Ergo-Mutter Munich Re:Vom Sex-Skandal zur Milliarden-Forderung

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Als die Aufregung um eine Prostituierten-Party den Versicherungskonzern Ergo im Griff hatte, verhandelte Ergo gerade mit ehemaligen Mitarbeiten, die mehr Geld wollten. Beteiligt war auch ein wohlhabender Investor. Die Ergo fühlte sich genötigt und zeigte den Mann an. Der wehrt sich nun und fordert eine Milliarde Euro Schadensersatz von der Ergo-Mutter Munich Re.

Klaus Ott

Clemens J. Vedder, ein ebenso wohlhabender wie unkonventioneller Investor mit Wohnsitz in Zürich, Sylt und Palm Beach (Florida), ist bei Konzernchefs gefürchtet. Dort, wo sich der Fonds-Verwalter mit seinem Kapital und dem seiner Kunden einkauft, schreibt er schon mal böse Briefe. Er lässt Vorstände und Aufsichtsräte wissen, dass sie ihren Job falsch machten, das Vermögen der Aktionäre vernichteten und endlich gehen sollten. Vedder hält sich nicht mit diplomatischen Floskeln auf, sondern kommt unverblümt zur Sache; manchmal mit einem Schuss Sarkasmus. Einem Widersacher hat er mal angekündigt, es werde ihm eine wahre Freude sein, dessen weiteren Berufsweg "wohlwollend" zu begleiten.

Nach dem Sex-Skandal musste Ergo viel Spott einstecken. (Foto: Getty Images)

Nikolaus von Bomhard, Vorstandschef des Versicherungskonzerns Munich Re, dürfte bald Post von Vedder bekommen. Keine Rücktrittsforderung, aber eine saftige Rechnung. Der Investor, der einst die Commerzbank aufgemischt und bei Konzernen von Metro bis Horten mitgemischt hat, will Schadenersatz. Als Ausgleich dafür, dass ihn die Munich-Re-Tochter Ergo bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wegen versuchten Betruges und anderer Delikte angezeigt hatte. Die Strafverfolger begannen zu ermitteln, stellten das Verfahren jetzt aber ein, da kein "hinreichender Tatverdacht" vorliege. Keine Anklage, kein Prozess gegen Vedder.

Der ist unschuldig und will nun das tun, was er bereits angekündigt hat: Ergo beziehungsweise Munich Re wegen übler Nachrede und Rufschädigung verklagen. Eine Milliarde Euro will Vedders Goldsmith Group verlangen. Die verleumderischen Anschuldigungen hätten ihm schwer zugesetzt, Geschäftspartner hätten sich zurückgezogen. Offen sei, ob die Klage in Deutschland oder den USA eingereicht werde.

Der Streit führt mitten hinein in hässliche Vorgänge und in eine Affäre bei Ergo, die sogar dazu geführt hatte, dass dem Versicherer seine prominenteste Werbefigur weggelaufen war: Jürgen Klopp, Meistertrainer von Borussia Dortmund. Ergo, hervorgegangen aus den Assekuranz-Gesellschaften Victoria und Hamburger-Mannheimer, hatte vor Jahren erfolgreiche Vertreter mit einer Sex-Sause in Budapest belohnt. Außerdem soll Ergo falsch über Policen informiert und Provisionen falsch abgerechnet haben.

Zwei Anwälte und eben auch Vedder traten als Mediatoren auf, die zwischen angeblich hintergangenen Ergo-Vertretern und dem Versicherer vermitteln wollten. Vedder hat so etwas schon öfter getan, meist erfolgreich, und dafür zahlreiche Dankesbriefe erhalten. Auch zwischen der Deutschen Bank und Leo Kirch beziehungsweise dessen Erben versuchte der Investor zu schlichten. In diesem Fall klappte das aber nicht.

Zehn Millionen Google-Treffer für "Ergo" und "Sex"

Als Vedder und die beiden Anwälte Ergo 2011 mit möglichen Forderungen von Versicherungsvertretern von 100 Millionen Euro konfrontierten und Lösungsvorschläge unterbreiteten, fühlte sich die Munich-Re-Tochter genötigt und schaltete die Staatsanwaltschaft ein. Vedder, der an einer Einigung mitverdient hätte, soll indirekt mit einer Veröffentlichung in der Presse gedroht haben. Der Investor wies das zurück, er habe lediglich helfen wollen und einen Ausgleichs-Fonds von 50 Millionen Euro vorgeschlagen.

Der Streit eskalierte. Vor wenigen Wochen bombardierten Vedder und andere Aktionäre bei der Hauptversammlung von Munich Re Vorstandschef Bomhard mit Fragen und Vorwürfen. Eine Vermögensverwalterin aus Köln schilderte empört, wenn man bei Google die Wörter "Ergo" und "Versicherung" eingebe, folgten zwei Millionen Hinweise. Bei "Ergo" und "Sex" hingegen zehn Millionen.

Auch Vedder begab sich ans Mikrofon, stellte sich als "Aktionär, Fonds-Verwalter und ab und zu auch Rentner" vor und wollte von Bomhard wissen, was dieser zu dem Desaster bei Ergo sage. Und zu der Strafanzeige gegen ihn, Vedder.

Bomhard antwortete, bei der Sex-Sause gebe es nichts zu beschönigen, das sei eine "eklatante Verletzung sämtlicher Standards bei Ergo und Munich Re" gewesen. Man habe aber alles aufgeklärt und Konsequenzen gezogen. Die Strafanzeige gegen Vedder und andere, die hielt Bomhard für gerechtfertigt. Ehemalige Vermittler hätten Ergo unter Druck gesetzt, um eine "möglichst hohe Summe herauszuholen". Wenn sich ein Unternehmen falschen Vorwürfen ausgesetzt sehe, dann sei es "das gute Recht, die Staatsanwaltschaft einzuschalten". Dass Bomhard Vedders Schadenersatzforderung rundweg ablehnen wird, kann man sich leicht ausmalen.

© SZ vom 08.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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