Nach Angriff auf Berlusconi:Das Internet ist schuld

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Nach der Attacke auf Silvio Berlusconi feiern Facebook-Nutzer den Angreifer. Das könnte der italienischen Regierung einen Vorwand liefern, der freien Rede im Netz deutliche Grenzen zu setzen.

Johannes Kuhn

Nichts reist im Web so schnell wie die Schadenfreude. Während die Medien noch aufgeregt die Attacke auf Silvio Berlusconi vermeldeten, bildete sich auf dem sozialen Netzwerk Facebook bereits eine Bewegung, die alles andere als Betroffenheit über den Angriff auf Italiens Ministerpräsidenten verlauten ließ: Facebook-Nutzer richteten Massimo Tartaglia, der Berlusconi eine Souvenir-Nachbildung des Mailänder Doms ins Gesicht geworfen hatte, eine eigene Fanseite ein.

Der Angriff auf Silvio-Berlusconi hat nicht nur neue Souvenirs, sondern auch eine Debatte über das Netz hervorgebracht (Foto: Foto: AFP)

In weniger als 48 Stunden, so berichten Medien wie die New York Times , hatten sich fast 100.000 Facebook-Nutzer als Tartaglia-Fans registriert, Sprüche wie "Du bist ein Held", "Massimo, bitte heirate mich" oder "Wir lehnen jegliche Form der Gewalt ab, doch der Anblick von Berlusconis ramponiertem Gesicht ist unbezahlbar" machten die Runde.

Das wiederum brachte Italiens Innenminister auf die Palme: "Das ist eine Schande", schimpfte Roberto Maroni am Dienstag im Parlament, "Wenige Minuten nach dem Angriff haben sich über 300 Gruppen gebildet, die die Tat feierten. Verherrlichung der Gewalt ist in Italien ein Verbrechen. Wir sind besorgt, weil das Internet viele Menschen, vor allem Jugendliche, beeinflussen kann." Plattformen wie Facebook dürften nicht für "Hass-Kampagnen" missbraucht werden, die letztlich auch zu solchen Angriffen wie den auf Berlusconi führten.

Freunde und Feinde Berlusconis auf Facebook

Bereits kurz darauf verschwand die Fanseite, offensichtlich hatte Facebook eingelenkt. "Es ist bei Facebook nicht erlaubt, Gewalt zu fördern oder Inhalte mit Drohungen einzustellen", ließ das Unternehmen verlauten. Allerdings sind andere Gruppen mit ähnlichem Inhalt weiter dort zu finden - und entstehen stündlich neu. Doch auch die Gegenseite ist wenig zimperlich - in Dutzenden Gruppen wird der Angreifer Tartaglia als Bastard beschimpft. Zudem beklagten sich zahlreiche Nutzer, ohne ihr Wissen in Pro-Berlusconi-Gruppen wie "Danke, Silvio" aufzutauchen.

Es ist nicht die erste Kontroverse dieser Art in Italien: Auf politischen Druck hatte Facebook im Oktober einige Gruppen vom Netz genommen, in denen zum Mord an Berlusconi aufgerufen wurde. Bürgerrechtler befürchten, dass der neuerliche Streit um den Umgang mit Internet-Schmähungen gegen Politiker die Regierung dazu bringen könnte, die Meinungsäußerung im Netz strenger zu reglementieren. "Wenn etwas Schlimmes passiert, ist die erste Reaktion der Behörden, die Online-Zensur zu verschärfen", sagt die Bürgerrechts-Anwältin Andrea Monti im Christian Science Monitor.

Aufgrund der Medienmacht Berlusconis werden unabhängige Blogs und soziale Netzwerke für die jüngere Generation Italiens immer wichtiger. Anfang Dezember folgten Zehntausende Italiener dem Aufruf oppositioneller Blogger, gegen Berlusconi zu protestieren.

Politiker misstrauen dem Netz

Doch die Vielfalt des Internets scheint einigen Politikern ein Dorn im Auge: Bereits im Februar hatte der christdemokratische Senator Gianpiero D'Alia ein Gesetz ins Gespräch gebracht, wonach italienische Internetanbieter innerhalb von 24 Stunden allen Nutzern im Land den Zugang zu Seiten wie Facebook sperren müssten, sollten dort kriminelle Aktivitäten verharmlost werden. Damals hatte eine Facebook-Gruppe dem Mafiapaten Bernardo Provenzano gehuldigt. Vor einigen Wochen verklagte der umstrittene Senator Totó Cuffaro 4600 YouTube-Nutzer, die unter einem für ihn wenig schmeichelhaften YouTube-Video einen Kommentar hinterlassen hatten.

Bereits jetzt hat Italien strenge Internetgesetze. Im Jahre 2001 unterwarf man Blogs der Zeitungsgesetzgebung von 1948, die nach dem Krieg die Wiederauferstehung faschistischer Medien verhindern sollte: Demnach müssen Blogger sich prinzipiell bei den örtlichen Behörden registrieren. Das Gesetz wurde bislang allerdings nur in wenigen Fällen angewendet. Als Folge des 11. September 2001 sind zudem die Betreiber von Internetcafés verpflichtet, sich von ihren Kunden den Ausweis zeigen zu lassen.

Italiens Innenminister Maroni hat angekündigt, dem Kabinett am Donnerstag einen Gesetzentwurf zum Umgang mit Schmähungen im Netz vorzustellen. Details verrät er nicht: "Es ist ein empfindliches Thema, weil es die Meinungsfreiheit im Web und in der Öffentlichkeit betrifft." Der Angriff auf Berlusconi könnte schnell ein zweites Opfer fordern: Das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet.

Im Video: Nach einer Rede in Mailand wurde der italienische Ministerpräsident von einem verwirrten Mann angegriffen und verletzt.

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