Anschläge in Paris:Was der Terror für die Wirtschaft bedeutet

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Mitarbeiter der Börse Euronext in Paris (Foto: Ian Langsdon/dpa)
  • Wenn Finanzmärkte in Panik geraten, explodiert häufig die Nachfrage nach Bundesanleihen. Das blieb nach den Anschlägen in Paris bislang aus.
  • Generell schmälern Terroranschläge das Vertrauen der Anleger und machen sie ängstlicher.

Analyse von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Martin Blessing, der Vorstandschef der Commerzbank möchte in dieser Woche eine der Konzernfilialen in Paris besuchen, um den dortigen Mitarbeitern persönlich sein Mitgefühl auszudrücken. In seinem Brief an die Bankbelegschaft in der französischen Hauptstadt schrieb Blessing am Montag, wie "erschüttert und fassungslos" man im Vorstand die Terroranschläge verfolgt habe.

Es fällt schwer, in diesen Tagen über die ökonomischen Konsequenzen des Terrors zu sprechen, da viele Familien den Tod ihrer Angehörigen beklagen. Aus den Stellungnahmen der Wirtschaftsexperten und Amtsträger lässt sich diese Hemmung heraushören. Jeder ist erschüttert.

"Meine Reaktion war, wie bei jedem Mensch, dass das ganz schlimm ist. Und natürlich war ich sofort in großer Sorge, denn das, was passiert ist, kommt ja zu den ganzen Problemen hinzu, die wir in Europa haben", sagte der Vize-Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Vítor Constâncio, am Montag auf der Finanzmarktkonferenz Euro Finance in Frankfurt. Es sei aber noch zu früh zu sagen, welche Folgen das für die Konjunktur und die Finanzmärkte haben werde. Das hänge stark davon ab, ob es weitere Anschläge geben wird. Wenn ja, dann könne die Furcht vor Risiken wachsen und das Vertrauen schwinden.

"Fluchtweg Bundesanleihe" blieb nach Anschlägen aus

Der Präsident des Bankenverbandes und Co-Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, sagte: "Die schrecklichen Terrorattentate in Paris erfüllen uns mit Trauer und Entsetzen. In Gedanken sind wir bei unseren französischen Freunden und besonders bei den Familien und Angehörigen der Opfer." Dieser Anschlag sei ein Angriff auf die offenen europäischen Gesellschaften, auf ihre Freizügigkeit, ihren Pluralismus und auf unsere demokratische Grundordnung.

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An den Börsen blieb es relativ ruhig. Die Nachfrage nach Bundesanleihen hielt sich in Grenzen, was dafür spricht, dass die Investoren trotz ihrer Erschütterung kühlen Kopf bewahrt haben. Wenn die Finanzmärkte wirklich in Panik geraten, dann stecken viele Vermögensverwalter das Geld der Anleger in den mutmaßlich sicheren Hafen deutscher Schuldscheine. Diese Fluchtbewegung blieb aus. Bundesanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren warfen eine nahezu unveränderte Rendite von 0,55 Prozent ab.

Auch an den Aktienmärkten gab es keine starken Kursbewegungen. Nur einzelne Aktien, vor allem aus der Luftfahrt- und Tourismusbranche, verbuchten einen stärkeren Preisverfall. "Anleger fürchten, dass die Attentate Auswirkungen auf den Tourismus haben und die Leute weniger reisen werden", sagte ein Händler. An der französischen Börse rutschten die Aktien des größten europäischen Hotelbetreibers Accor und der Fluggesellschaft Air France-KLM zeitweise um 9,3 und 7,2 Prozent ab. Die Papiere der British-Airways-Mutter IAG und Inter Continental Hotels gaben in der Spitze jeweils mehr als vier Prozent nach. Die Aktien der Betreibergesellschaft des Eurotunnels verloren bis zu 4,7 Prozent. Im Dax verbuchten die Lufthansa-Aktien ein Minus von drei Prozent . Der Dax notiert im Laufe des Montags nahezu unverändert im Vergleich zu Freitag. Die Gesamtwirtschaft, so also die gemeinschaftliche Einschätzung der Investoren, gilt als robust.

Mehr Geld für Polizei und Militär als Reaktion

"Die Erfahrung zeigt, dass Terrorakte dieser Art, wie etwa 2004 der Bombenanschlag auf einen Bahnhof von Madrid oder die Bombenattentate 2005 in London, die wirtschaftliche Entwicklung in den westlichen Staaten nicht behindern", sagte Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank. "Als Reaktion auf die Terroranschläge werden die Regierungen mehr Geld für Polizei und Militär aufwenden", so Schmieding. Insgesamt, so seine Erwartung, würden die Staatshaushalte mehr Defizite machen. Diese Ausgaben stützten die Wirtschaft.

Auch von der EZB könnte es bald mehr Geld geben. Die Notenbank diskutiert, ob sie ihr aktuelles Kaufprogramm bei der nächsten EZB-Ratssitzung Anfang Dezember erweitert. Seit März pumpt die EZB monatlich 60 Milliarden Euro in den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Das soll Konjunktur und Inflation anschieben. Constâncio sagte, die EZB werde ihren aktuellen Kurs des extrem billigen Geldes vorerst beibehalten. Das aktuelle Kaufprogramm werde so lange laufen, bis die Inflation sich wieder dem Zwei-Prozent-Ziel annähere. Darüber hinaus erwägt die EZB auch, den Strafzins für Banken weiter zu erhöhen. So sollen die Institute gezwungen werden, mehr Kredite zu vergeben. Experten bezweifeln, ob die Maßnahme der Wirtschaft wirklich hilft. EZB-Vize Constâncio sagte: "Wir tun was wir tun können."

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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