Online-Handel:So tückisch sind Kundenbewertungen

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Immer wieder werden Internetnutzer dazu aufgefordert, ihre Meinung mitzuteilen. Meistens können sie die mit der Anzahl der Sterne ausdrücken. Illustration: SZ-Grafik

  • Kundenbewertungen werden denen, die etwas kaufen möchten, immer wichtiger. Sie beeinflussen die Kaufentscheidungen von zwei Dritteln aller Menschen.
  • Experten bezweifeln, dass die Rezensionen von anderen Konsumenten bei der Kaufentscheidung helfen können.
  • Außerdem sind die Bewertungen einfach zu manipulieren - und das geht sogar legal.

Von Sven Lüüs

"Unerhört gute Bildqualität!" - damit potenzielle Kunden Sätze wie diesen zu hören oder lesen bekamen, mussten Händler und Hersteller früher zahlen: für Plakatwände, Fernseh- oder Radiospots, kurz für Werbung. Heute schreiben die Kunden solche Sätze selbst, in ihren Produktbewertungen auf Online-Pattformen wie Amazon, Zalando und anderen. Die "unerhört gute Bildqualität" bescheinigte ein Nutzer beispielsweise einer Digitalkamera in seiner Amazon-Bewertung.

Solch ein Urteil wirkt. Kundenbewertungen beeinflussen immer stärker, was Menschen kaufen. So erkundigen sich inzwischen zwei Drittel aller Menschen in Deutschland vor einer Kaufentscheidung, ob das Produkt anderen gefällt, haben das Marktforschungsinstitut GfK und das Marketingunternehmen Greven Medien 2017 herausgefunden. Zum gleichen Ergebnis kam auch der Digitalverband Bitkom. Und es fällt auf: Junge Menschen beschäftigten sich besonders intensiv mit den Bewertungen der anderen.

Händler wollten normalerweise nur gute Bewertungen, sagt der Verbraucherschützer

Menschen gefällt, was anderen auch gefällt. Auf die Psyche wirkten die Urteile anderer Kunden oft stärker und damit aus Sicht der Verkäufer besser als klassische Reklame, sagt Georg Tryba von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Also setzten Händler, die über Online-Marktplätze wie Amazon oder Zalando ihre Waren anbieten, die Rezensionen gezielt ein - und ersetzten damit Werbung. Dabei seien die Händler aber nur an guten Bewertungen interessiert, um ihren Absatz zu steigern, sagt Tobias Brönneke, der die baden-württembergische Landesregierung als Verbraucherschützer berät.

Für die Kaufentscheidung seien die Rezensionen aber meist nutzlos, so Tryba. Zu dem Ergebnis kommt auch eine Studie der TU Dortmund: Sie verglich die Kundenbewertungen von 2473 Elektroprodukten aus der Zeit von 2014 bis 2017 mit den von der Stiftung Warentest für die gleichen Produkte vergebenen Noten - und die Ergebnisse fielen sehr unterschiedlich aus.

Es gibt kaum Überschneidungen der Bewertungen von Laien und professionellen Produkttestern. "Hohe durchschnittliche Bewertungen scheinen sogar bis zu einem gewissen Grad über die tatsächliche Qualität eines Produkts hinwegtäuschen zu können", sagt Sören Köcher, der an der Dortmunder Studie mitgearbeitet hat.

Kundenbewertungen seien deshalb so wenig aussagekräftig, weil viele Nutzer naturgemäß gar nicht in der Lage seien, vernünftige Urteile zu fällen, sagt Tryba. Käufer drückten in aller Regel ein Gefühl aus, wie sie das Produkt "finden": eher toll oder eher schrecklich. Bei der Digitalkamera zum Beispiel: "Der Kunde packt das Gerät aus, macht ein paar Fotos, schaut sich diese an, findet die Kamera gut und vergibt fünf Sterne." Wie gut er sich aber mit vergleichbaren Produkten auskennt und was er über Blendenzahl, Weißabgleich oder Belichtungsindex weiß, bleibt offen.

Für Amazon spielt das Feedback der Kunden für die Artikel eine wichtige Rolle, entsprechend prominent wird es auf den Seiten platziert. Der Online-Händler kürt sogar eine Art Premium-Bewerter: Wer viele Rezensionen schreibt, die dann von anderen Nutzern auch noch als hilfreich empfunden werden, kann in den Vine Club kommen. Dessen Mitglieder bekommen Produkte vorab und kostenlos, um sie zu testen und zu bewerten.

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