MAN: Piëch räumt auf:Zum Rauswurf nach Salzburg

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Eine Reise ins idyllische Salzburg beendet offenbar die Karrieren zweier MAN-Vorstände. Denn in Österreich wartet VW-Patriarch Piëch - mit unerfreulichen Neuigkeiten.

Klaus Ott

Eine Reise nach Salzburg ist ein Erlebnis. Residenz und Dom lohnen ebenso einen Besuch wie das Glockenspiel und die Burg über der zum Weltkulturerbe ernannten Altstadt. Die Schlösser laden zum Verweilen ein, und in den Cafés werden die berühmten Mozartkugeln gereicht, die nach dem an der Salzach geborenen Komponisten benannt sind.

Offenbar auf wackeligem Posten: MAN-Vorstandsmitglied Anton Weinmann. (Foto: Foto: dpa)

Gewinn "ohne Bilanztricks"

Doch den beiden Managern des in München ansässigen Lastwagen- und Bus-Konzerns MAN, die kürzlich nach Salzburg fuhren, war nach solchen Ausflügen nicht zumute. Der österreichische Industrielle und MAN-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch soll die Vorstandsmitglieder Karlheinz Hornung (Finanzen) und Anton Weinmann (Nutzfahrzeuge) einbestellt haben, um ihnen mitzuteilen, dass ihre Zeit im Unternehmen abgelaufen sei. Piëch soll ihnen nur noch die Wahl gelassen haben, sich gütlich oder im Streit zu trennen. So wird das in Konzernkreisen erzählt. Das Unternehmen äußert sich nicht dazu.

Piëch, 72, Sohn des legendären Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche und früher Chef von Audi und VW, ist der starke Mann im VW-Konzern, zu dem neben Audi bald auch Porsche gehört. Der Salzburger hat in seinem Leben schon viele Manager gefeuert, die ihm im Wege standen, ihm nicht gut genug waren oder aus seiner Sicht nicht sauber gewirtschaftet hatten.

Nun übernimmt er auch die Macht bei MAN in München. Der Lkw- und Bus-Konzern spürt die Krise, die Umsätze sind drastisch gesunken. Trotzdem werde das Unternehmen, sagt ein Kenner der Zahlen, auch in diesem Jahr Gewinn machen, "ohne Bilanztricks". Der Vorstand habe MAN gut durch die Krise gesteuert, auch mit Kurzarbeit, wie viele andere Betriebe. Die Kurzarbeit geht weiter, bis weit ins nächste Jahr.

Aufräumen im Unternehmen

Allerdings ist da noch die hässliche Schmiergeldaffäre. MAN hat nach Erkenntnissen der Münchner Staatsanwaltschaft und laut eigenen Untersuchungen in womöglich mehr als 20 Ländern Regierungen und Geschäftspartner bestochen, um Großaufträge vor allem für Busse zu bekommen. Piëch und der Aufsichtsrat nehmen die Affäre zum Anlass, im Unternehmen aufzuräumen.

Vier Top-Manager und etliche Führungskräfte aus der zweiten und dritten Reihe sind schon ausgewechselt worden. Vorstandschef Hakan Samuelsson ist bereits ausgeschieden, Finanzchef Hornung geht ebenfalls - aus persönlichen Gründen, wie er sagt. Auch der Nutzfahrzeuge-Chef Anton Weinmann wird wahrscheinlich demnächst gehen. Piëch soll, als es um die Korruption und deren Folgen ging, auch mit Samuelsson aneinandergeraten sein.

Die Affäre könnte MAN bis zu 300 Millionen Euro an Bußgeld, Steuern und weiteren ungeplanten Ausgaben kosten. Mit dem Bußgeld will die Staatsanwaltschaft die bei den illegal erlangten Aufträgen erzielten Gewinne abschöpfen. Diese Gewinne könnten 200 bis 250 Millionen Euro betragen, haben nach Angaben aus Konzernkreisen Vertreter der Staatsanwaltschaft bei Gesprächen mit MAN vorgetragen. Der Konzern schätzt die Profite, die aus Schmiergeldzahlungen resultierten, deutlich niedriger ein. MAN will versuchen, ein erheblich milderes Bußgeld auszuhandeln. Es geht zu wie bei Tarifverhandlungen.

Auch der Fiskus bittet MAN zur Kasse. Als Schmiergeld eingesetzte Mittel waren falsch verbucht und zu Unrecht von der Steuer abgesetzt worden. Konzernkreisen zufolge stehen Steuerzahlungen in Höhe von mehreren zehn Millionen Euro an. Hinzu kommen Kosten für die internen Ermittlungen bei MAN. Das Unternehmen kalkuliert dafür mindestens 50 Millionen Euro ein. Insgesamt ergibt das bis zu 300 Millionen Euro, und das mitten in der wohl größten Krise des Konzerns.

Hätte die Konzernspitze früher gehandelt, würde es vielleicht gar nicht so schlimm kommen. Vieles von dem, was heute die Staatsanwaltschaft beschäftigt, war intern längst bekannt gewesen. Als die Strafverfolger vor einem halben Jahr MAN-Büros durchsuchten, stießen sie auf Berichte der Konzernrevision über fragwürdige Machenschaften. Das Unternehmen hatte solche Fälle aber immer geräuschlos geregelt, ob nun mit Abmahnungen oder mit Frührente für belastete Manager, statt die Behörden einzuschalten. Das rächt sich jetzt. "Die eigene Polizei hat funktioniert, die eigene Gerichtsbarkeit nicht", sagt ein MAN-Manager.

Wo, wann und wie offenkundig geschmiert wurde, wird der Aufsichtsrat bei seinem nächsten Treffen am 11. Dezember erfahren. Ein umfassender Bericht ist vorgesehen, mit schmutzigen Details über mutmaßlich kriminelle Geschäfte in Griechenland, Italien, Israel, Libyen, Algerien und vielen anderen Ländern. In Griechenland soll für einen Großauftrag für Oberleitungs-Busse, die vor den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs geliefert worden waren, kräftig bestochen worden sein.

Erinnerungen an Siemens

Bei MAN war die systematische Korruption erst gestoppt worden, als Ende 2006 der Schmiergeldskandal bei Siemens begann, Top-Manager zeitweise ins Gefängnis kamen, und viele Unternehmen aufschreckten. Falls Samuelsson Pech hat, verlangt der Aufsichtsrat eines Tages von ihm Schadenersatz, so wie das Siemens beim früheren Konzernchef Heinrich von Pierer macht. Der MAN-Aufsichtsrat lässt bereits prüfen, ob Manager für die Affäre haften müssen.

Vieles bei MAN erinnert an den Korruptionsfall Siemens: Tarnfirmen, Scheinrechnungen, Bargeld für dubiose Berater, Geschäfte in Steueroasen. Siemens hatte, um fragwürdige Zahlungen zu tarnen, auch einen Anwalt in Wien als Zwischenstation eingeschaltet. Bei MAN war es ein Notar in Wien. Bei Siemens versickerte, im Verhältnis betrachtet, in etwa doppelt so viel Geld in dunklen Kanälen wie bei MAN. Bei Siemens musste der gesamte Vorstand gehen, bei MAN bislang der halbe. Zu alledem nimmt der Lkw-Konzern nicht Stellung.

Vom alten Management dürfte derzeit niemand Lust haben, demnächst Salzburg zu besuchen, obwohl es dort vor Weihnachten besonders schön ist. In den Chefetagen ist allerdings kaum noch jemand da, dem Versäumnisse angelastet werden könnten und der in diesem Jahr noch nicht in der Mozartstadt weilte.

© SZ vom 30.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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