Luftfahrt:Lufthansa bestellt wieder bei Boeing

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Boeing "737 Max" bei der Farnborough Airshow 2022. Der Lufthansa-Konzern hat 40 Flugzeuge dieses Typs bestellt, womöglich folgen Aufträge für weitere 60. (Foto: Peter Cziborra/Reuters)

2016 hat die deutsche Fluggesellschaft den letzten ihrer Boeing-"737"-Jets ausgemustert. Nun kauft sie die neueste Version - und bezieht Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge damit erstmals seit Jahren nicht von Airbus.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Der 29. Oktober 2016 war für viele bei Lufthansa ein emotionaler Tag. An diesem kalten, grauen Herbstabend landete der vorerst letzte Flug einer Boeing 737 der Lufthansa in Frankfurt. Konzernchef Carsten Spohr kam extra auf das Vorfeld, um das Flugzeug zu verabschieden. 51 Jahre zuvor hatte Lufthansa als erste Fluggesellschaft das Ursprungsmodell der 737 bestellt. Über Jahrzehnte flog sie das Modell, auch die 1977 von palästinensischen Terroristen entführte "Landshut" war eine 737. Seit 2016 aber setzte Lufthansa für die Kurz- und Mittelstrecken ausschließlich auf Airbus.

Doch damit ist nun Schluss: Der Aufsichtsrat des Konzerns genehmigte am Dienstag unter anderem eine Bestellung von bis zu 100 Boeing 737 Max, die in den kommenden Jahren an die Gruppe ausgeliefert werden sollen. Der Schritt ist angesichts der großen Airbus-Treue zwar überraschend, andererseits aber auch nachvollziehbar. Denn zu viel Abhängigkeit von einem Lieferanten ist schon strategisch nicht gut, weil man dann im Zweifel keine guten Preise mehr verhandeln kann. Angesichts der immer noch katastrophalen Lage der Lieferketten in der Luftfahrt ist es aber auch taktisch besser, zwei Quellen für neue Flugzeuge zu haben.

Lufthansa hat noch nicht erklärt, in welchem ihrer Flugbetriebe die Max eingesetzt wird. Es soll aber nicht die Hauptmarke Lufthansa Airlines sein. Denkbar ist, dass die Max künftig bei Austrian, Brussels Airlines oder Eurowings eingesetzt wird. Um die komplette Eurowings-Flotte abzulösen, wären 40 Maschinen bei Weitem nicht genug. Der Billigableger betreibt derzeit rund 100 Maschinen.

Der Konzern bestellt zunächst 40 der Boeing-Maschinen fest, hinzu kommen Optionen für 60 weitere Jets. Lufthansa gehört traditionell zu den Fluglinien, die lieber scheibchenweise einkaufen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass es nicht bei den 40 Maschinen bleibt. Aber auch Airbus bleibt bei der neuesten Investitionsrunde in Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge nicht unberücksichtigt: Lufthansa bestellt 40 der kleineren A220 für den neuen Ableger City Airlines. Die neuen Jets sollen zwischen 2026 und 2032 ausgeliefert werden. Zudem sichert sich Lufthansa Optionen für 40 weitere Maschinen der größeren A320neo-Baureihe.

"Mit der heutigen Flugzeugorder beschleunigen wir die größte Flottenmodernisierung unserer Unternehmensgeschichte", so Detlef Kayser, Vorstand Flotte und Technologie. "Unsere Bestellliste von rund 200 Flugzeugen erhöht sich damit auf 280 - plus 120 Kaufoptionen für weitere hochmoderne Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge." Die Bestellung der 737 Max ermögliche bei weiteren Aufträgen künftig "mehr Flexibilität".

Ein Weihnachtsgeschenk für den US-Konzern

Für Boeing ist die Rückkehr der Lufthansa wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, schließlich gilt das Votum des deutschen Konzerns in der Branche immer noch viel. Für die 737 Max läuft es derzeit zwar wieder etwas besser. Bis Ende November waren bei Boeing in diesem Jahr Bestellungen für 686 Flugzeuge der Serie eingegangen. Dennoch hat der US-Konzern Marktanteile verloren. Zum Vergleich: Airbus hat in diesem Jahr mehr als 1300 Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge verkauft - also doppelt so viele wie Boeing. Beim Auftragsbestand kommt Airbus derzeit auf einen Anteil von rund 60 Prozent.

Ein Faktor, der bei Lufthansa und anderen Kunden eine Rolle gespielt haben mag: Airbus ist im Prinzip bis 2030 ausverkauft, und das unter der Annahme, dass ein starker Produktionshochlauf von derzeit gut 40 Jets pro Monat auf 75 bis 2026 gelingt. Wer also bereits vorher eine signifikante Zahl von neuen Flugzeugen braucht, muss entweder bei Leasingunternehmen suchen oder auf Boeing ausweichen.

Für die Max galt von April 2019 bis Ende 2020, und in manchen Ländern sogar noch länger, ein weltweites Flugverbot - nach zwei Abstürzen von Lion Air und Ethiopian Airlines. Der Ruf Boeings litt massiv, weil sich herausstellte, dass die Flugsteuerung hastig und mangelhaft entwickelt worden war, um schnell ein Konkurrenzmodell für die äußerst erfolgreiche Airbus A320neo-Serie zu haben. Mittlerweile hat Boeing die Max auf Anweisung der Flugsicherheitsbehörden U.S. Federal Aviation Administration (FAA) und European Union Aviation Safety Agency (EASA) stark nachbessern müssen, die Maschine darf mit den Änderungen wieder fliegen. Es gab seither auch keine weiteren ähnlich gelagerten Zwischenfälle.

Nach der Konzerntochter Swiss wird nun in der Gruppe auch die neue City Airlines den kleineren Airbus A220 (148 Sitze) betreiben. Die Fluggesellschaft soll künftig zu geringeren Kosten Zubringerpassagiere für die Langstrecken zu den Drehkreuzen Frankfurt und München bringen.

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