Neue Ergo-Sexreisen enthüllt:Die Swinger von der Hamburg-Mannheimer

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Mitarbeiter der Ergo-Versicherung wurden nicht nur einmal mit Sex-Partys belohnt. Seit einem Jahr verschweigt der Konzern, dass es weitere Lustreisen gab - nach Mallorca und Jamaika. Dabei hatte Ergo-Chef Oletzky nach dem Budapester Skandal volle Aufklärung versprochen.

Wer Versicherungen verkaufen will, muss seriös sein, vertrauenerweckend und zuverlässig. Aber wer Versicherungen verkaufen will, ist in der Regel auch auf der Jagd nach Provisionen. Die Gier lockt. Die Begierde lockt die Versicherungsvertreter dagegen ins "berüchtigste Hotel der Welt für Singles und Paare ab 18 Jahren". So wirbt das "Hedonism II" auf Jamaika für sich: "In diesen üppigen Gärten ist das Wort 'Nein' selten zu hören."

Das Resort bietet eine Mischung aus Party-, FKK- und Swinger-Tourismus. Hier urlaubten Mitarbeiter der Ergo-Versicherung dreimal. Die sogenannten Incentive-Reisen sollten fleißige Vertreter der Ergo-Tochter Hamburg-Mannheimer belohnen.

Laut einem Bericht im Handelsblatt legten die Versicherungsverkäufer dafür ordentliche Quittungen bei der Ergo vor: "2428 Euro Aufwendungen für einen Nachtclub/Bordellbesuch", heißt es im Bericht über den Mallorca-Ausflug. Ein Ergo-Sprecher glaubt aber, dass es keine Beweise für Fehlverhalten gebe. Er sagte der Süddeutschen Zeitung dazu: "Wir wissen faktisch nicht, was passiert ist."

Über eine Reise im Jahr 2010 nach Jamaika heißt es laut Handelsblatt in einem der internen Berichte: "Die Gesamtkosten beliefen sich auf 75.120,16 EUR. Die Hotelbeschreibung enthielt unseren Ermessens Hinweise auf die Ausrichtung des Hotels." Dazu sagte der Sprecher der SZ: "Wir wissen, dass die Vertreter in Jamaica in diesen Swinger-Club gefahren sind."

Die jetzt bekannt gewordenen Ausflüge nach Jamaika und in ein Bordell auf Mallorca geben einen Einblick in die Arbeitskultur der Versicherungsvertreter. Der Bericht liegt dem Unternehmen bereits seit einem Jahr vor. Das wirft die Frage auf, wie ernst es die Konzernführung um Torsten Oletzky damit meint, die Affären ihrer Mitarbeiter aufzuarbeiten.

Erst im vergangenen Jahr hatte der Konzern einen schweren Imageschaden erlitten, als eine Party mit Prostituierten in einer Therme in Budapest aus dem Jahr 2007 bekannt geworden war. Vorstandsvorsitzender Oletzky beteuerte damals, es handele sich um einen Einzelfall und setzte interne Ermittler auf den Fall an. In der Budapester Gellert-Therme feierten 20 Prostituierte und ein paar Dutzend Hostessen mit erfolgreichen Vertretern der Hamburg-Mannheimer-Versicherung, die zum Ergo-Konzern gehört. Anhand verschiedener Armbändchen konnten sie Frauen, die auch für Sex bezahlt wurden, von den Hostessen unterscheiden.

Happening vor der Ergo-Zentrale
:Mit Sekt gegen den Sex-Skandal

Protest gegen den Sex-Skandal: Der Satiriker Martin Sonneborn hatte zum Happening vor der Ergo-Zentrale aufgerufen. Und es sind tatsächlich Demonstranten mit Bademänteln und Sektflaschen aufgetaucht - wenn auch nur wenige. Die besten Bilder im Überblick.

Nachdem die Reise bekannt wurde, folgte eine beispiellose PR-Offensive, um den Schaden zu begrenzen. Oletzky versprach Aufklärung. Die damals laufende Werbekampagne ("Versichern heißt Verstehen") wurde für vier Wochen ausgesetzt. In ganzseitigen Anzeigen entschuldigte sich Ergo bei den Kunden: "Wenn Unternehmen Fehler machen, unternehmen sie etwas dagegen."

Ergo baute auch im Konzern um: Eine eigene Compliance-Abteilung wurde zum 1. Januar 2012 geschaffen. Sie soll darüber wachen, dass Mitarbeiter alle Firmenregeln einhalten. Dennoch empfahlen Werbeexperten dem Unternehmen sogar, sich umzubenennen. Der Schaden an der Marke sei einfach zu groß.

Die Budapest-Reise kam 2011 ans Licht, während ein Rechtsstreit zwischen Ergo und wütenden ehemaligen Vertretern tobte. Die forderten 100 Millionen Euro vom Konzern.

Ein Ergo-Sprecher sagte, die Reisen nach Jamaika seien nicht vom Unternehmen organisiert worden. Dies hätten selbstständige Vermittler in Eigenregie getan und dafür einen Zuschuss vom Unternehmen bekommen. Den habe der Konzern inzwischen zurückgefordert. Das Unternehmen habe bei seinen internen Untersuchungen bisher keinen anderen Fall gefunden, in dem Ergo selbst gezielt Prostituierte zur Motivation von Vertretern eingesetzt habe.

Schon jetzt ist der erneute Imageschaden für Ergo enorm. Im "Hedonism II" waren damals nicht nur Touristen zu Gast. Als die Ergo-Mitarbeiter hier feierten, waren zur gleichen Zeit Playboy-Models für ein Foto-Shooting in der Anlage, erzählte ein Zeuge den internen Ermittlern. Es seien "Fotos mit Teilnehmern und den 'Bunnys' (teilweise ohne Oberteil) aufgenommen worden", heißt es im Bericht. Dieser Bilder, warnt der Zeuge, könnten an die Öffentlichkeit gelangten.

Dazu passt, was das "Hedonism II" in seiner Broschüre schreibt: "Alles, was Sie gehört haben, ist wahr."

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