Markenexperte Brandmeyer zu Opel:"Es ist ein Jammer"

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Chaos und Erfolglosigkeit: Warum dem angezählten Autohersteller Opel derzeit selbst eine Imagekampagne nichts bringen würde, erklärt Markenexperte Klaus Brandmeyer.

Melanie Ahlemeier

Professor Klaus Brandmeyer ist Gründer der Brandmeyer Markenberatung in Hamburg. Er hat mehrere Bücher zum Thema Marke veröffentlicht und ist Gastprofessor an mehreren Hochschulen, unter anderem in Berlin und Wien.

Demo für Opel: Tausende Mitarbeiter bangen um ihre Jobs. (Foto: Foto: AP)

sueddeutsche.de: Herr Professor Brandmeyer, Opel steckt in einer großen Krise, Ende März will die Bundesregierung über mögliche Hilfen entscheiden. Welche Imagekampagne braucht der Autohersteller jetzt?

Klaus Brandmeyer: In so einer Situation sollte man keine Imagekampagne schalten.

sueddeutsche.de: Warum nicht?

Brandmeyer: Ein Unternehmen kurz vorm Abgrund kann höchstens Werbung für seine Produkte machen - und die muss nicht nur Vertrauen in die Autos vermitteln, sondern auch in Garantien und Ersatzteile. Das ist eine ganz schwierige Situation.

sueddeutsche.de: Was verbinden Sie in erster Linie mit dem Schlagwort Opel?

Brandmeyer: Jammer.

sueddeutsche.de: Das müssen Sie erklären!

Brandmeyer: Es ist ein Jammer, wenn so eine Marke kaputtgeht. Aber es gab einfach zu viele Topmanager, die eine erfolglose Strategie gewählt haben. Und dann wird die Marke genauso Opfer wie ihre Mitarbeiter und am Ende vielleicht sogar die Kunden.

sueddeutsche.de: Warum hat Opel eigentlich so ein schlechtes Image?

Brandmeyer: Weil Opel unter dem Einfluss des US-Mutterkonzerns General Motors einen Zickzackkurs gefahren hat und die Qualitätsmaßstäbe immer wieder gesenkt hat, um - wie die Amerikaner meinten - massentauglich zu werden.

Alle drei Jahre gab es einen neuen Chef aus Amerika. Selbst Herr Forster (Anm. d. Red.: der frühere Opel-Chef und heutige Aufsichtsratsvorsitzende) blieb nicht bei Opel, sondern ging ins GM-Europa-Management. Die Autokäufer haben gemerkt, dass es bei Opel nicht mehr stimmt. Außerdem gab es zu viele Rückrufaktionen, zum Beispiel beim neuen Astra wegen Feuergefahr beim Einfüllen des Benzins.

sueddeutsche.de: Die Negativmeldungen haben sich gegenseitig potenziert?

Brandmeyer: Rückrufmeldungen in Kombination mit erfolglosen Oberklassemodellen und negativen Nachrichten über ein amerikanisiertes Management führen zu dem Gefühl, dass es sich nicht mehr um eine deutsche Qualitätsmarke handelt.

sueddeutsche.de: Wofür steht Opel heute noch?

Brandmeyer: Opel steht für untere Mittelschichtlage. Das Unternehmen hat es nie geschafft, mit überzeugenden Fahrzeugkonzepten soweit aufzusteigen, dass man eines Tages oberklassetauglich ist. Das aber kann am ehesten den Ruf einer angesehenen Marke nach oben bringen. Werbung kann das nicht ersetzen.

sueddeutsche.de: Inwiefern hat die Unternehmensführung Einfluss auf die Markenprägung?

Brandmeyer: Wenn ein Management keinen Wert auf Kontinuität legt, ferngesteuert ist und wenn in Detroit die Marke Opel nicht im Zentrum der Betrachtungen steht, dann ist eine konsequente Markenpolitik nicht möglich. Jede Abteilung macht, was sie für richtig hält.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Opel mit einer Konzentration auf Kleinwagen besser gefahren wäre.

sueddeutsche.de: Was heißt das im Umkehrschluss für eine gute Markenführung?

Klaus Brandmeyer: "Opel steht für untere Mittelschichtlage". (Foto: Foto: oH)

Brandmeyer: Dass von der Produktentwicklung bis hin zum Verkaufssalon und zum Verkaufsgespräch alles aus einem Guss ist - über Jahrzehnte. Dafür ist eine strikte Führung nötig, die sagt was geht und was nicht geht.

sueddeutsche.de: Mit dem Corsa und dem Astra ist Opel gut weggekommen. Wie erfolgversprechend wäre es gewesen, wenn sich der Hersteller ausschließlich auf Kleinwagen konzentriert hätte?

Brandmeyer: Das wäre aus meiner Sicht eine bessere Strategie gewesen. Aber auch in dem kleineren Autosegment hätte Opel sich den Wettbewerbern stellen und zeigen müssen, was in ihm steckt. Opel hätte Japan-Qualität bieten müssen, der Verbrauch hätte deutlich reduziert werden müssen.

sueddeutsche.de: Angenommen, der Bund stützt Opel mit Milliardenbürgschaften - wie lange bräuchte das Unternehmen, um wieder richtig in die Spur zu kommen?

Brandmeyer: 15 Jahre Minimum. In diesen Jahren muss eine Person diese Marke sicher führen - nach einer einmal vorgegebenen Linie - und jeden, der nicht in diesem Sinne handelt, aus der Firma rausschmeißen. Das gilt auch für die Leute in der Werbeabteilung, die sich dann diesen Strategien zu fügen haben und nicht mit irgendwelchen nichtssagenden Aussagen ein eigenes Spielchen spielen.

sueddeutsche.de: Opel in der Krise, Schiesser, Märklin und Rosenthal pleite - wie sehr leidet eigentlich derzeit die Marke Deutschland?

Brandmeyer: Die Firmenpleiten, die wir im Moment sehen, belasten das Ansehen der Marke Deutschland nicht. Kollektive Pleiten, wie beispielsweise ganzer sozialistischer Staaten, können schon eher ein ganzes Land in Verruf bringen.

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