Lexikon des Kapitalismus:Von Ausbeutung bis Tobin-Steuer

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Bestimmte Begriffe fallen in der Kapitalismus-Debatte häufig. Aber was ist genau damit gemeint? Was steckt dahinter? Ein kleines Handbuch der Kapitalismus-Kritik.

Von Nikolaus Piper

Ausbeutung. Viele Kritiker werfen Unternehmern vor, Arbeitnehmer und/oder Verbraucher auszubeuten. Gemeint ist damit meist, dass die einen die Schwäche der anderen nutzen, um einen Extraprofit zu erzielen. Karl Marx versuchte Ausbeutung wissenschaftlich zu definieren. Nach seiner Theorie entsteht Wert ausschließlich aus Arbeit. Der Kapitalist eignet sich den "Mehrwert" an, also alles, was über die Summe hinausgeht, die der Arbeiter für die Erhaltung seiner Arbeitskraft braucht.

Entdeckungsverfahren. Der liberale Ökonom Friedrich A. von Hayek, einer der wichtigsten Verteidiger des Kapitalismus, sah die Funktion des Marktes darin, dass er jeden Teilnehmer mit Informationen versorgt, an die er sonst nie kommen würde. Sein Wort vom Markt als "Entdeckungsverfahren" ist entscheidend für das liberale Verständnis vom Kapitalismus.

Globalisierung. Das Phänomen - die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung auf der Erde - ist uralt. Der Begriff selbst wurde während der 1980er-Jahre in den Sozialwissenschaften gebräuchlich. Den Beginn der Anti-Globalisierungs-Bewegung markieren die gewalttätigen Proteste gegen eine Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) 1999 in Seattle.

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Neoliberalismus. Der Begriff wird heute meist als Schimpfwort für marktwirtschaftliche, auf Begrenzung des Staates gerichtete Politik benutzt. Gemeint war er ursprünglich positiv. Er tauchte 1937 auf einem Kolloquium auf, das der amerikanische Publizist Walter Lippmann nach Paris einberufen hatten. Die Teilnehmer wollten etwas gegen den Nationalsozialismus und Kommunismus tun und dabei die Fehler der alten Liberalen vermeiden.

Tobin-Steuer. Der Ökonom James Tobin entwickelte in den 1970er-Jahren das Konzept einer Steuer auf Finanzgeschäfte, die Devisenspekulation begrenzen sollte. In den 1990er-Jahren griffen linke Intellektuelle in Frankreich die Idee neu auf und starteten eine Kampagne für eine "Finanztransaktionsteuer", um "Sand ins Getriebe" des Kapitalismus zu werfen. Es war der Beginn des Netzwerks von Attac.

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Washington Consensus. Unter dem "Konsens von Washington" versteht man ein Bündel wirtschaftspolitischer Grundsätzen, auf die sich Internationaler Währungsfonds und Weltbank in den 1980er-Jahren geeinigt hatten, darunter Privatisierung, Liberalisierung und ausgeglichene Haushalte. Dieser "Konsens" wird von Globalisierungskritikern heftig bekämpft.

Wunder von Wörgl. Der heterodoxe Ökonom Silvio Gesell (1862-1930) sah den Zins als Hauptübel der Wirtschaft. Daher entwickelte er die Idee eines "Freigeldes", das planmäßig an Wert verliert und so zum Geldausgeben bewegen soll. In der Weltwirtschaftskrise 1932 führte die Gemeinde Wörgl in Tirol Freigeld ein, worauf tatsächlich die Arbeitslosigkeit zurückging - bis die Österreichische Nationalbank das Experiment stoppte. Das "Wunder von Wörgl" inspiriert heute die Initiatoren von Regional-Währungen wie dem "Chiemgauer".

Zinsknechtschaft. In den Debatten um hochverschuldete Länder wie Griechenland fällt gelegentlich das Wort von der "Zinsknechtschaft". Der Begriff geht auf den deutschen Ingenieur Gottfried Feder zurück, ein frühes Mitglied der NSDAP. Er schrieb 1919 das "Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft", in dem er forderte, die Kriegsanleihen des Deutschen Reiches zum gesetzlichen Zahlungsmittel zu erklären.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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