Versicherungen:Zu teure Verträge, sektenhaftes Verhalten

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Welche Versicherung brauche ich? Nicht selten kassieren Versicherungsvertreter Provisionen, wenn sie Policen verkaufen - auch wenn diese gar nicht optimal für die Kunden sind. (Foto: Ute Grabowsky/photothek.net/imago/photothek)

Die Bürgerbewegung "Finanzwende" in Berlin erhebt schwere Vorwürfe gegen den Strukturvertrieb Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG).

Von Anne-Christin Gröger, Köln

Zu teure Verträge, sektenhaftes Verhalten, eine mit viel Geld auf Politiker zielende Lobbyarbeit: In einem Dossier erhebt die Bürgerbewegung "Finanzwende" schwere Vorwürfe gegen den Strukturvertrieb Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) in Frankfurt. Finanzwende wurde 2018 vom damaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick gegründet und sieht sich als "unabhängiges und überparteiliches Gegengewicht zur Finanzlobby".

Bei Strukturvertrieben erhalten Vertreter auf höheren Hierarchiestufen einen Teil der Provisionen für Verträge, die Vertreter unter ihnen verkauft haben. Sie sind provisionsgetrieben, was oft zu Fehlberatungen führt und zur Umdeckung: Der Vertreter rät zur Kündigung eines bestehenden Vertrags und zum Abschluss eines neuen. Das bringt dem Vertrieb erneute Provisionen, die der Kunde zahlt.

Die DVAG gehört zu 60 Prozent der Familie des Konzernchefs Andreas Pohl und zu 40 Prozent dem Versicherungskonzern Generali. Die 18 500 Vertreter gelten als besonders aggressiv in der Kundenansprache. Das Unternehmen hat 2022 satte 2,2 Milliarden Euro Umsatz, überwiegend aus Provisionen, und einen Gewinn von 246 Millionen Euro erzielt. Der Vertrieb verkauft vor allem Versicherungen der Generali, Fonds der Deutsche-Bank-Tochter DWS und Investmentangebote der Allianz Global Investors.

Zahlreiche Politiker sind eng mit der DVAG verbandelt

In dem 22-seitigen Finanzwende-Dossier kritisiert die Autorin Pia Eberhardt die Lobbymacht sowie Geschäftspraktiken des Unternehmens als ausbeuterisch und sektenhaft. Sie fordert Politikerinnen und Politiker aller Parteien auf, von dem Strukturvertrieb keine Spenden mehr anzunehmen. Die DVAG nahm zu den Vorwürfen nicht Stellung.

"Es wäre schon viel erreicht, wenn mehr geschädigte Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Vermittlerinnen und Vermittler der DVAG den Rücken kehren würden und namhafte (Ex-)Politikerinnen und Politiker sich nicht mehr vor den Karren der DVAG spannen ließen", heißt es in dem Papier. Politisch müsse die DVAG in ihre Schranken gewiesen werden.

Konkret nennt Finanzwende drei Gründe für die Kritik. Die DVAG berate Kunden nicht, sie wolle nur Produkte verkaufen. "Dabei nutzen die Vermittlerinnen und Vermittler psychologische Tricks und Manipulationen", heißt es. Die angebotenen Verträge kämen ausschließlich von DVAG-Partnerunternehmen, selbst wenn die in Tests schlecht abschneiden wie die Rürup-Rente von Generali mit ihren hohen Kosten.

Der zweite Vorwurf: Die DVAG unterhält ein enges Netzwerk in die Politik und ist ein großer Geldgeber der Parteien in Deutschland. Einer der größten Erfolge der Lobbyarbeit war die Verhinderung des von der EU geplanten Verbots von Provisionen auf Lebensversicherungen.

Ehemalige und aktuelle Politiker des Bundestags und des Europaparlaments sind bis heute Teil des Einflussnetzes der DVAG. "Als Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU sowie dem Wirtschaftsforum der SPD genießt die DVAG zudem privilegierten Lobbyzugang zu beiden Parteien." Theo Waigel und Markus Ferber, (CSU), Udo Corts (CDU), Brigitte Zypries (SPD) und der frühere Verdi-Chef Frank Bsirske (Grüne) gehören oder gehörten zum Beirat.

Außerdem kritisiert Finanzwende die "ausbeuterischen und sektenhaften" Geschäftsstrukturen des Strukturvertriebs. Vermittelnde verdienten nur Geld, wenn sie Policen verkaufen oder neue Vermittler für den Vertrieb gewinnen. "Gerade die Rangniedrigsten stehen in diesem System unter starkem Druck."

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