Neuer Airbus:Abgehoben mit dem A350

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Der stolze Airbus-Konzern steckt in der Krise. Das größte Passagierflugzeug der Welt verkauft sich schlecht, die Zeit drängt. Doch nun hat die Hoffnung einen neuen Namen: A350.

Von Jens Flottau, Toulouse/Kapstadt

Frank Chapman sagt, er habe am Donnerstag Bananenschalen ausgelegt, damit einer der Piloten sich den Knöchel verstauchen und den historischen Flug nicht bestreiten könnte. Das war natürlich britischer Humor. Klar. Airbus-Testpilot Chapman, der Ersatzmann, hätte gerne selbst im Cockpit gesessen, als der Airbus A350 zum ersten Mal abhob. Aber auch am Boden war Freitag, zehn Uhr morgens, "ein sehr emotionaler Moment für mich."

Tausende von Airbus-Mitarbeiter standen neben der Startbahn in Toulouse, um dabei zu sein. A350-Programmchef Didier Evrard simulierte den Start mit wie ein Fußballtrainer einen Kopfball seines Stürmers am Spielfeldrand. Und der sonst eher scheue Airbus-Chef Fabrice Bregier hatte nur eine Botschaft an seine Mitarbeiter: "Ich liebe Euch." Die Emotionen sind verständlich, denn am Erfolg des A350 hängt die Zukunft von Airbus. Das Flugzeug wird der direkte Konkurrent der Boeing 787 und 777 sein. Es handelt sich um Airbus-Angebot für den Markt der kleineren Langstreckenflugzeuge mit 250 bis 350 Sitzen.

Mehrere Tausende Jets werden die Fluggesellschaften nach den Prognosen der beiden großen Hersteller in diesem Segment in den nächsten 20 Jahren kaufen. 613 A350 haben die Airlines seit dem Start des Programmes fest bestellt. Und wenn es nach dem Willen von EADS-Chef Tom Enders geht, dann werden während der Paris Air Show in der kommenden Woche noch zahlreiche Bestellungen hinzukommen.

Jungfernflug des Airbus 350 in Toulouse  (Foto: Bloomberg)

Bei der A350 hat Airbus wie lange nicht mehr auf neue Technologien gesetzt. Der Rumpf besteht erstmals aus Kohlefasern. Zusammen mit anderen Neuerungen sorgt dies dafür, dass der Treibstoffverbrauch gegenüber heutigen Maschinen um etwa 20 Prozent sinken soll. Da Treibstoff bei den meisten Airlines mittlerweile 30 bis 40 Prozent der Gesamtkosten ausmacht, hat Effizienz eine enorme Bedeutung, die Nachfrage ist also groß.

Doch trotz des zu erwartenden Erfolges bei der A350 hat Airbus Sorgen, was das Geschäft mit den Langstreckenflugzeugen angeht. Die A380, das größte Passagierflugzeug der Welt mit etwa 530 Sitzen, verkauft sich seit Jahren schlecht. Airbus- Verkaufschef John Leahy argumentiert, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Nachfrage wieder anziehe, denn der Luftverkehr wachse und die Branche könne dies nicht alleine mit Maschinen wie der A350 bewältigen, sondern brauche größere Jets.

Nicht jeder Luftfahrt-Experte teilt Leahys These. Die eine Seite argumentiert, die Fluggesellschaften seien in den vergangenen fünf Krisenjahren der Weltwirtschaft mit Investitionen vorsichtig geworden. Dies sei aber nur vorübergehend. Die Gegenseite behauptet, es handele sich um einen dauerhaften Trend, die Zeit der ganz großen Passagierjets à la A380 oder Boeing 747 sei schlichtweg vorbei.

Unabhängig davon, wer recht hat: Die Zeit drängt ganz besonders für Airbus. Denn noch immer ist die für das Jahr 2015 geplante Produktion für das größte zivile Flugzeug nicht vollständig verkauft. Wegen der langen Vorlaufzeiten müsste Airbus in den nächsten Monaten beschließen, die Produktion zu drosseln, sollte es Leahy und seinen Leuten nicht doch noch gelingen, die übrigen Slots zu verkaufen. Und was die Jahre 2016 und 2017 angeht, ist zwar noch ein wenig Zeit, um die Produktion genau festzulegen. Aber erstens dürften die Verkaufslücken wesentlich größer sein und es scheint zudem sehr wahrscheinlich zu sein, dass für diese Zeit eingeplante A380-Kunden noch abspringen. Bestellungen für 23 der derzeit 159 noch auszuliefernden Flugzeuge sehen bei genauerer Betrachtung wackelig aus.

Leahy argumentiert, die A380 sei ein Flugzeug für Wachstumsmärkte - sprich: für China. China Southern hat bislang als einzige chinesische Fluggesellschaft die A380 bestellt. Die fünf Maschinen sind bereits ausgeliefert und wenn man glaubt, was in Branchenkreisen geflüstert wird, dann würde China Southern die Flugzeuge am liebsten schnell wieder loswerden. Sie findet nicht genügend Strecken, um sie profitabel füllen zu können. Und ein hoher Manager von Air China hatte jüngst zum Thema A380 nur Folgendes beizutragen: "Lasst uns bloß damit in Ruhe."

Auch andere Kunden berichten hinter vorgehaltener Hand, wie schwer es sei, die Maschine profitabel einzusetzen. Füllen kann man eine A380 immer, wenn nur die Tickets günstig sind, aber für Gewinne müssen die Preise stimmen. Und das Risiko, leere Sitze in Zeiten schwacher Nachfrage herumzufliegen, ist groß.

"Die Leute geben alles dafür, A380 fliegen zu können."

Andererseits gibt es Airline-Chefs wie Tim Clark (Emirates), die auf die A380 schwören: "Die Leute geben alles dafür, A380 fliegen zu können. Das Flugzeug ist für uns enorm profitabel." Für Airbus geht es um sehr viel Geld. Der Hersteller muss pro Jahr mindestens 30 Maschinen bauen, um in der Produktion keine Verluste zu machen. Dabei ist noch nicht der zweistellige Milliardenbetrag eingerechnet, der für die Entwicklung des Flugzeuges nötig war. Um den möglichst schnell wieder herein zu holen, müsste Airbus die Produktion auf die ursprünglich maximal geplanten 45 Flugzeuge ausbauen. Doch davon kann derzeit nicht die Rede sein.

Ironischerweise sind Airbus und Boeing womöglich selbst ein bisschen dafür verantwortlich, dass ihre größten Maschinen A380 und Boeing 747-8 derzeit so schlecht laufen. Die neuen und kleineren Modelle wie der Airbus A350, die Boeing 787 und die 777 versprechen, so effizient zu sein, dass Airlines gar nicht mehr so große Flugzeuge einsetzen müssen, um auf niedrigere Stückkosten zu kommen. Leahy behauptet zwar, die A380 sei bei den Kosten pro Sitzplatz immer noch unschlagbar günstig, doch manche Airline hat Abschied genommen von der Strategie, Stückkosten dadurch senken zu wollen, immer mehr Sitze anzubieten.

Neuer Airbus auf Jungfernflug
:A350 landet sicher

Der Dreamliner vom Konkurrenten Boeing macht nur Probleme - ein perfekter Zeitpunkt für Airbus, seinen neuen Langstreckenflieger A350 abheben zu lassen. Der Jungfernflug der Maschine von Toulouse aus in Bildern.

Bei der A350 hat Airbus eher ein anderes Problem als zu geringe Nachfrage. Nach dem voraussichtlich einjährigen Testprogramm mit fünf Maschinen und der Zulassung soll die Produktion möglichst schnell auf zehn Flugzeuge pro Monat hochgefahren werden. Leahy drängt intern darauf, schneller noch mehr A350 zu bauen, er könnte sie wohl leicht verkaufen. Doch Airbus will erst sicherstellen, ob die Lieferanten mithalten könnten. Bei der Paris Air Show wird die neue A350 auf jeden Fall Gesprächsthema Nummer eins sein. Und wenn in der Datenanalyse nach dem ersten Flug nichts Ungewöhnliches auftaucht, wird das erste Testflugzeug einen Rundflug über der Messe machen.

© SZ vom 15.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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