Autoindustrie:Mercedes-Kunden fahren lieber Verbrenner

Lesezeit: 2 min

Nicht so gefragt: Ein neues elektrisches G-Klasse-Modell von Mercedes. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Der Autobauer geht davon aus, dass er bis 2030 doch nicht mehr als die Hälfte aller Wagen als Elektro-Modell verkauft. Ein Strategiewechsel? Davon will Mercedes-Chef Källenius nicht sprechen.

Von Christina Kunkel, Stuttgart

Sosehr sich Mercedes-Chef Ola Källenius auch bemüht, einen Strategiewechsel zu verneinen - die Zahlen, die der Stuttgarter Autohersteller am Donnerstag in seiner Jahresbilanz als Ausblick präsentierte, sprechen eine andere Sprache. Und die lautet: Wir waren zu optimistisch, was den Absatz der Elektroautos angeht. Die Kunden wollen weiterhin in erster Linie Verbrenner - und Mercedes verspricht: Wir werden liefern, solange die Nachfrage da ist. Das könnte, so sagt es Källenius, bis in die 30er-Jahre hinein dauern.

Die offiziellen Ansagen zum Ende des Verbrennungsmotors bei Mercedes enthielten schon immer einen kleinen Nebensatz, der jetzt jedoch deutlich stärker betont wird. "Wo die Marktbedingungen es zulassen", hieß es immer, wolle man bis 2030 nur noch Elektroautos verkaufen. Das Versprechen: Mercedes bietet bis Ende des Jahrzehnts in allen Segmenten so gute Elektroautos an, dass die Kunden gar keinen Grund mehr haben, noch ein Diesel- oder Benzin-Modell zu kaufen. Offenbar ist man in Stuttgart jetzt nicht mehr davon überzeugt, dass diese Strategie aufgeht.

Bei der Bilanz-Vorstellung fallen die neuen Prognosen plötzlich deutlich defensiver aus: "Bis zu 50 Prozent" soll der Elektroanteil bei den Neuzulassungen in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts betragen, wohlgemerkt sind dabei auch Hybrid-Autos eingerechnet. Eine Elektroquote für 2030 wollen die Stuttgarter nicht nennen. Damit setzt Mercedes seine Ziele niedriger an als der Konkurrent BMW, der 2030 mindestens die Hälfte aller Fahrzeuge vollelektrisch verkaufen will. Für das aktuelle Jahr rechnet Mercedes mit einem Elektroanteil von rund 20 Prozent.

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Oder war sie nie richtig weg? Wenn man Verkehrsminister Wissing und Mercedes-Chef Källenius zuhört, scheint es jedenfalls, als würde das auf 2035 terminierte Aus für Benzin- und Dieselmotoren wackeln. Was dafür spricht - und was dagegen.

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Es ist ein schwieriger Spagat, den die Stuttgarter gerade vor sich haben

"Wir brauchen taktische Flexibilität", erläutert Källenius den Plan für die kommenden Jahre. Verbrenner-Modelle werden weiter Updates bekommen. Bezeichnend auch, dass das erste Modell, von dem der Mercedes-Chef bei seiner Präsentation schwärmte, die neue nichtelektrische E-Klasse war.

Es ist ein schwieriger Spagat, den die Stuttgarter gerade zu bewältigen haben. "Es ist kein Geheimnis, dass die Margen niedriger sind bei Elektroautos als bei Verbrennern", sagt Mercedes-Finanzvorstand Harald Wilhelm. Das werde auch noch eine Weile so bleiben. Insofern hilft es dem Autohersteller in seiner Bilanz aktuell, wenn jetzt entgegen den Erwartungen Verbrenner gefragt sind.

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Doch gleichzeitig investiert Mercedes weiterhin Milliarden Euro in den Umbau hin zur E-Mobilität. Das Ziel bleibe bestehen, betont Konzernchef Källenius: 2039 will das Unternehmen komplett CO₂-neutral sein. Nur das Tempo dorthin hat sich offenbar verlangsamt. Das liege auch daran, dass E-Mobilität eher vom Wachstum in Segmenten getrieben wird, die günstiger sind als die Luxusautos von Mercedes.

Das soll sich in den kommenden beiden Jahren ändern, wenn zunächst der elektrische CLA als neues Einstiegsauto und danach auch elektrische Versionen der C-Klasse und des GLC auf den Markt kommen. Doch die vorsichtigen Prognosen zum E-Auto-Anteil bis 2030 deuten auch darauf hin, dass sie trotz der neuen Modelle mit Reichweiten von mehr als 700 Kilometern davon ausgehen, dass der Großteil der Kunden sich dennoch für einen Verbrenner entscheiden wird.

Die Zahlen für 2023 zeigen ein kleines Schwächeln. Der Konzern-Umsatz stieg zwar leicht auf 153,2 Milliarden Euro, der Gewinn ging um vier Prozent auf 19,7 Milliarden Euro zurück. Und auch der Ausblick für 2024 ist verhalten: Im laufenden Jahr soll das Ergebnis leicht sinken. In der Hauptsparte Pkw ging die Gewinnmarge 2023 um zwei Prozentpunkte auf 12,6 Prozent zurück. In diesem Jahr könnte es noch weiter nach unten gehen, da Mercedes aktuell eine Spanne von zehn bis zwölf Prozent ausgibt. Die kleinere Van-Sparte hübschte das Konzernergebnis zumindest ein bisschen auf. Dort stieg der Gewinn um fast zwei Drittel auf rund drei Milliarden Euro, die Marge ging von elf auf 15,5 Prozent nach oben.

Und auch wenn die Geschäfte etwas schwächer liefen: für 91 000 Mitarbeiter in Deutschland gibt es gute Nachrichten: Der Konzern zahlt ihnen einen Rekordbonus von 7300 Euro.

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