Luftverkehr:Inlandsflüge sind out

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Kein Flugzeug mehr da. Aber es gibt ja zum Beispiel glücklicherweise auch noch die Bahn. (Foto: S. Ziese/imago/blickwinkel)

Derzeit sind so viele Flugzeuge in der Luft wie nie zuvor. Innerdeutsch jedoch wird deutlich seltener geflogen. Am plötzlich erwachten Umweltbewusstsein liegt das aber nicht.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Gerade erst hat das Online-Flugportal Flightradar24 auf eine Zahl aufmerksam gemacht: 134 396. So viele Flüge sind am vergangenen Donnerstag weltweit gestartet, so viele wie nie zuvor an einem Tag. Die Zahl ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Luftverkehr auf einem guten Wege ist, seine größte Krise hinter sich zu lassen. Solche neuen Flugrekorde hatte es zuletzt häufiger gegeben, die Urlaubsflugwelle ist schließlich in vollem Gang.

Die weltweiten Zahlen spiegeln vor allem das rasante Comeback Asiens wider - in Japan und China sind die letzten Corona-Restriktionen gefallen und nun steigen immer mehr Leute wieder ins Flugzeug. Doch neue Zahlen des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) zeigen, dass sich der Luftverkehr in Deutschland markant anders entwickelt, als im Rest der Welt und auch anders als in anderen Teilen Europas: Innerdeutsch wird nicht annähernd so viel geflogen wie vor der Corona-Pandemie.

Der BDL hat die Kapazitäten analysiert, die die Fluggesellschaften von Juli bis Dezember 2023 planen, und versucht auf diese Weise, Trends zu identifizieren. Wichtigstes Ergebnis: Im zweiten Halbjahr 2023 werden voraussichtlich nur halb so viele Passagiere innerdeutsch fliegen wie 2019. Bei den Drehkreuzen München und Frankfurt sind es immerhin noch 69 Prozent des alten Niveaus, aber das liegt vor allem daran, dass Lufthansa weiterhin auf viele Umsteiger angewiesen ist, mit denen sie ihre Langstreckenflugzeuge füllen kann. Auf dezentralen Strecken wie etwa Stuttgart-Berlin liegt das Angebot sogar nur bei 30 Prozent.

Der Rückgang dürfte hauptsächlich profane Gründe haben und nicht am plötzlich erwachten Umweltbewusstsein liegen. Ryanair und Easyjet, die beiden großen Billigfluggesellschaften, haben kein großes Interesse an Deutschland, weil die Kosten an den Flughäfen sehr hoch sind und Lufthansa die attraktivsten Märkte mit Zähnen und Klauen verteidigt. Als Ryanair in Frankfurt eine Basis eröffnet hat, setzte Lufthansa auf viele der Strecken des neuen Konkurrenten so viele Flüge, bis Ryanair die Botschaft verstanden hatte und sich wieder zurückzog. Auf den dezentralen Strecken fliegt Konzerntochter Eurowings. Solange sich niemand traut, lässt sich bei knappem Angebot und hohen Preisen prächtig Geld verdienen. Und wenn es an den Flughäfen wegen Personalmangels mal wieder hakt, werden die innerdeutschen Flüge in der Regel zuerst gestrichen. Es gibt ja noch die Bahn.

Umweltverbände hatten zuletzt immer wieder ein Verbot innerdeutscher Flüge gefordert. Dem BDL zufolge machen sie acht Prozent der Gesamtkapazität aus. Da die Strecken sehr kurz sind, ist ihr Anteil an den Emissionen des Luftverkehrs noch deutlich geringer. Sie zu verbieten, hätte also vor allem symbolischen Wert.

Auch die Lieferverspätungen der Hersteller bremsen den Flugverkehr

Bei den Europazielen und den Mittelstrecken liegt das Angebot in der zweiten Jahreshälfte, verglichen mit 2019, bei 88 Prozent, nach Südeuropa gar bei 98 Prozent. Und dass es auf der Langstrecke wohl nur 91 Prozent sind, hängt mehr mit den chronischen Lieferverspätungen bei Airbus und Boeing zusammen als mit schwacher Nachfrage. Die meisten Flüge sind voll. Nach Daten der International Air Transport Association (IATA) lag die Auslastung weltweit schon im Mai bei 81,8 Prozent, also auf dem gleichen Niveau wie im Mai 2019.

In Deutschland werden laut BDL im zweiten Halbjahr einige Flughäfen stark wachsen, auf denen Billigfluglinien schnell expandieren. Memmingen liegt 81 Prozent über der Kapazität von 2019, Weeze 38 Prozent. Am schlechtesten wird es der Prognose zufolge in Dresden laufen: Dort bieten die Fluggesellschaften im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2019 nur gut halb so viele Sitze an.

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