Schokolade:Gute Zahlen mit bitterem Beigeschmack

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Lindt ist berühmt für seine goldenen Schoko-Osterhasen. (Foto: IMAGO/Manfred Segerer/IMAGO/Manfred Segerer)

Bei Lindt und Sprüngli freuen sie sich über ein gutes Jahresergebnis - trotz rekordhoher Kakaopreise. Am Dauerthema Kinderarbeit kommt der Konzern trotzdem nicht vorbei.

Von Isabel Pfaff, Kilchberg

Um die Zahlen rasch vorwegzunehmen: Es läuft gut beim Schokoladenhersteller Lindt und Sprüngli. Das Unternehmen mit Sitz im schweizerischen Kilchberg bei Zürich hat am Dienstag die Ergebnisse des vergangenen Geschäftsjahrs präsentiert und konnte unterm Strich einen Gewinnsprung von knapp 18 Prozent auf mehr als 671 Millionen Franken verkünden. Für die Inhaber einer Namenaktie - so heißt die Premiumvariante eines Lindt-Anteils, mit mehr als 100 000 Franken eine der weltweit teuersten Aktien - schlägt der Konzern eine Ausschüttung von 1400 Franken vor, 100 Franken mehr als im Vorjahr. Auch wer nur einen Partizipationsschein besitzt, also eine B-Aktie, soll eine erhöhte Dividende von 140 Franken erhalten.

Das sind sehr gute Nachrichten für die Aktionärinnen und Aktionäre des weltberühmten Schokoladenkonzerns, der sich vor ein paar Jahren mit dem funkelnden "Lindt Home of Chocolate" in Kilchberg ein entsprechendes Denkmal gesetzt hat. In dem "Schokoladenkompetenzzentrum", wie die Betreiber das mehrstöckige Museum nennen, kann man den Weg einer Kakaobohne bis zur Lindt-Süßigkeit verfolgen, inklusive Kostproben.

Auch die Pressekonferenz zum Jahresergebnis fand in dem Museum statt. Bei der von Goldhasen und bunten Ostereiern eingerahmten Präsentation von Konzernleiter Adalbert Lechner und Finanzchef Martin Hug konnte man sich live überzeugen: Lindt strotzt gerade vor Selbstbewusstsein. Selbst beim Super-Bowl vor drei Wochen, dem größten Sport- und faktisch auch Werbeereignis der Welt, warb Lindt mit einem eigens produzierten Spot für seinen Bestseller, die Lindor-Kugel - und zahlte dafür satte sechs Millionen Franken. Das sei angesichts eines Millionenpublikums klug investiertes Geld, versicherte Konzernchef Lechner am Dienstag.

Die gute Bilanz des 15 000-Mitarbeiter-Unternehmens ist angesichts des aktuellen Marktumfelds bemerkenswert. Denn seit einigen Jahren steigt der Kakaopreis stark an, im vergangenen Jahr um 62 Prozent und 2024 schon um mehr als 40 Prozent. Im Februar kostete eine Tonne Kakao an den Rohstoffbörsen mehr als 5000 Euro - so viel wie noch nie. Die Gründe sind schlechtes Wetter und entsprechend schlechte Ernten, insbesondere in Westafrika.

Bislang konnte Lindt diese Preisanstiege gut verkraften, nach eigenen Angaben vor allem durch Effizienzsteigerungen und höhere Konsumentenpreise. Auch für die kommenden zwei Jahre rechnet der Konzern mit hohen Kakaopreisen. Die werde man weiterhin an die Kunden weitergeben müssen, sagte Konzernchef Lechner, die Kakao-Anteile der Produkte werde man dagegen nicht antasten, "dazu ein klares Nein".

Vor Jahrzehnten wurde das Problem erkannt - verändert hat sich wenig

Eher widerwillig gingen die Vorstandsmitglieder am Dienstag auf die Vorwürfe ein, denen sich Lindt und Sprüngli im Januar stellen musste: Das Schweizer Fernsehen SRF hatte über Fälle von Kinderarbeit in der Lieferkette von Lindt berichtet. Für Kakao-Experten dürfte das keine Überraschung gewesen sein. Schon seit Jahrzehnten ist das Problem von Kinderarbeit in der Kakaoherstellung bekannt, vor allem in den beiden wichtigsten Anbauländern Elfenbeinküste und Ghana. So gut wie alle Schokoladenhersteller unterhalten mittlerweile Programme, um Kinderarbeit zu bekämpfen. Auch Lindt versucht es mit seinem auf Nachhaltigkeit zielenden "Farming Program", das es seit 2008 gibt, und mit einem 2016 eingeführten Kinderarbeitsmonitoring.

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Wirklich erfolgreich war bislang jedoch keines der Unternehmen. Ein Bericht der Universität Chicago aus dem Jahr 2020 zeigte, dass nach wie vor 1,56 Millionen Kinder auf westafrikanischen Kakaopflanzungen arbeiten. Das ist fast jedes zweite Kind, das in ländlichen Kakaoanbaugebieten lebt. Mehrmals hat sich die Kakaoindustrie in den vergangenen Jahrzehnten Fristen zur Eliminierung von Kinderarbeit gegeben. Noch ist jede davon verstrichen. "Wir nehmen die Recherche von SRF sehr ernst und haben sofort Untersuchungen bei unseren Partnern vor Ort in Gang gesetzt", sagte Lindt-Chef Lechner am Dienstag. Aber schnelle Erfolge könne man bei diesem Thema einfach nicht erwarten. "Das Problem ist in Westafrika systemisch. Eine Lösung ist eine Frage von Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten."

Nur sind eben bereits Jahrzehnte verstrichen, seit die Industrie das Problem erstmals anerkannt hat. Handels- und Entwicklungsorganisationen werfen den Kakaofirmen deshalb vor, die Wurzel des Problems nicht angemessen anzugehen: die anhaltende extreme Armut der westafrikanischen Kakaobauern. Zwar versuchen die Unternehmen, ihren Kakao nachhaltiger zu machen. Doch häufig sind die Prämien, die die Bauern in Programmen wie "Rainforest Alliance" oder "Fair Trade" erhalten, viel zu gering, um an der Armut wirklich etwas zu ändern.

Bei Lindt und Sprüngli tragen gut 72 Prozent der verwendeten Kakaoprodukte ein Nachhaltigkeitslabel. Der Großteil stammt aus dem firmeneigenen Nachhaltigkeitsprogramm, ein kleiner Teil ist Rainforest-Alliance-zertifiziert. Bis 2025 sollen 100 Prozent der Lindt-Kakaoprodukte nachhaltig sein. "An diesem Ziel halten wir fest", sagte Finanz- und Nachhaltigkeitschef Martin Hug am Dienstag.

Der Konzern hat zudem angekündigt, dass er ab 2025 ein Pilotprojekt starten will: Lindt zahlt 5000 Bauern eine Prämie, die das Einkommen auf ein existenzsicherndes Niveau heben soll. Eine gute Idee, allerdings nur für eine kleine Gruppe. Insgesamt liegt die Zahl der Kakaobauern, mit denen Lindt zusammenarbeitet, bei weit über 100 000.

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