Manfred Wennemer über Opel:"Man mogelt sich durch"

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Manfred Wennemer redet Klartext: Das Ex-Mitglied der Opel-Treuhand begrüßt zwar den Verbleib des Herstellers bei GM, doch die Überlebenschancen hält er für niedrig.

Manfred Wennemer erweist sich im Fall Opel erneut als Mahner. Nachdem der als ehemaliger Opel-Treuhandbeirat bereits gegen die Rettung durch den kanadisch-österreichischen Automobilzulieferer Magna votiert hatte, sprach er sich nun gegen Staatshilfen für den angeschlagenen Autohersteller aus.

Manfred Wennemer als Mitglied der Opel-Treuhand im September in Berlin: "Es kann nicht Aufgabe der Politik sein, einen einzelnen Wettbewerber zu retten." (Foto: Foto: dpa)

"Es kann nicht Aufgabe der Politik sein, einen einzelnen Wettbewerber zu retten", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Verantwortlich für die Opel-Sanierung sei einzig und allein die US-Konzernmutter General Motors (GM).

Denn die Arbeitsplätze, die bei Opel mit der Staatshilfe erhalten blieben, seien kein nachhaltiges Argument. Sie müssten nach Ansicht des Ex-Vorstandsvorsitzenden des Automobilzulieferers Continental anderswo abgebaut werden: "Die Autoindustrie hat Überkapazitäten von 25 bis 30 Prozent. Das wird im Moment nur durch die staatlich finanzierten Abwrackprämien und durch das Kurzarbeitergeld verschleiert."

"Konkurrenten wesentlich billiger"

Zudem käme es durch die staatlichen Vorgaben nicht zu der erforderlichen Restrukturierung: "Man mogelt sich durch und hat am Ende eine Kostenstruktur, die dauerhaft nicht wettbewerbsfähig ist, weil fast alle Fabriken von Opel an Hochkostenstandorten angesiedelt sind. Einzige Ausnahme ist das Werk im polnischen Gleiwitz. Konkurrenten wie Hyundai, Kia und Toyota können in Tschechien wesentlich billiger produzieren."

Den Verbleib Opels bei GM bewertete Wennemer aber positiv. Die Überlebenschancen des Rüsselsheimer Autoherstellers seien nun besser als mit dem ursprünglich als neuen Eigentümer favorisierten Zulieferer Magna.

Allerdings werde es auch mit GM schwierig, "wenn es keine echte Restrukturierung gibt und wenn die Produktpalette nicht deutlich verbessert wird". Momentan sei die Insolvenz von Opel zwar kein Thema. Aber wenn das Unternehmen kein tragfähiges Konzept habe, "wird es spätestens in drei oder vier Jahren wieder vor der Zahlungsunfähigkeit stehen", warnte Wennemer.

Kehrwende der Politik

Der ehemalige Conti-Chef zeigte sich erfreut darüber, dass der Verkauf Opels an Magna gescheitert sei. Die EU habe in diesem Fall gut funktioniert: " Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat öffentlich gemacht, dass die Bundesregierung GM zum Verkauf an Magna und zu Standorterhaltungen zwingen wollte. Als die Bundesregierung auf Druck der EU erklärte, die Staatshilfe für Opel stehe grundsätzlich jedem Investor zu, hat sich GM natürlich neu entschieden", so Wennemer in der FAZ. Er verstehe nicht die künstliche Aufregung in der deutschen Politik über die angebliche Kehrtwende von GM. Die Kehrtwende komme von der deutschen Politik, auf die GM nur richtig reagiert habe.

Ähnlich wie Wennemer äußerte sich der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisberg-Essen. Staatliche Hilfen für Opel schwächten automatisch andere deutsche Hersteller, betonte der Wissenschaftler in einer Kurzanalyse: "Ein staatliches Hilfsprogramm für GM bedeutet, dass GM mit Steuergeldern den ruinösen Preiswettbewerb finanziert und Überkapazität nur unzureichend vom Markt nimmt."

GM will rund 10.000 der 50.000 Arbeitsplätze bei Opel und Vauxhall in Europa abbauen, möglicherweise aber auch mehr: Der neue GM- Europachef Nick Reilly hatte am Dienstag in London gesagt, dass die Kapazität in Europa um 20 bis 25 Prozent gekürzt werden soll.

Nicht erpressen lassen

Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, bezifferte die weltweiten Überkapazitäten im laufenden Jahr auf 45 Millionen Einheiten: Von 90 Millionen neuen Autos könnten nach neusten Schätzungen 2009 nur die Hälfte verkauft werden, schrieb Lauk in einem Beitrag für die Financial Times: "Es darf und kann nicht die Aufgabe des Steuerzahlers sein, diese Überkapazitäten zu subventionieren."

Die Regierungen dürften sich von GM nicht erpressen lassen. Es mache keinen Sinn, mit immer neuen Staatsschulden verschuldete Unternehmen zu finanzieren.

Dudenhöffer beziffert die Produktionskapazitäten in West-Europa auf 14 Millionen Autos. "Da im Jahr 2009 lediglich 10,9 Millionen Pkw produziert werden, liegt eine Überkapazität von drei Millionen Pkw vor." Diese Überkapazität werde auch in den Folgejahren bestehen. "Das bedeutet für die Autobauer einen fortgesetzten ruinösen Preiskampf, bei dem die Gewinnmargen der deutschen Autobauer VW, Ford, Audi, BMW und Mercedes stark unter Druck kommen werden."

Angebot im Automarkt zu hoch

Nach Dudenhöffers Angaben besitzt GM in Westeuropa derzeit eine Produktionskapazität für 1,5 Millionen Autos pro Jahr. Am Montag hatte GM mitgeteilt, in den ersten neun Monaten 963.000 Wagen der europäischen Marken verkauft zu haben nach 1,2 Millionen im Vergleichszeitraum 2008.

Dudenhöffer sagte: "Staatliche Unterstützung sorgt damit dafür, dass Kapazitäten in deutlich zu geringem Ausmaß abgebaut werden." Damit bleibe das Angebot im westeuropäischen Automarkt deutlich zu hoch.

© sueddeutsche.de/dpa/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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