Lufthansa:Ita-Übernahme könnte an EU scheitern

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Flugzeug der neuen italienischen Gesellschaft Ita am Flughafen in Rom. Lufthansa möchte 41 Prozent der Ita übernehmen. (Foto: Remo Casilli/REUTERS)

Die Europäische Kommission sieht den Einstieg bei der italienischen Fluggesellschaft äußerst skeptisch. Ein Nein könnte weitreichende Konsequenzen für die Branche haben.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Wenn es nach der Lufthansa gegangen wäre, dann hätte sie schon längst eine neue Tochtergesellschaft in die Konzernfamilie aufgenommen. Sie würde gerne Ita Airways übernehmen, die neue italienische Fluggesellschaft und Nachfolgerin der insolventen Alitalia, vor allem, weil Italien so ein wichtiger Markt ist. Selbst die einst pessimistisch scheinende Prognose, bis Ende 2023 werde die Europäische Kommission den Einstieg genehmigen, ist längst Makulatur. Die wettbewerbsrechtliche Prüfung läuft weiter - die nächste Frist ist der 6. Juni.

Der Vorgang und die tieferen Gründe für das äußerst langsame Verfahren sind über den konkreten Fall hinaus relevant für die europäische Luftfahrtindustrie. Denn die Kommission hat nach Informationen aus Branchenkreisen sehr ungewöhnliche Maßstäbe und Kriterien zugrunde gelegt, als es darum ging, die Folgen der Übernahme auf den Wettbewerb zu bewerten. Vor allem zwei Argumentationslinien haben das Potenzial, im Grunde jede Fusion von zwei Fluggesellschaften in Europa zu verhindern - dummerweise stehen gerade einige Transaktionen an.

Dem Vernehmen nach will die Wettbewerbsbehörde bei der Bewertung Ryanair nicht berücksichtigen. Das ist erstaunlich, weil die irische Billigfluglinie auf Inlandsflügen von Mailand einen Anteil von 42 Prozent hat und auf Europaflügen 37 Prozent. In Rom kommt Ryanair nach Angaben der italienischen Wettbewerbsbehörde AGCM auf einen Anteil von insgesamt 26 Prozent. Zum Vergleich: Ita hat insgesamt vier Prozent des italienischen Marktes, die Lufthansa Group insgesamt kommt derzeit auf zehn Prozent. Selbst zusammengenommen sind die beiden weit von der Größe Ryanairs entfernt. Hinzu kommt: Easyjet kontrolliert zwölf Prozent des italienischen Marktes, Wizz Air elf Prozent - zwei weitere Billig-Airlines.

Die Europäische Kommission argumentiert, dass die Billig-Fluggesellschaften ein anderes Marktsegment als Lufthansa bedienen und deshalb nicht als Wettbewerb zählen. Eine Denke, die in der Frankfurter Konzernzentrale, gelinde gesagt, für Irritationen sorgt. Sie hat auch konkrete Folgen auf Einzelstrecken: Airlines der Lufthansa Group fliegen Mailand-Brüssel, Ryanair fliegt vom benachbarten Bergamo nach Charleroi südlich der belgischen Hauptstadt. Die Kunden in Norditalien haben die Wahl.

Die zweite eigenwillige Argumentationslinie betrifft Langstrecken. Hier will die Kommission nur Nonstop-Flüge in die Wettbewerbsanalyse aufnehmen, aber nicht die üblichen Umsteigeverbindungen über andere Drehkreuze. Gerade auf den Langstrecken sind Umsteigeflüge aber geradezu ein Standardelement jedes Anbieters - und die Lufthansa klagt häufiger, als es die meisten hören wollen, wie viele Passagiere sie verliert, weil sie lieber über Drehkreuze wie Istanbul oder Dubai in Richtung Asien fliegen.

Ryanair könnte profitieren

Für die Lufthansa ist der Einstieg bei Ita - zunächst sind 41 Prozent geplant - alles andere als überlebensnotwendig, umgekehrt braucht Ita früher oder später einen starken Investor. Und würde die Kommission die gleichen Maßstäbe bei anderen geplanten Übernahmen anwenden, könnte dies die Neuordnung der europäischen Luftfahrt stoppen.

Doch die Konsolidierung nimmt gerade Fahrt auf: International Airlines Group (IAG), die Muttergesellschaft von Iberia und British Airways, will auch noch die spanische Air Europa übernehmen. Air France-KLM plant, gemeinsam mit einem Finanzinvestor zunächst einen Minderheitsanteil (19,9 Prozent) an SAS Scandinavian Airlines zu kaufen, wenn diese ihr Insolvenzverfahren beendet. Und der portugiesische Staat soll TAP Air Portugal ebenfalls an einen privaten Investor verkaufen - Lufthansa, IAG und Air France-KLM haben alle Interesse angemeldet.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr und seine Kollegen bei Air France-KLM und IAG, Ben Smith und Luis Gallego, argumentieren seit Langem, dass mehr Konsolidierung nötig ist, um mit den großen Anbietern in Asien und den USA mithalten zu können.

In Branchenkreisen verfestigt sich derzeit aber der Eindruck, dass die Kommission zumindest Lufthansa/Ita auf jeden Fall verhindern will, aber auch weiteren Übernahmen äußerst skeptisch gegenübersteht. Die Behörde bestätigt offiziell nur, dass sie Vorschläge von Lufthansa und Ita analysiert, womit diese hoffen, die Bedenken der EU ausräumen zu können. Mittlerweile ist es gut möglich, dass der Deal platzt, zumal, wenn die Kommission weitere Forderungen stellt. Am meisten freuen dürfte sich darüber Ryanair-Chef Michael O'Leary.

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