Mehrwertsteuersenkung:Warum Diesel-Fahrer stärker profitieren

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Die Regierung hat die Mehrwertsteuer gesenkt. Aber werden Einkäufe wirklich billiger? Ökonomen haben sich an den Tankstellen umgeschaut - und einen Effekt gefunden, der auch für andere Branchen gelten könnte.

Von Frida Preuß, München

Die gesenkte Mehrwertsteuer ist für die Verbraucher längst nicht so lohnend, wie sie es sein könnte. Das zeigt - zumindest für Diesel und Benzin - eine Studie von Münchner Ökonomen rund um Monika Schnitzer. Sie sitzt im Sachverständigenrat, dem Beratergremium der Bundesregierung, dessen Mitglieder auch als die Wirtschaftsweisen bekannt sind.

Die Regierung hat als Teil des Corona-Konjunkturpakets die Mehrwertsteuer vom 1. Juli an für ein halbes Jahr gesenkt. Um zu prüfen, was nun passiert, haben Schnitzer und ihre Kollegen von Mitte Juni bis Ende Juli die Kraftstoffpreise an deutschen Tankstellen beobachtet. Diese sollten wie die für alle Waren rechnerisch um 2,5 Prozent fallen, wenn die Mehrwertsteuer von 19 und 16 Prozent gesenkt wird. Das ist an den Tankstellen aber nicht in Gänze geschehen.

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Der Preis für Diesel sank im Schnitt um zwei Prozent, E10 wurde um 1,5 Prozent günstiger, E5 um ein Prozent. Dementsprechend seien die Verkaufsmargen bei Benzin um mindestens zehn Prozent gestiegen, sagen die Forscher. Teilweise geben die Tankstellen also einen erheblichen Teil der Ersparnis nicht an die Kunden weiter. Bei E5 und E10 kamen im Schnitt nur 40 beziehungsweise 61 Prozent der Erleichterung bei den Verbrauchern an. Beim Diesel waren es mit 82 Prozent zwar deutlich mehr, doch auch hier profitierten die Autofahrer nicht in vollem Maße.

Den deutlichen Unterschied zwischen Benzin und Diesel erklären sich die Wissenschaftler durch verschiedene Kundschaften. "Dieselfahrer sind im Schnitt mehr als doppelt so viel mit dem Auto unterwegs und achten daher vermutlich mehr auf den Preis", sagt Felix Montag, Co-Autor der Studie. Das erhöhe den Anreiz für Tankstellen, den Dieselpreis möglichst niedrig zu halten. Schließlich wollen sie anderen Anbietern gegenüber möglichst wettbewerbsfähig bleiben. Die Preisempfindlichkeit der Konsumenten könnte beeinflussen, wie stark die Mehrwertsteuersenkung letztendlich weitergegeben wird, sagt Montag. Er und seine Kolleginnen vermuten, dass dieser Effekt in anderen Branchen ähnlich ist: Überall dort, wo Menschen genau auf den Preis achten, erfülle die Mehrwertsteuersenkung ihren Zweck und entlaste die Verbraucher. In Bereichen, in denen Konsumenten weniger Preise vergleichen, bleibe die Steuerersparnis umgekehrt häufiger bei den Unternehmen - merkt ja keiner.

Ökonomen sehen mehr Fußgänger in den Einkaufsstraßen - aber auch Skepsis

Um die Auswirkungen der Konjunkturmaßnahme zu beobachten, sehen die Wissenschaftler den Kraftstoffmarkt als besonders geeignet. Denn Preise reagieren dort sehr schnell auf äußere Einflüsse, zum Beispiel auf Ölpreisschwankungen. Wie viel die Verbraucher für Diesel und Benzin zahlen, kann selbst innerhalb eines Tages stark variieren. Daher würden sich auch andere Effekte wie die Steuererleichterung auf dem Markt besonders klar abzeichnen, sagen die Ökonomen.

Auch andere Forscher untersuchen die temporäre Steuersenkung. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat die Besucherzahlen in Deutschlands Einkaufsstraßen beobachtet. Daraus wollen die Kölner Ökonomen schließen, wie viele Menschen die Steuersenkung zu einer zusätzlichen Shoppingtour verleitet hat. Im Juli waren in den untersuchten Städten 4,2 Millionen Passanten mehr unterwegs als noch im Juni. 40 Prozent dieser Besucher seien laut den Berechnungen der Ökonomen auf die gesunkene Mehrwertsteuer zurückzuführen. Skepsis kommt hingegen von der Hans-Böckler-Stiftung: In einer Umfrage des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung sagten knapp 75 Prozent von rund 6300 Erwerbstätigen, ihr Kaufverhalten bis zum Jahresende nicht verändern zu wollen.

© SZ vom 27.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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