Metallindustrie:Wer auf den Staat wartet, verliert

Die IG Metall hat für 3,8 Millionen Beschäftigte eine Lohnerhöhung um 4,8 Prozent bewirkt. (Foto: dpa)

Die Bürger verlassen sich darauf, dass der Staat umverteilt. Doch wenn Gewerkschaften wie die IG Metall für Gerechtigkeit kämpfen, geht es schneller.

Kommentar von Detlef Esslinger

Bei der Beurteilung eines Geschäfts lautet ein Kriterium, ob beide Partner zufrieden sind. So gesehen ist der neue Tarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie besser als der vom vergangenen Mal. Den hielt nur die IG Metall für einen Erfolg, während sich viele Arbeitgeber erpresst fühlten. Also forderten sie nun eine Kehrtwende ein.

Auf den ersten Blick erstaunlich ist, dass sie es nicht so schlimm finden müssen, dieses Ziel verpasst zu haben. Zwar bedeuten die Lohnerhöhung um gut 4,8 Prozent und die Einmalzahlung von 150 Euro für sie eine kaum geringer gewordene Belastung. Aber diesmal gibt es für Firmen, welche sich damit überfordert fühlen, die Möglichkeit, die Einmalzahlung einzusparen sowie einen Teil der Tariferhöhung zu verschieben. Diese Option hatten sie bisher nicht - und es waren ja die Vertreter von schlecht laufenden Firmen, die ihren Verhandlern in den Ohren lagen, nicht die von BMW.

Die IG Metall hingegen hat ihren Ruf als erfolgreiche Arbeitnehmer-Selbsthilfe bestätigt. Es hebt ja derzeit erneut eine Gerechtigkeitsdebatte an, Bürger erwarten, dass der Staat mittels Steuerpolitik das Geld umverteilt; sie sind sicher, damit im Recht zu sein. Diejenigen Bürger aber, die als Mitglieder der IG Metall eine Gewerkschaft stärken, dürfen wieder einmal die Erfahrung machen, Recht zu bekommen. Wer eine Tariferhöhung erkämpft, erreicht persönlich schneller eine Form von Gerechtigkeit als derjenige, dem nur einfällt, auf den Staat zu warten.

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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