Nachhaltiges Smartphone:Das neue Fairphone gibt's am Stück oder in Teilen

Lesezeit: 3 Min.

Die Firma Fairphone versucht es mit einem modularen Ansatz. (Foto: oh)

Fairphone stellt ein neues Modell seines nachhaltigen, modularen Smartphones vor. Das alte lässt sich aufrüsten.

Von Valentin Dornis und Mirjam Hauck, München

Wer ein halbwegs ökologisches und unter halbwegs ethisch vertretbaren Bedingungen produziertes Handy kaufen will, der kommt am Fairphone kaum vorbei. Seit 2014 versucht die niederländische Firma den Smartphone-Markt zu verändern, als nachhaltiger David gegen viele Goliaths: Pro Jahr werden weltweit etwa 1,5 Milliarden Smartphones verkauft, von Apple, Samsung, Huawei - um nur die großen Hersteller zu nennen. Das Fairphone 3, das vor einem Jahr auf den Markt kam und nur in Europa erhältlich ist, fand bislang 90 000 Käufer.

Jetzt hat die Firma ihr neuestes Modell vorgestellt und bricht mit der bislang geltenden Regel, dass ein neues Smartphone irgendwie anders aussehen muss als der Vorgänger. Es soll ja schließlich jeder sehen, dass man sich das neueste Gerät leisten kann. Beim neuen Fairphone ist das anders: Das Modell 3 Plus hat genau dieselben Maße wie das ältere 3er-Modell. Und auch einige Bauteile und Komponenten sind gleich geblieben. Dazu gehören der Akku, der Bildschirm mit 5,7 Zoll und der Snapdragon-632-Prozessor von Qualcomm.

Natürlich gibt es aber auch technische Verbesserungen. Einerseits bei der Software, das Handy kommt mit der aktuellen Version des Betriebssystems Android 10. Und andererseits bei der Hardware: Es gibt ein neues Soundmodul, das für bessere Anrufqualität sorgen soll, und zwei neue Kameras. Die Hauptkamera hat nun eine Auflösung von 48 Megapixel statt bislang zwölf, bei der Selfiekamera sind es nun 16 Megapixel statt acht. Bei Spitzenklasse-Smartphones, aber inzwischen auch in der Mittelklasse hat es in den vergangenen Jahren wenig wirkliche Innovationen gegeben. Viele Hersteller setzen deshalb auf die Kamera als Verkaufsargument für ihre neuen Modelle: noch mehr Megapixel, noch mehr Linsen, noch mehr Zoom.

Grüne Smartphones zu bauen, ist ein schweres Unterfangen. (Foto: Ravi Kumar/Unsplash)

Das Problem dabei: Wer die neueste Kameratechnik für die Hosentasche will, muss gleich ein komplett neues Smartphone kaufen, auch wenn sein altes Gerät ansonsten eigentlich noch in sehr gutem Zustand ist. Und wenn sich Käufer im Schnitt alle zweieinhalb Jahre ein neues Gerät zulegen, entsteht eine Menge vermeidbarer Elektroschrott. "Wir möchten die Elektronikindustrie verändern", sagt Eva Gouwens, Chefin von Fairphone. "Unser Ziel ist es, dass unsere Käuferinnen und Käufer ihr Smartphone fünf Jahre behalten." So lange biete man auch Support für die Geräte an.

Und noch etwas soll die Smartphones langlebiger machen: Ähnlich wie der deutsche Konkurrent Shiftphone setzt Fairphone auch auf ein modulares Design. Alle wichtigen Komponenten des Handys können mit wenigen Handgriffen ausgetauscht werden. Kunden müssen ihr Smartphone dafür nicht in die Werkstatt schicken, sondern können die Teile online nachbestellen und mit einem mitgelieferten Schraubendreher selbst austauschen, auch ohne große Vorkenntnisse.

Beim neuen Modell ist der Anteil an recyceltem Kunststoff im Vergleich zum Vorgänger mehr als viermal so hoch wie bisher. Das ist auch der Grund, warum die Rückseite des Fairphones nun wieder schwarz ist. Zuletzt war sie stets transparent, um das modulare Design sichtbar zu machen. Doch das ist mit mehr wiederverwerteten Kunststoffen nicht mehr so einfach möglich. Darüber hinaus verbaut das Unternehmen weiterhin großteils fair gehandelte Rohstoffe. Denn bei der Handyproduktion werden viele Mineralien und Metalle benötigt, die üblicherweise mit starker Umweltverschmutzung und gefährlichen Arbeitsbedingungen gefördert werden.

Käufer bekommen ein ordentliches Handy und ein gutes Gewissen

Zeitgleich mit der Präsentation des Modells 3 Plus verkündete Fairphone die Gründung der "Fair Cobalt Alliance". Kobalt ist einer der Hauptrohstoffe für Batterien. Die Allianz, zu der auch der weltweit größte Rohstoff-Händler und Minenbetreiber Glencore gehört, will künftig den Kobaltabbau "sozial verantwortlicher, klimaschonender und konfliktfreier gestalten".

Wer das neue Fairphone-Modell mit besserer Kamera haben will, kann es online für 469 Euro kaufen. Er bekommt dafür ein gutes Mittelklasse-Handy, dessen Preis für seine Ausstattung vergleichsweise hoch ist, dafür aber mit gutem ökologischen und sozialen Gewissen. Wer bereits das Vorgängermodell besitzt, aber ein Upgrade will, braucht kein neues Gerät zu kaufen. Er kann die verbesserten Module einfach nachbestellen und sie selbst einsetzen - und hält dann ein Gerät in den Händen, das identisch mit dem Modell 3 Plus ist. Dazu gibt es ein Rücksendeetikett, und die alten Kameramodule werden vom Hersteller entweder aufbereitet oder recycelt. Die neuen Kameras gibt es im September als Set zum reduzierten Preis von 69,90 Euro, danach kosten sie 95 Euro, können aber auch einzeln bestellt werden.

Bleibt die Frage, ob sich das Upgrade lohnt, die technischen Daten der Kameras sind schließlich vielversprechend. Doch der Praxistest zeigt, dass man schon genau hinschauen muss, um Unterschiede zu erkennen. Die neuere Hauptkamera scheint etwas schneller zu fokussieren, mit schwierigen Lichtverhältnissen und Aufnahmen aus geringer Distanz kommt sie etwas besser klar. Die Bilder sind trotz der größeren Megapixelzahl nicht wesentlich detailreicher, zumindest lassen sich am Computer mit bloßem Auge kaum Unterschiede erkennen. Der ältere, eher mittelmäßige Prozessor des Smartphones macht sich nicht bemerkbar, die Verarbeitung der Bilder läuft nicht spürbar langsamer.

Die Selfie-Kamera bietet etwas größere Verbesserungen, die Bilder sind knackiger als beim Vorgängermodell, insbesondere bei wenig oder Gegenlicht. Wem diese Feinheiten bei den Smartphone-Kameras wichtig sind, für den kann sich das Upgrade also lohnen. Wer allerdings mit einer guten Mittelklasse-Kamera zufrieden ist, wie sie bisher im Fairphone verbaut ist, für den gibt es auch eine Lösung: Das 3er-Modell gibt es weiterhin zu kaufen, es kostet mit Android-10-Update nun 419 Euro statt bisher 450 Euro.

© SZ vom 02.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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