Lufthansa:Eurowings vor erstem Jahresgewinn

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Discover-Flieger nach der Landung in Frankfurt: Die Flotte der Lufthansa-Tochter soll im kommenden Jahr von 22 auf 28 Maschinen wachsen. (Foto: Rene Traut/IMAGO)

Lufthansa hat lange Zeit kein funktionierendes Konzept für seine Günstig-Ableger gehabt und dabei viel Geld verloren. Nun aber könnten Eurowings und Discover Airlines lukrativ werden.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Jens Bischofs erste Woche bei Eurowings war einmal etwas anderes. Er war gerade von der ziemlich profitablen türkischen Lufthansa-Tochter Sun Express von Antalya nach Köln gewechselt, um die dort ansässige und ziemlich unprofitable Tochter Eurowings endlich in die schwarzen Zahlen zu bringen. Doch nach zwei Tagen am Schreibtisch konnte er alle Pläne, die er gehabt haben mag, in den Aktenschredder werfen. Die Corona-Pandemie breitete sich in rasendem Tempo nun auch in Europa aus, die Fluggesellschaften mussten den Betrieb nahezu vollkommen einstellen. Es war das Frühjahr 2020.

Bischof, ein Lufthansa-Mann seit Jahrzehnten mit dem entsprechenden und in der Gruppe wichtigen Stallgeruch, hat dann erst einmal die Strategieabteilung bei Eurowings aufgelöst. "Es gab sowieso nur eine Strategie - überleben", erinnert sich der 57-Jährige. Dreieinhalb Jahre später kann er nun sagen, dass das mit dem Überleben geklappt hat, auch, weil die Lufthansa Group zeitweise teilverstaatlicht war und so Zugriff auf Geld hatte, das bis Mitte 2020 keine Bank mehr zur Verfügung stellen wollte. Obwohl es erst Mitte September ist, traut sich Bischof nun auch zu sagen, dass Eurowings in diesem Jahr erstmals überhaupt als Lufthansa-Tochter einen Gewinn machen wird.

Für die Gruppe und für Eurowings sowieso ist das eine nicht zu unterschätzende Wegmarke. Denn praktisch über Jahrzehnte war es dem Konzern nicht gelungen, eine passende und vor allem profitabel fliegende Antwort auf die Billigflieger Easyjet und Ryanair zu finden, die sie als große Bedrohung für ihre Position im lukrativen deutschen Markt betrachtete. Ableger Germanwings war ein wirtschaftlicher Reinfall und im Zuge der Corona-Pandemie dann auch dichtgemacht worden. Eurowings, früher als kleine Regionalfluglinie unterwegs, übernahm alle Europastrecken, die nicht die Drehkreuze in Frankfurt und München berührten. Und Bischof sollte endlich das Konzept liefern, mit dem Eurowings in der Schlacht gegen Ryanair und Easyjet kein Geld verliert.

Eurowings profitierte anfangs ungemein davon, die Marktposition der Lufthansa (sprich: Start- und Landezeiten) an wichtigen Flughäfen wie Düsseldorf, Stuttgart oder Hamburg direkt übernehmen zu können. Doch man verabschiedete sich von der Idee, dass die Fluggesellschaft ähnlich billig sein müsse wie Ryanair und ein entsprechendes Basisprodukt anbieten müsse. Stattdessen wurde Eurowings darauf gemünzt, zwar günstiger als Lufthansa zu sein, aber höherpreisiger als die Billigkonkurrenz. Solange die Kunden den Mehrwert spürten, würden sie auch bereit dafür sein, dafür zu zahlen, so das Kalkül.

Ryanair kommt auf durchschnittliche Ticketpreise von etwa 60 Euro pro Strecke, bei Eurowings sind es 130 Euro. Dafür fliegt Eurowings von teuren Großflughäfen aus, bietet im vorderen Teil der Flugzeuge eine Art Mini-Business Class und hat sich auch an vielen anderen Stellen von manchem Dogma der Low Cost-Puristen verabschiedet. Hinter den Kulissen hingegen hat Bischof, der in der Regel äußerst jovial auftritt, einen ziemlich rigiden Sparkurs durchgezogen. Der Eurowings-Chef hat die Stückkosten nach eigenen Worten "im dicken zweistelligen Prozentbereich" gedrückt, eine Übung, an der sein Vorgänger Thorsten Dirks noch gescheitert war.

Was derzeit Eurowings hilft, sind die enorme Nachfrage im Luftverkehr nach der Corona-Pandemie und die hohen Preise, die die Passagiere derzeit zu zahlen bereit sind. Manchmal muss sich Bischof daher anhören, dass es ja ein dickes Ding wäre, wenn er es bei diesen Mondpreisen nicht schaffen würde, einen Gewinn an die Konzernzentrale nach Frankfurt zu überweisen. Bischof findet, dies sei ein bisschen zu simpel gedacht. Denn die Kosten für Treibstoff und Gebühren hätten gleichermaßen so stark angezogen, dass dies manch hohen Ticketpreis sehr stark relativiere. Dennoch ist klar: "Nachhaltige Wirtschaftlichkeit ist das Ziel".

Klar ist auch, dass dies mit dem alten Eurowings-Konzept nicht gelingen würde. Die Airline war ursprünglich vom Konzern lediglich auserkoren, alle Flüge zu übernehmen, die nicht über die Drehkreuze in München und Frankfurt gingen. Eurowings transportierte daher anfangs, wie Lufthansa selbst, vor allem Geschäftsreisende. Doch das Segment hat sich nach der Pandemie weiterhin noch nicht erholt. Und so ist Eurowings umgeschwenkt, um mehr Ziele zu bedienen, die für Privatreisende und Urlauber attraktiv sind. Ihr Anteil ist nun von 40 auf 60 Prozent gestiegen. Innerdeutsch fliegt Eurowings nur noch wenige Verbindungen, vor allem solche, bei denen eine Bahnfahrt mehr als vier Stunden dauern würde.

Die Langstrecke war für Eurowings ein Desaster

Doch auch der Schwenk zur Touristik ist nicht ohne Schwierigkeiten: Das Geschäft ist wesentlich saisonaler - im Sommer brummt es, im Winter ist die Nachfrage nicht hoch genug. Deswegen richtet Eurowings nun die Flottengröße am geringeren Bedarf im Winter aus und betreibt rund 100 Maschinen. 20 zusätzliche werden von Spezialfirmen mitsamt Besatzungen angemietet, um die höhere Nachfrage im Sommer zu bewältigen. Eurowings will aber auch mehr längere Strecken anbieten, die auch im Winter funktionieren. So wird die Gesellschaft ab Oktober von Stuttgart und Berlin aus viermal wöchentlich nach Dubai fliegen, auch mehr Kanaren-Flüge stehen auf dem Programm. "Wir haben aber keine Pläne, von Düsseldorf nach New York zu fliegen", sagt Bischof.

Stimmt, auf der Langstrecke hatte sich Eurowings vor der Pandemie versucht, ein finanzielles und teilweise auch operatives Desaster. Das Geschäft hat mittlerweile Discover Airlines übernommen, die bis in die vergangene Woche noch unter der Marke Eurowings Discover geflogen ist. Discover soll endlich auch auf der touristischen Langstrecke Geld verdienen und darf von Frankfurt und München aus auch einige Mittelstrecken bedienen. Geschäftsführer Bernd Bauer erwartet, dass auch Discover wie Eurowings in diesem Jahr erstmals einen Gewinn ausweisen wird.

Die Discover-Flotte soll im kommenden Jahr von 22 auf 28 Maschinen wachsen. Fünf davon werden in München stationiert und Europastrecken bedienen, die restlichen 23 Jets fliegen von Frankfurt aus. Und auch Eurowings gibt Geld für die Flottenerneuerung aus: 13 Maschinen der A320neo-Familie kosten rund 1,5 Milliarden Euro. Doch das kann nur der Anfang sein. Ein großer Teil der Maschinen kommt mittlerweile in die Jahre, die kleinen Airbus A319 machen etwa ein Drittel der Flotte aus, sind aber für das Touristikgeschäft denkbar ungeeignet. Eurowings würde sie gerne innerhalb des Konzerns tauschen - mit einer Schwestergesellschaft, die vielleicht eher Verwendung für sie hat, und selbst lieber größere Flugzeuge nehmen.

Aber immerhin, es geht nicht mehr ums Überleben, sondern um gute Planung. Und deswegen hat Bischof nun bei Eurowings auch eine Entscheidung aus seiner Anfangszeit revidiert: Bald soll es wieder eine Strategieabteilung geben.

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