SAS Scandinavian Airlines:Lufthansa soll wichtigen Partner verlieren

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SAS und Lufthansa fliegen zusammen in der "Star Alliance". Aber wie lange noch? (Foto: Artur Widak/imago)

Der Airline-Konzern Air France-KLM greift die deutsche Konkurrenz an einer überraschenden Stelle an. Und der Lufthansa droht noch mehr Ärger.

Von Jens Flottau

Air-France-KLM-Chef Ben Smith ist intern nicht unumstritten, aber eines werden selbst seine Kritiker ihm nun lassen müssen: Er scheint sich in Ablenkungsmanövern ganz gut auszukennen. Seit Monaten betont er bei jeder Gelegenheit, wie sehr Air France-KLM Interesse daran hat, TAP Air Portugal zu übernehmen, weil diese eine super Ergänzung wäre für das Streckennetz des Konzerns. Am Dienstagabend verkündete er dann aber den Einstieg bei - SAS Scandinavian Airlines.

SAS wählte Air France-KLM zusammen mit dem Finanzinvestor Castlelake als neue Finanziers, mit deren Hilfe das Unternehmen das Insolvenzverfahren bis zum Jahresende abschließen will. Air France-KLM wird dabei zunächst einen Anteil von knapp 20 Prozent übernehmen, nach zwei Jahren kann der Airline-Konzern unter bestimmten Bedingungen die volle Kontrolle über SAS erhalten. Dem Plan müssen noch das für SAS zuständige amerikanische Insolvenzgericht, die Europäische Kommission und ein schwedisches Gericht zustimmen.

Die Transaktion hat das Potenzial, die Tektonik in der europäischen Airline-Industrie zu verschieben, vor allem zu Ungunsten der Lufthansa. SAS ist seit Jahrzehnten Partner der Lufthansa, hat mit ihr zusammen und einigen anderen die "Star Alliance" gegründet, das weltweit größte Airline-Bündnis. Die Strecken zwischen Deutschland und Skandinavien werden als Joint Venture betrieben. Nun soll SAS die Verbindungen zu Lufthansa und auch der "Star Alliance" kappen und sich dem von Air France-KLM und Delta dominierten Verbund "Sky Team" anschließen.

Der Deal passt in die Zeit: Die europäische Luftfahrt konsolidiert sich. Zwar haben fast alle Airlines dank Milliarden an Staatshilfen die Corona-Pandemie überlebt. Übernahmen waren deswegen - und weil Lufthansa und Air France-KLM wegen eigener staatlicher Auflagen im Rahmen ihrer eigenen Hilfspakete zeitweilig nicht investieren durften - für den Moment nicht möglich. Doch mittlerweile kommt wieder Schwung in die Sache: Lufthansa hat sich schon im Sommer darauf eingelassen, die italienische Neugründung ITA Airways zu übernehmen. Die British-Airways-Muttergesellschaft International Airlines Group (IAG) plant den Einstieg bei der spanischen Air Europa, obwohl auch Iberia und Vueling schon zur Gruppe gehören. In Norwegen will Norwegian die kleinere Widerøe übernehmen. Und Air Portugal - auch ein Lufthansa-Partner - soll im Laufe des nächsten Jahres teilprivatisiert werden.

Dummerweise hat Air France-KLM noch eine Idee

SAS ist eine der ältesten Fluggesellschaften der Welt, lange waren die Staaten Dänemark, Schweden und Norwegen an ihr beteiligt. Schon deutlich vor der Corona-Pandemie begann der Abstieg der Fluglinie. Sie kämpfte mit sehr hohen Kosten in einem relativ kleinen und dezentralen Heimatmarkt. Hinzu kam seit den Nullerjahren starke Konkurrenz von Billigfluglinien, allen voran Norwegian.

2022 wurde der Niederländer Anko van der Werff Chef bei SAS. Nachdem er zuvor vergeblich versucht hatte, über Verhandlungen mit Leasingunternehmen, Lieferanten und Gewerkschaften die Kosten ausreichend zu senken, beschloss er, die Airline durch ein Insolvenzverfahren nach Chapter 11 des amerikanischen Konkursrechtes zu sanieren. Den Insolvenzantrag stellte die Airline im Juli 2022, also zu einem Zeitpunkt, da sich der Luftverkehr schon wieder zu erholen begonnen hatte. Van der Werff hat Erfahrung mit solchen Restrukturierungen - bei der kolumbianischen Airline Avianca hatte er solch ein Verfahren schon einmal angestoßen und erfolgreich abgeschlossen.

SAS-Chef Anko van der Werff. (Foto: IMAGO/Christine Olsson/TT/IMAGO/TT)

Als Teil von Air France-KLM sieht van der Werff nun wieder bessere Perspektiven für SAS. Die Einigung sei "ein Meilenstein", der zeige, dass "unsere neuen Investoren in SAS und unser Potenzial glauben".

Womit nun noch zu klären wäre, ob Ben Smith' öffentlich vorgetragene Begeisterung für TAP Air Portugal überhaupt ein Ablenkungsmanöver war. Einiges deutet darauf hin, dass Smith es auch da ernst meint. Air France-KLM sei "entschlossen, eine aktive Rolle in der Konsolidierung der europäischen Luftfahrt zu spielen", so das Unternehmen. Der Einstieg bei SAS sei "eine Komponente" der Konzernstrategie. Sprich: Es gibt noch andere Komponenten.

Aus Lufthansa-Sicht handelt es sich dabei dummerweise sehr wahrscheinlich um TAP Air Portugal - dummerweise, weil TAP wie SAS ein langjähriger Partner ist. In den letzten Jahren hatte Lufthansa SAS mehr oder weniger ignoriert und auch viele Gelegenheiten verstreichen lassen, die Airline zu übernehmen. TAP zu verlieren, wäre für Lufthansa deutlich schmerzhafter, weil die portugiesische Airline für sie und die "Star Alliance" gut den Markt zwischen Europa und Südamerika abdeckt. Man könnte sogar argumentieren, dass TAP für sie mindestens ebenso wichtig ist wie ITA. Die portugiesische Regierung hatte Ende September Details der Privatisierung verkündet - mindestens 51 Prozent der Airline sollen verkauft werden. Wie Air France-KLM hat auch Lufthansa bestätigt, Interesse zu haben. IAG will vermutlich auch mitbieten, auch wenn die Europäische Kommission angesichts der starken Präsenz im benachbarten Spanien besonders genau hinschauen würde.

Was ITA angeht, so hat Lufthansa den Einstieg immer noch nicht formal bei der Kommission, die diesen genehmigen muss, angemeldet. Lufthansa will unbedingt eine langwierige Prüfung verhindern und lieber vorab möglichst alle Hausaufgaben machen. Doch der Zeitdruck steigt - spätestens Anfang nächsten Jahres soll die Integration beginnen.

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