Krisenbekämpfung der Europäischen Zentralbank:Draghi spricht Zypern-Rettung Modellcharakter ab

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"Zypern ist keine Blaupause", sagt Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank - und versucht damit, die nervösen Märkte zu beruhigen. Konkrete Aussagen zu künftigen Zinssenkungen vermeidet der Italiener, doch wer zwischen den Zeilen lesen will, findet Anzeichen für einen zarten Wandel in der Geldpolitik.

In Zeiten der Krise ist das Nichtstun zum Ritual geworden: An jedem ersten Donnerstag im Monat trifft sich der Rat der Europäischen Zentralbank zu seiner turnusmäßigen Sitzung. "Eine Zinsentscheidung ist nicht zu erwarten. EZB-Chef Mario Draghi wird am historisch niedrigen Leitzins von 0,75 Prozent festhalten", heißt es dann in den Nachrichtenagenturen. Seit Juni 2012 geht das nun schon so.

Auch an diesem Donnerstag war scheinbar alles wie gewohnt: "Es bleibt bei 0,75 Prozent", heißt es aus Frankfurt. Und doch ist etwas anders. Es ist die erste EZB-Sitzung nach der vorläufig abgewendeten Zypern-Krise. Erstmals in der Euro-Schuldenkrise werden vermögende Bankkunden zur Sanierung der Geldhäuser herangezogen. Sagt Draghi etwas dazu? Bleibt Zypern ein Einzelfall, oder steht das Land für ein neues Rettungsmodell? Nicht wenige Investoren an den Finanzmärkten befürchten dies.

Sie versucht der EZB-Chef zu beruhigen: Zwar sei die EZB "zum Handeln bereit" und prüfe derzeit "diverse" zusätzliche Maßnahmen zur Unterstützung der Eurozone, doch "Zypern ist keine Blaupause". Bei Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hatte sich das vor zwei Wochen noch anders angehört. Er war mit der Aussage zitiert worden, Zypern sei ein Modell für künftige Hilfsprogramme in anderen Staaten. Draghi sagte, er sei überzeugt, dass Dijsselbloem falsch verstanden worden sei.

Die Hoffnungen ruhen mehr denn je auf der EZB

Die Schuldenkrise ist in den vergangenen Wochen mit Wucht zurückgekehrt. Und an den Märkten herrschen Zweifel, ob die Politik in der Lage ist, die maroden Volkswirtschaften im Süden dauerhaft zu stabiliseren. Hinzu kommen enttäuschende Konjunkturdaten aus der Euro-Zone, insbesondere der neue Rekordstand der Arbeitslosigkeit im Währungsraum in Höhe von zwölf Prozent.

Darum ruhen mehr denn je die Hoffnungen auf der EZB: Sie müsse "jetzt anfangen über unkonventionelle Mittel nachzudenken, wenn der Aufschwung noch auf sich warten lässt", sagt zum Beispiel Martin van Vliet, leitender Ökonom bei der niederländischen ING Bank.

Für Draghi müssen die Maßnahmen nicht unkonventionell sein, sondern sollen "gleichzeitig nützlich und vereinbar mit unserem Mandat sind" sowie "die Erfahrungen anderer Länder" berücksichtigten. Draghi appellierte an die Verantwortung der Regierungen in den Krisenländern. Die EZB könne weder einen "Mangel an Kapital im Bankensystem" noch "fehlende Maßnahmen" seitens der Regierungen ersetzen, sagte er. Es sei wichtig, dass die Länder ihre Schulden bezahlten. Dabei sowie bei nötigen Strukturreformen könne die EZB aber nicht an Stelle der zuständigen Regierungen handeln.

Außerdem liefert Draghi eine kleine Konjunkturbilanz - und die ist pessimistisch. Zum Anfang des Jahres sei die Wirtschaft noch schwach gewesen, sagt der Notenbank-Chef. Erst im Laufe des Jahres werde es schrittweise bergauf gehen. Es gebe weiterhin Abwärtsrisiken und in den kommenden Wochen werde man alle Daten genau beobachten. Die EZB-Ökonomen hatten erst kürzlich ihre Konjunkturprognose für den Währungsraum gesenkt. Für 2013 sagt die Notenbank ein Schrumpfen der Wirtschaftskraft um 0,5 Prozent voraus.

"Draghi prüft seine Optionen", schrieb Bloomberg am Donnerstag vorab. Seine Spanne reiche von einer - allerdings unwahrscheinlichen - Senkung des Leitzinses über die weitere Vergabe von EZB-Krediten an Banken bis zum Plan der EZB, kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu den in vielen südlichen Euro-Ländern blockierten Kreditmärkten wieder zu öffnen.

Gleich mehrere Notenbanken treffen wichtige Entscheidungen

An diesem Donnerstag gab es gleich mehrere Entscheidungen wichtiger Notenbanken. Die japanische Notenbank lockerte ihre Geldpolitik einmal mehr. Unter der Ägide des neuen Chefs Haruhiko Kuroda beschloss sie umfassende Maßnahmen - etwa die massive Ausweitung der Staatsanleihenkäufe und eine Erhöhung des Inflationsziels auf zwei Prozent. Die Bank of England will dagegen trotz der trüben Wirtschaftslage ihre Geldpolitik vorerst nicht ändern. Sowohl das Volumen der Anleihekäufe als auch der Leitzins bleiben unverändert.

Zwar würde die niedrige Inflationsrate eine weitere Zinssenkung im Euro-Raum erlauben. Doch zweifeln viele Experten, ob so ein Schritt auch tatsächlich Auswirkungen hätte auf die von der Krise gebeutelten Volkswirtschaften. Für einen echten Effekt, heißt es etwa aus der Bundesbank, sei der Leitzins schon viel zu niedrig.

Trotzdem hält sich Draghi die Option offen, in den kommenden Monaten noch unter die jetzigen 0,75 Prozent zu gehen. "Wir sind zum Handeln bereit", so der EZB-Chef. Die Geldpolitik der EZB werde die Wirtschaft so lange stützen wie nötig.

Das reicht manchen Analysten, um eine vorsichtige Bewegung in der Geldpolitik zu erkennen: "Konkrete Aussagen bezüglich einer möglichen Zinssenkung hat Draghi nicht gemacht, aber der Markt liest gerne zwischen den Zeilen", sagt HSBC-Analyst Thomas Amend. So dürfte die Tatsache, dass die Zinsentscheidung nicht einstimmig erfolgt sei, Spekulationen auf eine mögliche Senkung der Leitzinsen auslösen. "Hinzu kommt, dass die Inflation laut Draghi unter zwei Prozent sinkt. Das schafft theoretisch Spielraum für künftige geldpolitische Maßnahmen."

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