Ölpest im Golf von Mexiko:Die Schuld von BP und von Obama

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Wer trägt die Schuld an der Ölpest? Der BP-Konzern war nicht auf den Öl-Gau vorbereitet. Auch die US-Regierung ist mitverantwortlich.

A. Oldag

Es ist ein Lichtblick, auf den BP-Chef Tony Hayward in den vergangenen Wochen gehofft hatte: Erstmals haben jetzt Ingenieure ein Absaugrohr an die beschädigte Ölleitung im Golf von Mexiko angebracht. Doch auch wenn es bald gelingen sollte, das Leck zu stopfen, wird die Ölkatastrophe für BP noch ein langes Nachspiel haben.

Archivfoto der Öl-FörderstationDeepwater Horizonkurz vor ihrem Untergang. Ingenieure haben ein Absaugrohr an der beschädigten Ölleitung im Golf von Mexiko angebracht. (Foto: Foto: apn)

Dabei geht es nicht nur um teure Schadensersatzklagen, die den zweitgrößten Ölkonzern der Welt zwar finanziell schmerzen, an denen er aber nicht zerbrechen wird. Die zentrale Frage ist, ob BP bei seinem Vorstoß in die Tiefen des Meeres den Schutz der Umwelt kruden Gewinninteressen geopfert hat. Diesem Problem muss sich die gesamte Branche stellen, die mit ihren Offshore-Bohrungen einer technischen Hybris verfallen ist.

Hayward ist sicherlich kein Betonkopf wie beispielsweise der frühere Exxon-Mobil-Chef Lee Raymond, für den sich die gesellschaftliche Verantwortung von Ölkonzernen auf den Jahresausstoß in Barrel reduzierte. Der 52-jährige BP-Chef hat das Unternehmen seit dem Abgang seines autokratischen Vorgängers Lord Browne 2007 systematisch umgebaut, Hierarchien gekappt und eine neue Führungskultur etabliert.

Interne Debatten über Fehler und Versäumnisse sind heute in der Firmenzentrale am Londoner St. James Square kein Tabu mehr. Nur so konnte es Hayward gelingen, die Konsequenzen aus dem Raffinerieunglück 2005 in Texas zu ziehen und Sicherheitsstandards zu etablieren, die in der Branche durchaus beispielhaft sind.

Dennoch hat Hayward nicht genug getan. Er selbst hat in einem Interview angedeutet, dass sich BP besser auf einen solchen Öl-Gau hätte vorbereiten können. Dabei geht es allerdings nicht nur um ein zusätzliches Absperrventil, das vielleicht die Katastrophe verhindert hätte.

Konzerne erreichen eine kritische Größe, die es immer schwieriger macht, Risiken abzuschätzen. Die Ölindustrie ist dafür besonders anfällig: Noch immer verstehen sich die Multis wie Exxon Mobil, Chevron, Shell und BP als Pioniere des technisch Machbaren. Die Ölmänner dringen in unbekannte Welten vor. Nachdem die arabischen Wüsten ausgereizt und im übrigen von Staatsunternehmen der Förderländer okkupiert worden sind, rammen sie ihre Bohrgestänge in den Permafrostboden Alaskas und in den Grund der Tiefsee.

Der thrill, der Wonneschauer der Geologen und Ingenieure, paart sich mit den Gesetzen der Wall Street. Im Kampf um die ohnehin knapper werdenden Ölressourcen, wird nur das Unternehmen von Börsianern goutiert, das neben steigenden Gewinnen auch die am meisten versprechenden Reserve-Prognosen in den Bilanzen ausweisen kann. Die Ölmanager wissen, dass sie dieses Spiel in den nächsten Jahrzehnten verlieren werden. Nämlich dann, wenn der letzte Tropfen Öl herausgequetscht ist. Um so verbissener ist jedoch bis dahin der Kampf um die noch vorhandenen Felder. Das erhöht die Risiken bei der Förderung.

Nur: Wer sich jetzt wie Washingtoner Politiker über das Tiefseeabenteuer von BP beklagt, lenkt von den eigenen Versäumnissen ab. Das ist ähnlich wie beim derzeit modernen banker bashing, dem Eindreschen auf Banker, die wegen ihrer Gier für die Finanzkrise verantwortlich gemacht werden. Dabei haben die Regierungen den Finanzexzessen zugeschaut und diese durch eine laxe Regulierung sogar gefördert.

Das gleiche gilt für die Ölindustrie: Das Geschäft mit dem schwarzen Gold ist ebenso schmutzig wie riskant. Doch die Gier der Verbraucherstaaten, deren Volkswirtschaften nach wie vor von fossiler Energie abhängen, feuert den Ölkonsum an. Noch bis vor kurzem hat US-Präsident Barack Obama keinen Zweifel daran gelassen, dass Bohrungen vor der Küste für die Energieversorgung des Landes von zentraler Bedeutung sind.

Die Konzerne sind Teil dieses Systems. Wer ihnen den Wilden Westen bietet, darf sich über die Ergebnisse nicht wundern. Die Regierungen müssen deshalb den Unternehmen sagen, was sie tun und nicht tun dürfen. Das ist für BP-Chef Hayward ebenso wichtig wie für den von der Ölpest betroffenen Fischer an der Golfküste.

© SZ vom 18.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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