faktoren bei der Kaufentscheidung. Deshalb haben wir viel unternommen, um die Kamera zu verbessern. Ich glaube, dass uns das beim Oneplus 6 gelungen ist. Wer Fotos bewertet, lässt sich oft von Werbung beeinflussen. Fürs Marketing geben andere Hersteller mehr Geld aus. In Blindtests schneidet unsere Kamera aber ähnlich gut ab, manchmal sogar besser. Nur bei ganz schlechten Lichtverhältnissen liegen wir noch ein bisschen zurück.

Das iPhone ist das mit Abstand erfolgreichste Smartphone der Welt. Was können Sie von Apple lernen?

Apple hat immer nur eins im Blick: Wie baue ich das bestmögliche Produkt? Sie verzetteln sich nicht in Details. Es ist ihnen egal, ob sie die Ersten oder die Letzten sind, die eine neue Funktion integrieren. Hauptsache, sie machen es am besten. Das sollten wir uns von Apple abschauen: Lass dich nicht von Medien oder einem kleinen Teil der Nutzer unter Druck setzen, die dir vorwerfen, nicht revolutionär genug zu sein.

Warum halten so viele Menschen iOS für das bessere Betriebssystem als Android?

Vor einigen Jahren war der Unterschied wirklich groß. Damals war iOS viel flüssiger und intuitiver. Aber Android hat deutlich aufgeholt und ist auf Augenhöhe. Mittlerweile ist es eine Geschmacksfrage.

Spielen Sicherheit und Privatsphäre nicht auch eine Rolle? Apple schützt die Daten seiner Kunden, bei Android-Geräten ist das nicht immer der Fall. Auch bei Oneplus gab es einige Hacks und andere Vorfälle. Kann ich darauf vertrauen, dass meine Daten bei Ihnen sicher sind?

In solchen Fällen ist es immer besser, eine Erfolgsbilanz zu haben, die für sich spricht, als zu versprechen, dass in der Zukunft alles in Ordnung sein wird. Jetzt müssen wir unsere Arbeit machen, um in ein paar Jahren sagen zu können: Hier, seht selbst, ihr könnt uns vertrauen. Tatsächlich gab es einige Vorfälle, die wir lieber vermieden hätten. Wir haben seitdem intern einiges verändert, damit so etwas nicht mehr vorkommt.

SZ PlusSmartphones
:Wie App-Entwickler Nutzer abhängig machen wollen

Unternehmen wie Facebook nutzen gezielt Schwächen der menschlichen Psyche. Doch niemand ist den Tricks der Designer hilflos ausgeliefert. So können Sie sich wehren.

Von Simon Hurtz

Im vergangenen Jahr haben sich Smartphones zu einem regelrechten Hassobjekt entwickelt . Sie sollen süchtig machen, zerstörten das Sozialleben, seien schädlich für Kinder und Jugendliche. Frankreich hat Smartphones an Schulen verboten. Müssen Sie Nutzer vor den Produkten schützen , die Sie herstellen?

Smartphones werden heute anders genutzt, als sich das die Erfinder vorgestellt hatten. Der Name suggeriert, dass sie uns klüger machen. Manchmal fühlt es sich aber so an, als machten sie uns dümmer. Wenn wir mit Freunden unterwegs sind, starren wir auf Bildschirme, statt die Menschen vor uns anzuschauen. Das ist eine Entwicklung, die mir Sorgen macht.

Wie nutzen Sie selbst Ihr Smartphone?

Ich habe alle Social-Media-Apps von meinem Homescreen geworfen und überwache, wann und wie oft ich mein Smartphone verwende. Manchmal schalte ich auch den Lesemodus ein, dann wird das Display schwarz-weiß. Das ist weniger hübsch, aber dann schaue ich es auch seltener an. Das Abhängigkeitsverhältnis, das viele Menschen zu ihren Smartphones haben, ist definitiv ein Problem. Wir haben Ideen, wie wir sie dazu bringen können, Technik bewusster und dosierter zu nutzen. Für Oneplus wäre das kein Problem: Wir verdienen kein Geld, wenn Menschen mit ihrem Smartphone Dinge nachschlagen, Musik hören oder Filme anschauen. Wir wollen nur, dass sie ein Produkt kaufen, das ihnen gefällt und von dem sie glauben, dass es ihr Leben erleichtert. Ob sie es fünf Minuten oder fünf Stunden am Tag nutzen, ist uns egal.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Silicon Valley
:Liebe Menschheit, es tut uns leid

Der Erfinder des Like-Buttons meidet Facebook, Apple-Chef Tim Cook hält seinen Neffen von sozialen Medien fern. Immer mehr Tech-Manager hinterfragen ihr Werk. Ein Überblick in Bildern.

Von Simon Hurtz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: