Mobile World Congress:Das Handy als Fernseher

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UMTS war gestern: Auf dem Mobile World Congress in Barcelona wollen die Hersteller ultraschnelle Handys zeigen, mit denen sogar Fernsehübertragungen möglich sind.

Helmut Martin-Jung

Ein Handybesitzer, der sich beim Gehen über eine live heruntergeladene Straßenkarte versichert, auf dem richtigen Weg zu sein, das ist im Zeitalter des schnellen Datenfunks UMTS und komfortabler, mit einem Fingerwisch steuerbarer Endgeräte alltäglich geworden.

Mobile World Congress in Barcelona: Das Branchentreffen steht im Zeichen des neuen Übertragungsstandards LTE (Foto: Foto: AFP)

Dabei beklagte sich vor gerade einmal drei Jahren die Branche bei ihrem Familientreffen - dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona - noch bitterlich darüber, dass die teuer aufgebaute Mobiltechnik der dritten Generation einfach nicht in die Gänge komme.

Drei Jahre, ein iPhone und viele Nachahmer-Handys später setzt die Industrie nun zum nächsten Sprung an. Beim MWC 2010, der am heutigen Montag in Barcelona beginnt, wollen Hersteller die ersten Handys zeigen, die den Standard Long Term Evolution (LTE) beherrschen, den designierten Nachfolger von UMTS. Versprochen werden dabei Geschwindigkeiten von zunächst 100Mbit pro Sekunde, die derzeit selbst über stationäre Glasfaser- oder Kabelanschlüsse nur wenige Anbieter an die Endkunden liefern können.

Fernsehen über das Handy

Damit gewinnen auch Überlegungen wieder an Fahrt, die viele schon abgeschrieben hatten: Fernsehen über mobile Endgeräte. Natürlich kann man beispielsweise digitales Antennenfernsehen mittlerweile auch auf der Autobahn bei hoher Geschwindigkeit empfangen, dazu müssen allerdings schon zwei Antennen außen am Auto angebracht sein.

Bei den Handys setzte sich der DVB-T-Standard jedoch nicht richtig durch. Ein regelrechter Flop war der speziell auf Handys zugeschnittene Standard DVB-H, am Ende ließ der Inhaber der entsprechenden Lizenz diese einfach verfallen.

Wenn nun aber mit LTE im digitalen Mobilfunk so viel Bandbreite zur Verfügung steht und mit den sogenannten Tablet-PCs wie Apples iPad eine neue Geräteklasse auf den Markt kommt, die Mobilität mit größeren Bildschirmen kombiniert, beflügelt das die Phantasien. Im März, so heißt es nun, soll die Lizenz für DVB-H erneut vergeben werden.

Auch Apples geradezu herbeigesehnter Tablet-PC macht vielen in der Branche Hoffnung - er tat das sogar schon, als es noch nicht mehr war als ein raffiniert gestreutes Gerücht. An Tablets haben sich schon viele Hersteller versucht, bisher ohne nennenswerten Erfolg.

Mit den Berührungsbildschirmen, die sich allmählich zu einem Standard entwickeln, und stromsparenden, aber vergleichsweise flotten Prozessoren und vor allem mit einer herangewachsenen Kundschaft, die ihr Leben mehr und mehr mit dem Internet verwebt, stehen die Chancen diesmal um einiges besser, dass die neue Kategorie einschlägt. Die Mobilfunkbranche ist dabei zumindest bei der Anbindung der Geräte ans mobile Internet mit von der Partie.

Solche Entwicklungen zu verpassen, das ist die große Gefahr bei großen Firmen wie Nokia und Microsoft. Nokia, einst mit der Communicator-Reihe vorne dabei, hinkt bei den leistungsfähigen und gewinnträchtigeren Smartphones hinterher, wiewohl die Finnen immer noch die meisten Handys weltweit verkaufen - darunter allerdings viele billige, bei denen die Gewinnspanne nicht sehr hoch ist.

Auch Microsoft, das einst mit seinem mobilen Windows eine gute Basis vor allem unter Geschäftskunden hatte, konnte dem iPhone und den Blackberrys nichts ähnlich Smartes entgegensetzen. Es wird erwartet, dass Microsoft in Barcelona zumindest eine Vorabversion von Windows Mobile 7 zeigen wird - das soll wenigstens so erfolgreich wie das PC-Betriebssystems gleichen Namens werden.

Denn die Konkurrenz auf diesem schnelllebigen Markt ist für Microsoft auf jeden Fall größer als auf dem für PCs; neben anderen ist Google bereits seit längerem mit dem Betriebssystem Android auf dem Markt, das zusehends heranreift.

Das mit großen Hallo präsentierte Google-Handy Nexus One entwickelt sich unterdessen nicht zu dem Verkaufsschlager, den der Suchmaschinenkonzern sich erhofft hatte. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass das Gerät zum Beispiel in Europa nur auf Umwegen zu haben ist. Barcelona wäre eine gute Gelegenheit für Google, das zu ändern.

Bezahlen mit dem Handy

Auf Barcelona hoffen aber nicht bloß die Hersteller von Endgeräten, sondern auch alle diejenigen, die Verbraucher kaum zu Gesicht bekommen - die Lieferanten der Technik zum Beispiel, die im Hintergrund dafür sorgt, dass die Handys und Surfsticks auch funktionieren. Auch hier wird einer der Schwerpunkte auf der neuen Technik LTE liegen.

Weil diese aber viele Investitionen in die Netztechnik erfordert, setzen einige Hersteller darauf, die bestehende Technik weiter auszureizen. So will beispielsweise Ericsson Geräte zeigen, die über den aufgebohrten Standard HSPA+ bis zu 84 Mbit pro Sekunde übertragen sollen - das ist bereits nahe bei LTE.

Im Hintergrund arbeiten auch Hersteller wie Gemalto, die demonstrieren wollen, dass die Technik endlich reif dafür ist, Handys als Zahlungsmittel zu benutzen. Damit ließe sich zum Beispiel das Gefummel nach Kleingeld am Fahrkartenautomaten elegant umgehen, verspricht die Industrie. Bisher ist man, abgesehen von einigen Versuchsprojekten allerdings den Beweis schuldig, dass die neue Technik sich auch auf breiter Basis durchsetzen kann.

© SZ vom 15.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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