Nachhaltig bauen:Vom Acker in die Wand: Haus aus heimischen Rohstoffen

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Ein Handwerker holt einen Strohballen als Dämmung für Bauteile eines Gebäudes. In Michelstadt entsteht ein Büro- und Betriebsgebäude aus Holz und Stroh. (Foto: Oliver Pietschmann/dpa/Produktion)

Für eine höhere Energieeffizienz werden Gebäude meist mit Styropor oder Mineralwolle gedämmt. Architekten aus Südhessen holen die Dämmung für ihre Gebäude aber nicht im Baumarkt, sondern beim Bauern.

Direkt aus dem dpa-Newskanal: Dieser Text wurde automatisch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernommen und von der SZ-Redaktion nicht bearbeitet.

Michelstadt (dpa) - Ein Handwerker trägt einen Strohballen durch eine Halle des Abwasserverbandes Mittlere Mümling in Südhessen. Er will das Stroh aber nicht in Ställen für Pferde oder Kühe auslegen, er baut ein Haus. Sein klimaschonendes Baumaterial kommt vom heimischen Acker und aus dem Wald nebenan.

Auf dem Areal entsteht ein mit Stroh hochgedämmtes, Treibhausgase speicherndes, fast vollständig recycelbares dreigeschossiges Gebäude. „Wir können gleich teuer bauen mit maximaler Klimaschonung“, sagt Tilman Schäberle vom Architektenbüro „Shakti Haus“ aus Bad König zum Vergleich mit herkömmlichen Bauweisen. „Teurer landen wir definitiv nicht.“

In Zeiten, in denen wegen der Energieeffizienz aller Orten bei Bauten von Dämmung gesprochen wird, holen Schäberle und seine Partnerin Susanne Körner die Dämmung beim Bauern ab. Gut ein Dutzend dieser Gebäude haben die beiden in den vergangenen Jahren konzipiert und gebaut. Für sie ist es aber das erste öffentliche Gebäude, dass sie bauen. Hier gebe es bei Hallen, Schulen oder auch Kindergärten durchaus Potenzial. Und: „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, das gibt es seit mehr als 100 Jahren“, sagt Körner.

Strohballenbau kommt aus der Nische heraus

Bei allen Diskussionen um Einsparpotenziale beim Energieverbrauch, Nachverdichtung und fehlendem bezahlbaren Wohnraum setzen auch Städte auf nachhaltiges Bauen. So hat Darmstadt jüngst einen Preis ausgelobt. Der „Klimapreis für nachhaltiges Bauen“ umfasse unter anderem Themen wie Energieeffizienz oder auch nachhaltige Baustoffe.

„Die Entwicklungen der letzten fünf bis zehn Jahre zeigen, dass sich der Strohballenbau langsam aus einer Nische herausbewegt“, sagt Adina Lange vom Fachverband Strohballenbau Deutschland. So würden in Lüneburg Mehrfamilienhäuser und auch ein öffentlicher Hort realisiert.

Der überwiegende Teil der Bauherren sei allerdings privat. Das könne sich in Zukunft aber ändern, da diese Häuser eine ausgezeichnete Klimabilanz mit sich bringen. Nach Angaben des Verbandes gibt es derzeit in Deutschland rund 1200 Häuser in dieser Bauart. Jährlich würden rund 50 neue dazukommen.

Nachwachsende Rohstoffe aus der Nachbarschaft

„Wir haben Nachhaltigkeitskonzepte erstellen lassen“, sagt der Geschäftsführer des Michelstädter Abwasserbetriebes, Gunnar Krannich. Nachhaltigkeit sei schon lange ein Thema und man habe gezielt Architekten gesucht, die sich im Strohballenbau bereits profiliert haben. Das Projekt sei nachhaltig und regional. Das Holz für das Gerüst stamme aus dem Michelstädter Forst. Das zu Quadern und nicht zu Rundballen gepresste Stroh von einem Bauernhof in Höchst im Odenwald - nachwachsende Rohstoffe aus der Nachbarschaft.

Für das Gebäude werden insgesamt rund 120 Kubikmeter Holz aus dem lokalen Wald verbaut für Außenwände, Innenwände, Dach, Decken, Fassade, Aussteifung, Beplankung der Innen- und Außenwände, zudem rund 1200 Strohballen. Der Stückpreis liegt bei 2,50 bis 3 Euro. „Das sind schon richtige Mengen, die da drin stecken“, sagt Körner über das geplante mehrgeschossige Büro- und Betriebsgebäude mit einer Nutzfläche von 310 Quadratmetern.

So wenig Abfall wie möglich

Nach Angaben von Krannich wird zudem versucht, so wenig Abfall wie möglich zu produzieren. „Wir lassen wenig übrig.“ 50 Prozent des Mülls entstehe beim Bau. Weit unter zehn Prozent des Baumaterials sei nicht aus nachwachsenden Rohstoffen, wie zum Beispiel die Schrauben, Stahlträger oder auch Aluminiumteile.

Nach Angaben von Körner und Schäberle bauen sie zum ersten Mal ausschließlich mit heimischen Produkten. Wegen der Strohquader habe man mehrere Landwirte kontaktieren müssen. Beim Bau werden die Wände in einer Halle vorproduziert und dann in einer Art Fertigbauweise am geplanten Standort zusammengesetzt.

Das Vorproduzieren in der Halle sei auch nötig, damit das Stroh nicht nass werde. Die vorproduzierten Bauteile werden schließlich mit Platten luft- und winddicht versiegelt. Und Körner räumt auch weitere etwaige Ängste aus: „Die Strohballen sind frei von Mäusen oder anderen krabbelnden Tieren.“

© dpa-infocom, dpa:230522-99-779845/3

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