Kunststoff:Umwelthilfe warnt vor Tricksereien bei Recycling-Logos

Exportverbot für unsortierten Plastikmüll

Etwa die Hälfte des Plastikmülls, der in Deutschland im gelben Sack landet, wird verbrannt. Manche Hersteller importieren dennoch weggeworfenen Kunststoff aus dem Ausland.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Die Deutsche Umwelthilfe warnt vor "irreführenden Tricksereien" von Henkel bei der Angabe verwendeter Recyclingmaterialien bei einem Toilettenreiniger.
  • Dm und Rossmann wollen in zwei Wochen auch damit beginnen, Plastikflaschen und Verpackungen mit hohem Recyclinganteil hervorzuheben.
  • Wer in Deutschland recyceltes Plastik verwendet, importiert dieses aber oft. Und die Hälfte des deutschen Plastikmülls wird immer noch verbrannt.

Von Michael Kläsgen

Umweltschützer machen zunehmend Druck auf Konzerne wie Henkel oder Procter&Gamble, die Plastikflaschen für Reinigungs-, Putzmittel oder Shampoos herstellen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnte am Montag vor "irreführenden Tricksereien" von Henkel bei der Angabe verwendeter Recyclingmaterialien. Der Konzern hatte für einen Toilettenreiniger mit dem Hinweis geworben, das Körbchen für die "WC-Kugeln" bestehe aus 100 Prozent recyceltem Kunststoff. Tatsächlich verwendete Henkel aber gar kein Plastik, das schon mal in einem Haushalt war, sondern nur Produktionsabfälle.

Man müsse sich das wie beim Plätzchenbacken vorstellen, sagt Thomas Fischer, Wirtschaftskreislauf-Experte bei der DUH: Wie beim Ausstechen bleibe auch beim Herstellen von Plastikflaschen Material übrig, das man wiederverwenden kann. "Den verwendeten Restteig dann als Recyclingteig zu bewerben, wäre nicht richtig", sagt Fischer. Die Umwelthilfe spricht von "Verbrauchertäuschung", wenn Eigenabfälle gegenüber dem Verbraucher als recyceltes Material deklariert werden. Auch andere Umweltorganisationen wie der Naturschutzbund beleuchten das "Greenwashing" der Konzerne kritisch in Blogs.

Das Thema ist brisant, weil die beiden großen deutschen Drogeriemarktketten, dm und Rossmann, in zwei Wochen in großem Stil damit beginnen wollen, Plastikflaschen und Verpackungen mit hohem Recycling- oder Rezyklatanteil mit einem Logo besonders hervorzuheben. Das solle den Verbrauchern die Kaufentscheidung erleichtern, heißt es. Nur: Bei der Vergabe des Logos müssen dm, Rossmann und somit auch die Verbraucher darauf vertrauen, dass die Angaben der Industrie korrekt sind. Eine externe Überprüfung einzelner Produktionslinien bei den Herstellern ist weder vorgesehen noch möglich.

Verbraucher können kaum überprüfen, ob die Angaben korrekt sind

Es ist auch nicht beabsichtigt, wie ursprünglich von der Drogeriemarktkette dm offenbar angestrebt, den genauen Anteil des recycelten Materials an einem bestimmten Produkt anzugeben. So ist unter dem Einfluss der Industrie die Idee mit dem Logo entstanden. Damit sollen nun Plastikflaschen und Verpackungen durch einen Hinweis am Regal gekennzeichnet werden, die "zu den Besten ihrer Kategorie" gehören. Wer als Verbraucher die Korrektheit der Angaben überprüfen will, hat kaum eine Chance.

Henkels Toilettenreiniger ist nur aufgeflogen, weil der Konkurrent Werner&Merz dagegen klagte und vom Landesgericht Stuttgart recht bekam. Henkel beteuert auf Anfrage, nur bei dem "WC-Körbchen" sei Industrierezyklat verwendet und falsch ausgewiesen worden. Das sei "ein absoluter Einzelfall". Bei allen anderen Produkten der Reihe "Pro Nature", zu der auch der WC-Reiniger gehört, würden die Flaschenkörper zu 100 Prozent aus haushaltsnahem Post-Consumer-Rezyklat (PCR) hergestellt. Dabei handelt es sich um ein Material, um dessen Definition Hersteller und Händler seit Monaten hinter verschlossenen Türen ringen. Was zählt dazu, was nicht? Werner&Mertz, der Hersteller der Marke Frosch, verließ inzwischen wegen zu laxer Vorgaben das von dm geführte "Rezyklat-Forum", dem etwa 30 Organisationen und Unternehmen angehören, darunter auch Henkel.

Industrierezyklat soll nach offizieller Darstellung von dm jedenfalls nicht am Regal besonders ausgezeichnet werden. Was aber dann? Zum Post-Consumer-Rezyklat gehört theoretisch natürlich auch der von den Verbrauchern oftmals sorgsam sortierte Plastikmüll aus dem gelben Sack oder der gelben Tonne, etwa der Joghurtbecher ohne Deckel und Papierhülle. Doch diesen Müll wieder aus dem Sack zu fischen, ist für Henkel und die meisten anderen Hersteller viel zu aufwendig und deswegen zu teuer. Deshalb recyceln sie zum ganz überwiegenden Teil geschredderte Cola, Wasser- oder Milchflaschen aus dem Mehr- und Einwegsystem. Wenn sich diese Flaschen nach mehrmaligem heißen Auswaschen nicht mehr zur Wiederbefüllung eignen, weil sie abgenutzt oder geschrumpft sind, dann wird daraus oftmals Granulat gemacht, aus dem neue Plastikflaschen entstehen können.

Nach Angaben von Henkel bestehen fast alle PET-Flaschen, darunter Pril-, Bref-, Sidolin- oder Vernel-Flaschen, zu fast 100 Prozent aus diesem PCR-Plastik, das wiederum zu mindestens 95 Prozent aus recycelten Getränkeflaschen, vor allem aus Einwegsystem, gewonnen wird. Mit anderen Worten: So gut wie nichts davon stammt aus dem gelben Sack. "Das Rezyklat aus dem deutschen Gelben-Sack-System liegt derzeit leider nicht in der notwendigen Quantität und Qualität vor", erklärt eine Unternehmenssprecherin.

Der Kunsstoffanteil kann schwanken - aber die Auszeichnung der Drogerie bleibt

Doch nur wenn daraus mehr Plastik genommen würde, wäre auch der Umwelt und der Kreislaufwirtschaft in Deutschland gedient, monieren Umweltschützer. Tatsächlich ist es so, dass Henkel wie die meisten anderen Hersteller den weitaus größten Teil des PCR-Plastiks aus dem europäischen Ausland importieren. Das ist insofern kurios, als Verbraucher in Deutschland seit etwa 30 Jahren Plastikmüll trennen und in den gelben Sack werfen. Laut Umweltbundesamt wird davon aber mehr als die Hälfte verbrannt.

Zudem täuscht der von Henkel angegebene hohe PCR-Anteil bei Pril und Sidolin über etwas anderes hinweg. Misst man den Rezyklatanteil bei allen Konsumenten- und Transportverpackungen des Düsseldorfer Konzerns in Europa, also den gesamten Kunststoffverbrauch, dann liegt er nur bei gut zehn Prozent. Auch das räumt der Konzern ein. Wobei der Anteil steigt und 2025 bei 35 Prozent liegen soll, ein Wert, der in Deutschland bei allen PET-Flaschen von Henkel offenbar schon erreicht wird.

Andererseits ist der Rezyklatanteil keine fixe Größe. Er schwankt. "Wenn das Material nicht in der gewünschten Qualität und Quantität verfügbar ist", sagt die Sprecherin, setze der Konzern auch Produktionsabfall ein. Unwahrscheinlich, dass in diesen "Ausnahmefällen" dann bei dm und Rossmann das Logo verschwindet.

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